Newsletter Cover Mai 2015
Newsletter im PDF-Format
© Institut für Sinologie und Ostasienkunde, Uni Münster

Grußwort und Konferenzrückblick

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Anlässlich der neuen Ausgabe des Newsletters über die Sinologie in Münster soll daran erinnert werden: Das ist bereits die sechste Ausgabe. Blättert man die erschienenen Exemplare einmal durch, stellt man überraschend fest: Es hat in den letzten drei Jahren so viele interessante und denkwürdige Momente gegeben, die man miterlebt hat; zugleich bedauert man auch, einige davon wären – ohne dieses kleine Format – fast schon vergessen worden. Nun verfügt das Institut zur Freude aller über solch ein schriftliches Dokument, das viele wichtige und interessante Ereignisse wieder ins Gedächtnis rufen lässt. Und das ist nichts Geringes! Was gibt es über die letzte Zeit zu berichten?

Am 24. März 2015 haben fünf Institutsmitglieder auf Einladung von Frau Prof. Xu Shihong vom Institute for Chinese Ancient Legal Documents der Chinese University of Political Science and Law sowie Herrn Prof. Itaru Tomiya von der Kyoto University am Symposium „Crime and Society in East Asia: A Comparison between the East and the West“ in Peking teilgenommen. Professor Emmerichs Vortrag trug den Titel „On Torture“, Frau Dr. Nagel-Angermann sprach über „Incest – Crime or Taboo?“. Frau Dr. Kieser nutzte historische Bilder, um Verbrechen und Strafen in der Han-Zeit zu erklären und Frau Dr. Storm analysierte anhand von Tang-zeitlichen Pan-Texten die damalige Rangordnung. Das kurze, aber produktive Treffen fand im Rahmen eines von der Japan Society for the Promotion of Science geförderten Forschungsprojektes statt, innerhalb dessen bereits Konferenzen in Münster (2012) und in Kyoto (2014) durchgeführt wurden. Frau Dr. Storm und ich besuchten nach dem Symposium unser chinesisches Partnerinstitut College of Chinese Language and Culture der Nankai University in Tianjin, um mit dem Institutsleiter Wang Lixin ein konstruktives Gespräch über die künftige Zusammenarbeit zu führen, vor allem über die Möglichkeit für Masterstudierende nach der neuen Studienordnung.

Nicht zuletzt gratulieren wir herzlich der BA-Studentin Henrike Gördes zu ihrer erfolgreichen Bewerbung um ein DAAD-Vollstipendium für dieses Jahr. Viel Vergnügen bei der Lektüre wünscht...

Ihr Yu Hong

Was vormoderne Weinbehälter uns über die Protestkultur der West-Zhou-Zeit verraten

Ein Bericht über die Antrittsvorlesung von PD Dr. Christian Schwermann

Der Begriff „Remonstration“ beschreibt den förmlichen Einwand eines Beamten gegenüber der Weisung eines Vorgesetzten. Während diese Art Widerstand in unserer Zeit und hierzulande selten die Karriere befördert, gab es im vormodernen China gar eine Pflicht zur Remonstration – festgelegt in der Verfassung des Kaiserreichs. In seiner Antrittsvorlesung am 29. Januar 2015 präsentierte PD Dr. Christian Schwermann die Ergebnisse seiner Forschungen zu diesem Thema. Mithilfe von neuen Bronzefunden zog er Rückschlüsse auf die Anfänge der Protestkultur während der Westlichen Zhou-Dynastie (1045-771 v. Chr.) und brachte damit Licht in dieses noch weitgehend unerforschte Gebiet.

Im vergangenen Wintersemester 2014/2015 vertrat Herr Schwermann Institutsleiter Prof. Dr. Reinhard Emmerich, der am Internationalen Kolleg für Geisteswissenschaftliche Forschung der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg zu Gast war. Unter anderem übernahm Herr Schwermann die Vorlesung zum chinesischen Mittelalter stellvertretend für Professor Emmerich. In dieser kurzen Zeit haben sowohl das Kollegium am Institut als auch die Studierenden ihn als einen kontaktfreudigen Menschen kennen und schätzen gelernt.

