Buchkritik: M.Blecher

Der Autor wurde am 8. September 1909 in einer Provinzstadt im Nordosten Rumäniens geboren und starb 1938 im Alter von 29 Jahren. Ein Jahr zuvor war sein zweiter Roman „Vernarbte Herzen“ erschienen, der nun endlich auch auf Deutsch vorliegt (Lehrbuchsammlung WZ 305.R/100).
Als M. Blecher aus der Provinz in die Metropole Paris kam, um Medizin zu studieren, erkrankte er, gerade mal 19 Jahre alt, an Knochentuberkulose, und so nimmt es nicht Wunder, das dieser Roman zuvörderst dieser Erkrankung geschuldet ist. Man könnte ihn darob einen Sanatoriumsroman nennen und sich an Thomas Mann‘s Zauberberg erinnert fühlen, doch der zurückhaltende und zugleich präzise Sprachduktus ist Franz Kafka viel näher.
Der Protagonist Emanuel findet sich mit anderen Leidensgenossen im Sanatorium in Berck wieder, einem Kurort an der Küste. „Wer hier gelebt hat, findet nirgends auf der Welt mehr seinen Platz.“ Den Torso eingegipst werden die Kranken auf Liegen in den Speiseraum gefahren, durch das Städtchen spazierengefahren, doch solcherart ruhiggestellt, wird selbst die Liebe von Emanuel zur genesenden Solange (!) zur Tortur. Die Empfindung, die wohl jeden Kranken anfällt: nicht Herr im eigenen Haus zu sein.
Ein Roman des Schmerzes und der surrealen Bilder, ein Roman, der das individuelle Leiden als langsame Qual in und an der Zeit erzählt, und dies unmittelbar und ohne jeden Pathos. So bleibt diesseits aller Sentimentalität als Nachhall der Lektüre ein tieftrauriges Echo der Ausweglosigkeit des Leidens. Ein Klassiker, ergreifend, hilfreich und gut. Volker Frick