Aktuelle Forschungsprojekte

Hier finden Sie eine Übersicht über die aktuellen Forschungsprojekte der Abteilung für Osteuropäische Geschichte.

  • Die "Neugetauften" im Zarenreich des 18. und beginnenden 19. Jahrhundert

    Projekt im Cluster EXC 2060 B3-43 (Teilprojekt in DFG-Verbund, koordiniert an der WWU)

    Das Projekt untersucht anhand der offiziellen Kategorie der „Neugetauften“ den Zusammenhang von imperialer Herrschaft, religiöser Zuschreibung und Konzepten kollektiver Identität im Zarenreich des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts. Den Kern bilden Studien zu drei ausgewählten Dörfern von „Neugetauften“, die vor ihrer Zwangschristianisierung dem muslimischen, buddhistischen und schamanistischen Glauben anhingen.

    Mit dem Projekt verbindet sich das Ziel, die für die Imperiumsforschung grundlegende Frage nach dem Spannungsverhältnis aufzuarbeiten, wie Imperien einerseits bestrebt waren, reichsweit eine größere Einheitlichkeit herzustellen und, wie in diesem Fall, die Religion für Zivilisierungsmissionen nutzten, andererseits aber aus kolonialen Gründen mit Kategorien wie den „Neugetauften“ Differenzen zur dominanten Ethnie aufrechterhielten und damit möglicherweise Anstöße für religiös wieder divergierende Tendenzen gaben.

    Darüber hinaus lassen sich von dem Projekt Erkenntnisse darüber erwarten, inwiefern Unterschiede zwischen „Neugetauften“ je nach ihrer vorherigen Zugehörigkeit zum Islam, zum Buddhismus oder Schamanismus dazu beitrugen, ihre Integration in die russisch-orthodoxe geprägte Mehrheitsgesellschaft zu befördern oder zu behindern. Welche Rolle spielte die vorherige religiöse Zugehörigkeit für die Integrationsbereitschaft und welche Rolle spielten hierbei die in den jeweiligen Religionen verbliebenen anderen Mitglieder der ethnischen Gruppen der „Neugetauften“?

    Schließlich ist es ein Ziel des Projekts, der Frage nachzugehen, wie nachhaltig und wirkungsvoll sich die imperial gesteuerte Perpetuierung von Differenz trotz des allgemeinen Bestrebens nach mehr Einheitlichkeit gestaltete und inwiefern gerade diese Politik Entwürfe eigener kollektiver Identität unter den verschieden geprägten Gruppen von „Neugetauften“ beförderte und einen „Rückfall“ in vorherige Religionszugehörigkeiten begünstigte. Der Einblick in den Umgang des orthodoxen Zarenreiches mit religiöser Andersartigkeit und in die Reaktionen der Angehörigen von ehemals verschiedenen Religionsgemeinschaften erlaubt es, das Russländische Reich aus seinem Nischendasein in der allgemeinen Imperiumshistoriographie herauszuholen und es für die vergleichende und transnationale Forschung zum Themenfeld von Zivilisierungspolitik, Kolonialismus und religiöser Vielfalt zu öffnen.

    Bearbeiter: Prof. Dr. Ricarda Vulpius, Nikolas Ender

  • Humanitäre Hilfe im Kalten Krieg – Die Unterstützung von Displaced Persons und Flüchtlingen durch die Tolstoy Foundation (1949-1989)

    Der Ost-West-Konflikt war nicht zuletzt ein Wettstreit um die Herzen der Menschen: Westliche Staaten, allen voran die USA, investierten enorme Summen ins humanitäre Hilfswesen und zeigten damit, dass die „Freie Welt“ Verfolgte und Bedrängte nicht vergessen habe. Unabhängige Hilfsorganisationen spielten für die staatliche Politik eine entscheidende Rolle, ohne ihren Einsatz wäre die Bewältigung humanitärer Krisen kaum möglich gewesen. Bislang ungenügend beachtet wurde allerdings ihre Rolle als Vehikel des transnationalen Transfers von Personen, Gütern und Ideen. Mit ihrer grenzüberschreitenden Tätigkeit konnten sie binäre Ordnungen des Kalten Krieges sowohl herausfordern als auch stabilisieren. Ein solcher Akteur war die Tolstoy Foundation. Die russisch-amerikanische Stiftung war eine dezidiert antikommunistische Organisation mit engen Verbindungen zu politischen und religiösen Vereinigungen der russischen Diaspora. Zugleich war sie die Interessenvertretung von Menschen, die im „Westen“ als Fremde betrachtet wurden: Displaced Persons (DPs) – in ihrer Mehrheit ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter – sowie Geflüchtete aus fast sämtlichen staatssozialistisch regierten Ländern. Das Projekt untersucht die Versorgung dieser Menschen und ihre „lokale Integration“ in der Bundesrepublik im Zeitraum zwischen 1949 und 1989. Im Fokus stehen Aushandlungsprozesse um ökonomische und gesellschaftliche Teilhabe und ihre institutionellen, (geo-)politischen und kulturellen Bedingungen. Die Studie fragt nach dem Wissen, der Handlungsmacht und der Selbstrepräsentation (zwangs-)migrierter Personen und zeichnet die Rolle der Tolstoy Foundation als einer Form migrantischer Selbstorganisation mit transnationaler Wirkungsgeschichte nach. 