Obwohl sich das Wintersemester in den letzten, anstrengenden Zügen befand, wollte sich daher kaum jemand die Gelegenheit nehmen lassen, seiner Antrittsvorlesung beizuwohnen. Der Seminarraum im Institut war angefüllt mit Menschen aus Nah und Fern, altbekannten und neuen Gesichtern.
Zu Beginn eröffnete Professor Emmerich die Veranstaltung. „Keineswegs ein schneller Schreiber“ sei Christian Schwermann, schmunzelte dieser, dafür aber ausgesprochen ehrgeizig und stets mit größtem Enthusiasmus dabei. In den letzten Tagen habe Schwermann immer wieder entspannt gemeint: „Danke, es gibt nichts zu helfen“, die erste Hälfte seines Vortrags stehe bereits.

Diesen leitete der Redner mit einer Einführung in unser heutiges Verständnis der Remonstration ein. Sodann widmete er sich der Historie dieser Form des institutionalisierten politischen Widerstandes im vormodernen China. Hierbei konzentrierte er sich auf die Geschichte der Remonstration im alten China, wo sie als jian oder jianyi 諫議 bezeichnet wurde. Herr Schwermann verschaffte den Zuhörern dabei zunächst einen Überblick über das kaiserzeitliche Remonstrationswesen. Besonders die frühe Kaiserzeit gilt als stilbildend für die Remonstration als Form politischer Kritik. Die meisten bisherigen Forschungen befassen sich mit den bereits literarisch überhöhten, rhetorisch anspruchsvollen Zeugnissen dieser Epoche und der vorangehenden Zeit der Streitenden Reiche (5. Jh. bis 221 v.Chr.).

Doch die institutionsgeschichtlichen Anfänge der Remonstration in China reichen viel weiter in die Vergangenheit zurück. Bereits Bronzeinschriften des 10. Jh. v. Chr. berichten über Remonstrationen (jian ) und erlauben weitreichende Rückschlüsse auf die Rechts- und Sozialgeschichte der frühen mittleren West-Zhou-Zeit. So beurkundet etwa die Inschrift auf dem 2005 gefundenen Weinbehälter des Su (Su you 肅卣), der in die Zeit von König Mu (reg. 956-918 v.Chr.) datiert wird, nicht nur eine Schenkung von sechs Familien von Knechten an den Stifter des Gefäßes, sondern erwähnt auch, dass diese dagegen protestierten und die Stadtverwaltung deswegen eine Remonstration beim König einreichte. Stein des Anstoßes war es, dass der Beschenkte die Familien selbst aus dem Fußvolk (shuren 庶人) ausgewählt hatte. Wir erfahren außerdem, dass es am Königshof kontroverse Diskussionen über Einsprüche gegeben haben muss und dass Rechtsbrüche schriftlich festgehalten wurden. Zwar bestätigte der König am Ende die Schenkung, aber seine Beamten hielten fest, dass diese eigentlich nicht den Verordnungen entsprochen habe.

Nach einer angeregten Diskussion über den bemerkenswerten Fund und seine rechts- und sozialgeschichtlichen Implikationen wurden bei Brot und Wein noch einmal einzelne Aspekte des Forschungsbereiches in Privatgesprächen vertieft. Vor allem nutzten die Anwesenden aber die Gelegenheit, auf den frischgebackenen Privatdozenten und seine gelungene Antrittsvorlesung anzustoßen.

Isea Cieply

Exkursion nach Hamburg

An Bord acht wissbegierige Bachelor- und Masterstudierende

Am Samstag, den 15. November 2014, verließ um 8.59 Uhr ein Zug den Münsteraner Hauptbahnhof, mit an Bord acht wissbegierige Bachelor- und Masterstudierende und natürlich Frau Dr. Kieser und Frau Dr. Storm. Die Exkursion war ein Angebot im Rahmen des Seminars „Chinesische Kunst: Wandel der Ausdrucksformen vom Neoli-thikum bis heute“ der erstgenannten Dozentin. Unser Reiseziel: das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg.

Besonders interessierte uns die Abteilung für Ostasiatische Kunst. Diese umfasst rund 13.000 Objekte aus den verschiedensten Regionen und Jahrhunderten, ja, Jahrtausenden asiatischer Kultur. Von japanischen Farbholzschnitten über Schwertschmuck und Lackarbeiten bis hin zu Keramikgefäßen, Ritualbronzen und Malerei – das Museum für Kunst und Gewerbe besitzt eine bedeutende Sammlung. Für uns waren die Keramiken von der Han-Zeit bis zur Ming-Dynastie der wichtigste Forschungsgegenstand. Die Studierenden hatten Vorträge zu einzelnen Objekten vorbereitet, sodass man die verschiedenen Keramikstile und Verarbeitungstechniken selbst als Laie nachvollziehen konnte. Mehrere Studenten stellten etwa die „Sancai-Ware“ (三彩) vor, die in der Tang-Zeit perfektioniert wurde. Durch ihre Farbenpracht ist sie besonders beeindruckend. Des Weiteren wurde die Tonfigur eines hohen Würdenträgers, die den Toten wahrscheinlich als Grabbeigabe in seinem Leben nach dem Tod beschützen sollte, in einem Referat präsentiert. Dem Verstorbenen wurden auch Pferde und sogar ganze Höfe zur neuen Existenzgründung im Jenseits beigelegt.

Im Stockwerk darunter fand zur selben Zeit die Sonderausstellung: „Raubkunst? Provenienzforschung zu den Sammlungen des Museums für Kunst und Gewerbe“ statt. Sie ist eine eigene wissenschaftliche Arbeit des Museums und zeigt die Herkunftsgeschichte einzelner Kunstgegenstände. Durch die bereitgestellten Auktionskataloge und Inventarbücher erhält der Betrachter einen Einblick in die Beziehungen zwischen Kunstliebhabern und Kunsthändlern und kann somit den Weg verfolgen, auf dem das Kunstobjekt zum Museum gelangt. Doch unsere Reise endete nicht mit dem Schließen der Museumstore. Nein, der Reiz des Hamburger Nachtlebens brachte einige dazu, hinter ihren Lehrbüchern hervorzukriechen und sich den Melodien der „Chinesischen Klangnacht“ der Hochschule für Musik und Theater hinzugeben, die im Rahmen der China Time Hamburg 2014 in den Räumen der Hochschule präsentiert wurde. Am nächsten Morgen vertrauten wir uns dem Hamburger Schienenverkehr an. „Hammerbrook, Veddel, Wilhelmsburg… Harburg.“ „Secret signs – Zeitgenössische Kunst im Namen der Schrift“ in der Sammlung Falckenberg war unser Ziel. Präsentiert wird Avantgardekunst zeitgenössischer Künstler wie Gu Wenda, Xu Bing und Qiu Zhijie. Insgesamt werden 110 Werke unterschiedlichster Medien – darunter Fotografie, Videos, Kalligraphie, Arrangement und Objekte – vorgestellt, die einen Wandel in der chinesischen Kunstauffassung beschreiben. Gezeigt werden unter anderem Wände voller erfundener Schriftzeichen und riesige Schriftrollen, die im Laufe eines heiteren Abends des gemeinsamen Trinkens immer mehr bepinselt wurden. Sehenswert ist diese eher eigentümliche Ausstellung allemal.

Denis Cohrs

Sonderaustellung: China unter Mao

Die permanente Revolution in Bremen

Revolutionsführer, Staatsgründer, Pop-Ikone, aber auch kompromissloser Machtmensch:

Die Sonderausstellung „China unter Mao“ im Überseemuseum Bremen zeigt Mao Zedong mit all seinen Facetten und Widersprüchen. Die Ausstellung beleuchtet die grandiose Karriere und das weitreichende Erbe Maos, aber auch ein ruheloses Land, das unter dem „Großen Steuermann“ von einer Revolution in die nächste taumelt: China zwischen grenzenlosem Enthusiasmus und Denunziation.

Schon vor dem Eingang zur Sonderausstellung „China unter Mao“ prangt Mao Zedongs überlebensgroßes Konterfei. Der „Große Vorsitzende“ lächelt milde, fast väterlich auf die Museumsbesucher herab. Statt der typischen Mao-Uniform trägt er allerdings ein nachtfarbenes Meer aus weit aufgerissenen Augen. Die Fotocollage mit dem schlichten Titel „Mao Zedong“ von Ren Rong aus dem Jahre 2014 weist den Weg zur Ausstellung.