    Bearbeiter: Dr. Vitalij Fastovskij

  • Postsäkulare Narrative zur atheistischen sowjetischen Vergangenheit in den zeitgenössischen ukrainischen Kirchen 

    Wie die Sowjetzeit derzeit in der Ukraine erinnert wird, darüber bestimmen wesentlich die Kirchen. Das Projekt will untersuchen, wie das bei den verschiedenen Kirchen (orthodox, griechisch-katholisch) geschieht. Die Hauptthese des Projekts ist es, dass die miteinander konkurrierenden und zugleich verflochtenen Narrative der Kirchen entscheidend für die Entwicklung des heutigen ukrainischen Postsäkularismus sind. Das Projekt will die Verflechtungen zwischen Postsäkularismus, als sozialer Raum mit immer mehr verschwimmenden Grenzen zwischen Religiösem und Säkulärem, und Erinnerungskulturen im post-sowjetischen Raum neu zu erkunden. 

    Bearbeiterin: Dr. Liliya Berezhnaya

  • Exil, Nationalismus und Kalter Krieg: Ideen und Praktiken des (trans)nationalen Befreiungskampfs der ukrainischen Emigration (1945–1991)

    Das Habilitationsprojekt ist der Entwicklung von Befreiungsideen der ukrainischen Exilanten sowie ihren praktischen internationalpolitischen Einsetzungen während der langen Nachkriegszeit im Kontext des Kalten Kriegs gewidmet. Die in den vorigen Jahrzenten misslungene Versuche einen Nationalstaat zu Gründen und zu erbauen führten ihre zahlreichen und unterschiedlichen Akteure in die Emigration, wo, im Unterschied zu der Ukrainischen Sowjetrepublik, sie eine Bühne für politisch pluralistische Tätigkeiten fanden. Ohne die Möglichkeit zu haben, die Situation in der Ukrainischen Sowjetrepublik spürbar direkt zu beeinflussen, konzentrierten sich die politischen Kreise der Exilanten auf die Ausarbeitung von Befreiungskonzepten sowie auf zukünftige Entwicklungsmodelle des ukrainischen Nationalstaates. Alle diese Gruppen teilten zwar ein deutliches gemeinsames Doppelziel – die Unabhängigkeit der Ukraine und ihre Befreiung vom kommunistischen Regime – entwickelten und verfolgten jedoch die unterschiedlichen Strategien, wie diese Ziele aus ihrer Sicht zu erreichen waren. Die genaue Untersuchung der politischen Konzepte der Exilukrainer offenbart die Entwicklungen und Transformationen wichtiger politischer Ideen und Ideologien, die im ukrainischen politischen Leben in der Zwischenkriegszeit und während des Zweiten Weltkriegs entstanden und die ein weites politisches Spektrum von linken und sozialdemokratischen bis hin zu monarchistischen und rechtsradikalen Strömungen umfassten.

    Ihre Konzepte entwickelten die Exilukrainer in einer bipolaren Welt und mit der Orientierung auf die westlichen Demokratien als politischem Vorbild sowie auf die Verbündeten im antikommunistischen Widerstand, was ihre Aktivitäten zu einem wichtigen Bestandteil des Kalten Krieges und sie selber zu ihren transnationalen Akteuren machte.

    Bearbeiterin: Dr. Kateryna Kobchenko

  • Zwischen Mediävistik und Ostforschung. Die Biographie des Historikers Albert Brackmann (1871-1952)

    Informationen folgen

    Bearbeiter: Martin Koschny

  • „Slawische Archäologie“ und ihre politische und ideologische Durchdringung in der PRL und der DDR – Witold Hensel und Joachim Herrmann