Mao der Erlöser und Mao im Westen

Im blau getünchten ersten Raum wird der Besucher Zeuge des langsamen Verfalls der letzten Kaiserdynastie, Videos und Karikaturen lassen die Demütigungen durch ausländische Mächte, die China während der chinesisch-japanischen Kriege und der Opiumkriege erlitten hat, nachempfinden. Im ersten Raum sehen wir ein fremdbestimmtes Land, zerteilt und zerstritten im Bürgerkrieg zwischen Kuomintang und der Kommunistischen Partei. Ein Tunnel führt zum zweiten Raum, in signalrot gestrichen. Uns begegnet ein triumphierender Mao: Der Bauernsohn schwingt sich zum Staatsgründer der Volksrepublik auf. Die Kommunistische Partei Chinas unter Mao hat das Reich erneut vereint und die westlichen Imperialisten vertrieben. Unzählige Abzeichen mit dem Profil des Vorsitzenden, etliche „Mao-Bibeln“ und zahlreiche Plakate, Wandzeitungen und Gemälde zeugen von dem Personenkult um Mao vor und nach der Kulturrevolution. Filmaufnahmen zeigen Chinesen, die im Angesicht Mao Zedongs in hemmungsloses Weinen ausbrechen.

Ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung sind die Auswirkungen der Mao-Ära auf den Westen, Deutschland und Bremen im Speziellen. Befragt nach den Gründen ihrer Begeisterung für Maos China, geben einige „Bremer Maoisten“ interessante zeitgeschichtliche Einblicke: Eine Frau spricht von einem „jugendlichen Bedürfnis nach Einteilung in Gut und Böse“; ein Mann spricht davon, dass junge Menschen unter Mao endlich ernst genommen wurden; wieder ein anderer Mann gibt zu, dass Maos Parolen wie „Bombardiert das Hauptquartier“ jungen, rebellischen Deutschen „in die Karten spielte“; einen anderen Bremer begeisterte der „ungeheure Subjektivismus: (Mao ließ uns glauben,) dass der Wille Berge versetzen kann.“ Hieran lässt sich die große Kompatibilität Maos erkennen: Die Begeisterung von jungen Deutschen rührte auch aus einer Mischung aus Rebellion, Opportunismus und Idealismus.

Kritik an Mao und Aufarbeitung der Mao-Ära

Während viele westliche Europäer noch von Egalität, Volksherrschaft und gewaltloser Revolution träumten, zerschneidet die Kulturrevolution bereits erste Familienbande. Interviews mit chinesischen Zeitgenossen offenbaren ein Klima der Angst und Denunziation im maoistischen China, insbesondere während der Kulturrevolution. So berichtet die Ärztin und Autorin Qiong Ma aus Shanghai, wie sich ihre ältere Schwester den Rotgardisten anschloss und ihre eigene Familie verriet. Gou Wenji aus Chongqing schildert die Entbehrungen der Landarbeit, die er als Jugendlicher erlitt, und die Zurückweisung durch seinen parteitreuen Vater. Die Gespräche, die die Kuratorin Dr. Renate Noda mit Zeitgenossen hielt, verdeutlichen, dass die Fronten zwischen Maoisten und „Revisionisten“ auch vor Familien nicht Halt machten. Es ist der wohl emotionalste Teil der Ausstellung.

Gegen Ende der Ausstellung begrüßt uns ein strahlender Deng Xiaoping, der auf einer glitzernden, westlich anmutenden Limousine den Massen zuwinkt. Er unterbindet eine reflektierende Aufarbeitung von Maos Erbe mit der zentralen Richtlinie: 70 Prozent der Mao-Ideen seien gut, 30 Prozent schlecht gewesen. So scheinen viele Chinesen die Übel der Kulturrevolution anzuerkennen, jedoch ist der Wille zur Retrospektive begrenzt. Xu Ding, der Organisator der Expo in Shanghai 2010, fragt etwas provokativ: „Wo liegt der Nutzen einer Aufklärung?“. Währenddessen kann sich die Studentin Liao Weijie nur sehr vage zur Mao-Ära äußern: „Für mich existiert die Kulturrevolution nur in Lehrbüchern.“ Wichtige Impulse zur Aufarbeitung des schweren Erbes kommen daher oft aus dem Ausland. Das Museum stellt mehrere Fotografien der Künstlerin Wendy Hack aus, darunter auch „Fading Mao“. Es zeigt das schemenhafte Bild des Vorsitzenden. Ob die Künstlerin damit eine Momentaufnahme oder einen Wunsch abbildet, bleibt offen. „Es war uns ein wichtiges Anliegen“, so die Kuratorin Dr. Renate Noda, „vielfältige Blicke auf Mao zu werfen. Wir wollten aber keineswegs ein Urteil abgeben.“ Jener Zielsetzung ist die Ausstellung zweifelsohne gerecht geworden: Bedeutende Leihgaben zeitgenössischer chinesischer Kunst und hunderte Exponate aus dem Weltmuseum Wien formen ein Bild der Zeit. Die Ausstellung dekonstruiert den Mythos Mao in systematischer Weise, transportiert zugleich die unsagbare Begeisterung des damaligen China.

Jendrik Niebuhr

Bis an die Grenzen der Erde

Quellen zur kapuzinischen Mission (nicht nur) in Gansu

Zu dem gleichnamigen Titel hielt der Leiter des Dezernats Historische Bestände der Universitäts- und Landesbibliothek (ULB) Münster, Reinhard Feldmann, am Donnerstag, den 20. November 2014, am Institut für Sinologie und Ostasienkunde einen Vortrag in der Reihe „Deutsch-chinesischer Dialog“.
Während seines Vortrags stellte Herr Feldmann verschiedene historische Quellen der ULB Münster im Bezug auf die kapuzinische Mission in der Südsee und China, vor allem in der Provinz Gansu, vor.

In der Südsee übernahmen die westfälischen Kapuziner ab 1904 das Gebiet der Ost- und Westkarolinen sowie der Palau-Inseln als Apostolische Präfektur von den seit 1886 dort anwesenden spanischen Kapuzinern. Erst mit Ende des Ersten Weltkrieges und dem Ende der deutschen Kolonialherrschaft wurden die deutschen Kapuziner gezwungen, die Region zu verlassen. Viele von ihnen widmeten sich neuen missionarischen Aufgaben in China.

Unter der Leitung von P. Salvator Walleser entstand 1922 in Gansu eine neue Mission. Die Arbeit war durch viele Widrigkeiten geprägt, wie Naturkatastrophen, Seuchen und gewaltsame Auseinandersetzungen von Warlords und Kuomintang. Als die kommunistischen Truppen dieses Gebiet 1949 besetzten, wurden die Missionare schließlich bis 1952 schrittweise als unerwünschte Ausländer ausgewiesen.

Die im Rahmen des Vortrages vorgestellten Dias zeigten nicht nur Einblicke in die Missionarsarbeit, sondern dokumentierten auch in einzigartiger Form das damalige Leben der Menschen sowie ihre Sitten und Gebräuche, was ihre Bedeutung als wertvolle Fenster in die Vergangenheit unterstreicht.
Dass für historische Wissenschaft Quellen dieser Art unerlässlich sind, ist allgemein bekannt. Dass es sich auch bei der Historischen Sammlung der ULB Münster um eine kleine „Schatzkammer“ handelt, wissen dagegen nur wenige. Herr Feldmann, der Sammlungen dieser Art auch als „Gedächtnis der Menschheit“ beschreibt, erläuterte, dass in diesem Fundus über 100 Nachlässe und Sammlungen schlummern. 2010 und 2011 erhielt die ULB diese umfangreichen Archivbestände von der Deutschen Kapuzinerprovinz. Die Unterlagen dokumentieren den Zeitraum 1904 bis 1919 der kapuzinischen Südseemisson, sowie die Chinamission von 1922 bis 1952. Besonders hervorzuheben sind dabei auch Glasdias, die sehr gut erhalten sind und einzigartige Einblicke in den Alltag in den Missionsgebieten bieten, und von denen einige den Vortrag von Herrn Feldmann bereicherten.