    Das Forschungsprojekt untersucht, in welcher Form es in der Volksrepublik Polen und in der Deutschen Demokratischen Republik zu einer politischen und ideologischen Durchdringung der „Slawischen Archäologie“ gekommen ist. Als „Slawische Archäologie“ wurde in den sog. Ostblock-Staaten die archäologische und historische Erforschung der Anfänge eines „slawischen Volkes“ bzw. „slawischer Völker“, seiner/ihrer Siedlungsbewegungen und kulturellen Eigenschaften sowie der Anfänge „slawischer“ Staatlichkeit in prähistorischer und frühmittelalterlicher Zeit bezeichnet. Zwei führende Vertreter dieser Forschungsrichtung aus Polen und Ostdeutschland stehen im Zentrum der Arbeit: Witold Hensel (PRL) und Joachim Herrmann (DDR), die in der scientific community ihrer Zeit als fachliche Experten galten und als Direktoren der prähistorischen Institute der Akademien der Wissenschaften in ihren jeweiligen Ländern darüber hinaus einflussreiche wissenschaftsorganisatorische Positionen einnahmen. Am Beispiel von Hensel und Herrmann wird analysiert, welche Handlungsspielräume sich die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit schaffen konnten, inwiefern sie sich selbst bestimmten inhaltlichen und methodischen Vorgaben verpflichteten und welche Unterschiede hier zwischen dem ostdeutschen und dem polnischen Wissenschaftssystem und der jeweiligen Verknüpfung mit der Politik (auch in chronologischer Perspektive) bestanden.

    Bearbeiterin: Anne Kluger

  • Die "Zugewanderten" im Moskauer Staat des 17. Jahrhunderts

    Anliegen des Dissertationsprojektes ist es, die gesellschaftliche Stellung von Zugewanderten aus verschiedenen europäischen Herrschaftsgebieten im Moskauer Staat des 17. Jahrhunderts neu zu bewerten, indem ich Wechselwirkungen aber auch Divergenzen zwischen der staatlich definierten Norm, die im 17. Jahrhundert zunehmend die physische und soziale Isolation der nicht-orthodoxen Zugewanderten vorschrieb, und den im lokalen Umfeld der Zugewanderten stattfindenden Interaktionen aufzeige. Mit einem auf die Zielorte der Migrationsbewegungen gerichteten Blick stehen dabei nicht nur solche Zugewanderte im vormodernen Russland im Fokus, die sich als angeworbene Fachkräfte und Militärs oder Fernhändler aus ausländischen Herrschaftsgebieten in verschiedenen urbanen Räumen des Moskauer Staates niederließen, sondern auch jene, die gegen ihren Willen in das Moskauer Reich gebracht wurden. Grundlage für die Untersuchung bilden verschiedene räumlich, zeitlich und durch Akteursgruppen definierte Fallbeispiele: 1) (inter)konfessionelle Kontakte und Konflikte in Moskau der 1640er-1670er-Jahre, 2) Arbeits- und Wirtschaftskooperationen im Kontext des Übergangs von saisonaler zu permanenter Ansiedlung von Zugewanderten in Archangelsk und Vologda, 3) die Einbindung von Gefangenen und Verschleppten in die moskowitischen Wirtschafts- und Gesellschaftstrukturen im Rahmen des Moskowitisch-Polnischen Krieges 1654-1667 und 4) Auseinandersetzungen um und Anpassungen an temporäre Ansiedlungen von in zarischen Diensten stehenden Militärs und ihren Angehörigen im Kontext der moskowitischen Expansion nach Sibirien. Anhand dieser vier Fallbeispielserien werden vor allem Bittschriften, Verhörprotokollen und Hof- und Personenlisten ausgewertet.

    Bearbeiter: Simon Dreher

  • Sankt Petersburg als Anziehungspunkt für deutsche Gelehrte im 18. Jahrhundert

    Das Promotionsprojekt beschäftigt sich mit der Rolle von Sankt Petersburg als Ausgangspunkt nach Deutschland für das Wissen über Russland. Hierbei werden verschiedene Quellen wie Briefe, Periodika, Karten und andere Materialien genutzt, um eine umfangreiche Einsicht in die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland im 18. Jahrhundert zu gewinnen. Die Rolle von Sankt Petersburg als Anziehungspunkt für deutsche Gelehrte im 18. Jahrhundert ist ein wichtiger Aspekt der Arbeit und wird eingehend analysiert. Durch eine quellenbasierte Untersuchung soll ermittelt werden, welche Bedeutung Sankt Petersburg für den Austausch von Wissen und Erfahrungen zwischen Russland und Deutschland hatte und welche Bedeutung die die Rolle von Deutschen in dieser Stadt hatte. Die Forschung zu diesem Thema begann bereits im Rahmen des Masterstudiums und konnte schon wertvolle Erkenntnisse erbringen. Mit der Promotion soll die Forschung vertieft werden und ein wertvoller Beitrag zur Geschichtswissenschaft geleistet werden.

    Bearbeiter: Walter Julius Hochheim