Bereits im 18. Jahrhundert waren Kapuzinermönche in Tibet zwecks Missionierung vor Ort, wie in dem Werk „Missio Apostolica, Thibetano-seraphica“ des italienischen Kapuziners Francesco Orazio Della Penna die Billi von 1740 berichtet wird. Schwerpunkte der Missionierung waren vor allem China und die Südsee, wobei die Provinz Gansu, die zwischen der Mongolei und Sichuan gelegen ist, besonders hervorzuheben ist.

Lisa Becker

Das chinesische Neujahr in Paris

Überall und Nirgendwo

„Die Parade zum neuen Jahr? Die ist erst morgen“, erklärt uns ein kostümierter Mann im chinesischen Viertel in Paris. Das Problem: es ist Samstagmorgen und unser Zug bringt uns ab 15.55 Uhr wieder zurück nach Münster. Wir trennen uns also in Kleingruppen, zum wiederholten Mal. Denn die Szenerie vom Samstag ist ein Déjà-vu, waren wir doch schon am Donnerstag im asiatischen Viertel des 13. Arrondissements auf der vergeblichen Suche nach großen Feierlichkeiten. Besagter Donnerstag war der 19. Februar 2015 und somit erster Tag im neuangebrochenen Jahr des Schafes nach dem chinesischen Tierkalender. Mittags zuvor sind uns dort noch ganztägige Paraden versprochen worden. Abends jedoch erkennt man den Jahreswechsel nur an den Lampions und Bannern, die uns von den Straßenlaternen aus auf Französisch und Chinesisch ein Frohes Neues Jahr wünschen.

Ein Familienvater erklärt uns, dass die Feierlichkeiten unter der Woche eher im privaten Bereich stattfänden. Samstag gäbe es aber ganztägig große Feierlichkeiten im gesamten Viertel. So steht es auch im Internet: große Parade von 10 bis 13 Uhr. Wir sind vor Ort und sehen wieder: nicht viel. Nur eine Gruppe pausierender Trommler und Drachentänzer, die uns auf Sonntag vertrösten – zu spät für uns. Also teilen wir uns wieder auf. Einige freuen sich über das vergleichsweise preisgünstige Essen im Viertel, andere holen letzte Programmpunkte nach.

Manche entdecken vereinzelte Vorführungen von Drachentänzen und auch: tatsächlich – eine Parade. Auf der anderen Seite der Seine am Place de la Republique, das hat uns keiner erzählt. Das chinesische Neujahr ist eben überall und nirgendwo. Zurück zum Beginn der Reise. Es ist Mittwoch, der 18. Februar. Eine Mitfahrerin ist leider kurzfristig krank geworden, so sind wir 19 statt 20 Personen. Am Bahnhof in Köln gibt es Probleme mit den Tickets, doch letztendlich sitzen wir im Thalys nach Paris. Am frühen Nachmittag erreichen wir unser Hostel, das AIJ im Bastille-Viertel. Die meisten sind müde, immerhin mussten sie schon morgens um halb sechs am Münsteraner Bahnhof stehen. Also verabreden wir uns für 19 Uhr, um uns Notre Dame bei abendlicher Beleuchtung anzusehen. Zu später Stunde bietet die Notre Dame immer einen beeindruckenden Anblick, auch für diejenigen unter uns, die Paris nun schon zum wiederholten Mal besuchen. Dann strömt der Weihrauch in die riesigen Räumlichkeiten der Kathedrale. Den Beginn der Messe erleben wir noch mit, doch schließlich zieht uns der Wunsch nach Essen und Trinken wieder über die Seine ins Quartier Latin. So neigt sich der erste Tag in Paris dem Ende zu.
Die Programmeinteilung während der Fahrt ist jedem freigestellt. Jeden Morgen treffen und beratschlagen wir uns über mögliche Ziele des Tages. Die mitgereisten Fachschaftsmitglieder machen Vorschläge, letztendlich trennt man sich aber immer in kleineren Gruppen, um die Stadt zu erkunden, die einem auch an jeder Ecke die Möglichkeit dazu gibt. Beliebte Ziele sind hierbei der Louvre, aber auch andere Museen wie zum Beispiel das Militärmuseum. Ebenso Montmartre, der Eiffelturm oder die Rue Mouffetard… und in der Weltstadt Paris lohnt sich natürlich auch ein Besuch der Friedhöfe, auf denen Berühmtheiten wie Charlie Chaplin, Heinrich Heine und Jim Morrison begraben liegen. In der Lobby des Hostels kam es somit jeden Abend zu regen Unterhaltungen über die jeweiligen Erlebnisse und die Pläne für den kommenden Tag.

Das Chinesische Neujahrsfest am 19. Februar aber war natürlich Pflichtprogramm, schließlich war dies der Hauptgrund für die Fahrt. In Paris mit seinem, im europäischen Verhältnis, sehr großen asiatischen Viertel, sollten doch auch große Feierlichkeiten zu bewundern sein. So war es am Donnerstag natürlich etwas enttäuschend, auf leeren Straßen zu stehen. Doch dann haben wir uns eben wieder in die Restaurants und Bars des Quartier Latin begeben und hatten dort unseren Spaß. Somit beschränkte sich unser Kontakt zur asiatischen Kommune in Paris vor allem auf vereinzelte Drachentänze, chinesische Restaurants im Viertel und die Passanten, die uns jedes Mal vertrösten mussten – sich aber immerhin über ein „Guònián kuàile“ unsererseits freuen durften. Für diejenigen, die dann unverhofft doch Zeugen eines Drachentanzes oder gar einer Parade wurden, war die Freude darum umso größer. Als wir am Samstagnachmittag wieder im Zug nach Köln sitzen, scheint zumindest niemand unter uns über die vergangenen Tage enttäuscht zu sein.

Jan Kubandt

Erfahrungsbericht: Expatriate in Shanghai

Ein Interview mit Nora Loges

Nach ihrem abgeschlossenen Mathematikstudium hat Nora Loges zwei Jahre lang am Institut für Sinologie und Ostasienkunde studiert und sich in der Fachschaft engagiert. Im Juli 2014 ist sie aufgebrochen in das Land, welches das Zentrum unserer Forschungen darstellt. Ein Lagebericht aus Shanghai.

Auf in Chinas hypermoderne Megacity! Wie sah dein Plan aus, als du im letzten Sommer nach Shanghai aufgebrochen bist?

Eigentlich wollte ich nur für ein zweimonatiges Praktikum nach Shanghai, um dort für ein Logistikunternehmen zu arbeiten, für das ich schon in Deutschland als Werkstudentin gearbeitet habe.

In welchem Unternehmen arbeitest du jetzt? Was für Aufgaben übernimmst du dort?

Ich arbeite jetzt bei Magna Steyr China, einer der weltweit größten Automotive Technology Firmen. Seit Anfang des Jahres bin ich nun im Bereich Projektmanagement tätig und arbeite seitdem als technische Assistentin für den Project Management Director. Zu meinen Aufgaben gehört es, monatliche Reviews für alle laufenden Projekte zu organisieren und die Berichte vorab zu sichten, damit keine Überraschungen im Meeting selber auftauchen. Meine andere Hauptaufgabe ist es, sich generell zu überlegen, wie man die Projektmanagementstruktur von Magna Steyr in China optimieren kann. Sei es Vorlagen aus Europa an die chinesische Gesellschaft anzupassen, oder die Entwicklung von neuen Ideen bis hin zu deren Implementierung und Umsetzung.

Hast du noch manchmal mit Themen zu tun, mit denen du dich während deines Studiums auseinandergesetzt hast?

Na ja, wenn man mal davon absieht, dass man täglich die chinesische Sprache hört und Zeichen liest, profitiere ich sehr stark davon, dass ich Seminare zur interkulturellen Kommunikation besucht habe. Auf der zwischenmenschlichen Ebene hilft das enorm, erstaunlicherweise nicht nur im Umgang mit den chinesischen Kollegen. Fachlich gesehen kann ich leider weder aus meinem Sinologiestudium, noch aus meinem Mathematikstudium wirklich etwas anwenden, da fange ich komplett neu an.

Was hat dich an China am meisten überrascht?

Letztendlich, wie einfach es war, sich einzuleben, Fuß zu fassen, neue Leute kennenzulernen, mit denen man sogar regelmäßig etwas unternimmt, und Shanghai als Heimat für (mindestens) die nächsten drei Jahre anzunehmen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich Shanghai noch nicht allzu oft und allzu weit verlassen können, deswegen beschränkt sich China auf Shanghai.

Was war bis jetzt dein schönstes Erlebnis in China?

Ein Highlight war der Gewinn der Weltmeisterschaft: den WM-Titel beim Sonnenaufgang am Montagmorgen vor der Arbeit zu feiern war schon speziell. Und, klar, das unverhoffte Jobangebot beim Frühstücken, das den längeren Chinaaufenthalt erst ermöglicht hat…

Wie teuer ist das Leben in Shanghai?

Das kommt ganz darauf an. Westliche Produkte sind natürlich relativ teuer. Die Bars sind „normal“ teuer (wobei der Maßstab hier nicht die Jüdefelderstraße in Münster ist, lacht). Man kann aber auch den kompletten Luxus einer Weltstadt haben, ganz wie man will.

Wie ist deine Wohnsituation?

Komfortabel. Ich habe in einer WG angefangen, was eine sehr interessante Erfahrung war (da man sich hier die Mitbewohner im Normalfall nicht aussuchen kann). Jetzt, wo ich einen festen Job habe, wohne ich alleine in einer eigenen Wohnung, da ich einen Zuschuss von der Firma bekomme. Ansonsten wäre eine eigene Wohnung sehr teuer.

Was vermisst du, wenn du dich an deine Zeit als Sinologiestudentin in Münster zurückerinnerst?

Ich möchte die Zeit am sinologischen Institut auf gar keinen Fall missen und erinnere mich gerne an die zwei Jahre. Heute bin ich froh, dass ich nach meinem ersten Studium noch ein zweites angefangen habe. Dabei habe ich sehr viele tolle, hilfsbereite Menschen kennenlernen dürfen, mit denen unzählige Stunden in der Teeküche mit großartigen Gesprächen und viel Spaß möglich waren (und das natürlich auch außerhalb des Instituts).

Und wie sieht dein Plan für die Zukunft aus?

Da ich einen Dreijahresvertrag habe, plane ich bis 2017 hierzubleiben und die Zeit zu nutzen, um möglichst viel in China und Asien generell zu reisen und danach: mal schauen. Der Konzern hat ja nicht nur Teile in Deutschland, Österreich und China, sondern auch Südamerika und Kanada…

Vielen Dank, Nora Loges!

Nora Loges, Isea Cieply

Fachschaftsprogramm im Sommersemester 2015

Liebe Mitstudenten, Institutsinterne und Chinainteressierte,
wir von der Fachschaft Sinologie laden euch ganz herzlich zu unseren Programmen und Veranstaltungen ein. Dieses Mal ist die Liste so kurz wie das Semester, doch wir freuen uns auf euer Kommen!

Für kurzfristige Ankündigungen oder außerplanmäßige Änderungen bitte auf Aushänge im Institut oder auf unserer Homepage fs-sinologie.de achten.
Bei Fragen, Problemen oder Anregungen stehen wir euch gerne persönlich oder per Mail an fssino@uni-muenster.de zur Verfügung.
Wenn ihr über unseren E-Mail-Verteiler über Fachschaftsarbeit, Instituts- und externe Veranstaltungen auf dem Laufenden gehalten werden wollt, so schreibt uns an unsere Mail-Adresse. Das Abonnement unseres Newsletters ist selbstverständlich jederzeit durch eine kurze und formlose Mail kündbar.

Karaoke [19 Uhr, "Die Brücke"]
Termin folgt in Kürze

Sino-Stammtisch [19 Uhr, Cavete]
18.06.2015

Sino-Sommerfest
26.06.2015

Bitte achtet auch immer auf Aushänge im Institut und Mails von uns! Wir freuen uns auf die nächste Zeit mit euch!

Eure FSV Sinologie