Lehrveranstaltungen im SoSe 2025
Das Hörspiel in der (über-)regionalen Publizistik (090370)
Mo. 16:00 - 18:00 (VSH 17)
Die Geburtsstunde des Westdeutschen Rundfunks (WDR) schlug nicht in Köln, sondern in Münster: Am 10. Oktober 1924 ging hier mit Welle 407 die Westdeutsche Funkstunde AG (WEFAG) auf dem Betriebsgelände der Stadtwerke am Albersloher Weg auf Sendung. Im neuen Medium wurde mit technoakustischen Formen der Kunst und Berichterstattung experimentiert – der Legende nach war der Bericht zum Fußballspiel Arminia Bielefeld gegen Preußen Münster am 1. November 1925 die erste Liveübertragung im deutschen Rundfunk überhaupt –, und das Hörspiel entstand als neue, technoakustische Literatur- und Unterhaltungsform im Rundfunk der Weimarer Republik, auch in Münster. Nach Ende der Besetzung des Ruhrgebietes und der rechtsrheinischen Sperrzone Anfang 1926 zog die Sendeanstalt nach Köln um.
Aus den frühen Jahren gibt es keine akustischen Dokumente. Im Seminar sollen daher, im Zuge eines forschenden Lernens, anhand von Zeitschriftenanalysen, Recherchen und Archivbesuchen die ästhetischen und technomedialen Verhandlungen dieser frühen Rundfunkzeit in der zeitgenössischen Publizistik und Literaturszene rekonstruiert werden: Welche Akteure und (literarischen) Netzwerke waren beteiligt, welche Ästhetiken wurden diskutiert, wie wurden die Sendungen rezipiert und kommentiert, welche Themen wurden (wie) in Szene gesetzt? Hörspielgeschichte bietet einerseits regionale Besonderheiten, andererseits ist sie (ein vernachlässigter) Teil der Literaturgeschichte, dem wir uns mit phono- und kulturpoetischen Ansätzen nähern wollen. Mit dem Fokus auf die Münsteraner Anfänge betreten wir praktisch unerforschtes Gebiet. Entsprechende Begeisterung für historische Quellen, Entdeckergeist und Engagement sind vonnöten.
Geplant ist u.a. eine Kompaktphase im Dortmunder Institut für Zeitungsforschung, um vor Ort mit den Materialien (Rundfunkzeitschriften, (Tages-) Zeitungen etc.) zu arbeiten. Vielleicht lässt sich auch ein Ausflug in das Unternehmensarchiv des WDR in Köln organisieren.
Positiv evaluierte (Zwischen-) Ergebnisse der im Seminar angestellten Forschung werden publiziert.
Im Rahmen des Seminars werden zwei Kompaktphasen stattfinden, an denen die Teilnahme obligatorisch ist: 22.-24. Mai sowie 03.-05. Juli. Planen Sie diese Termine bitte entsprechend ein.
Es sind gemeinsame Archivbesuche und intensive Arbeitsphasen geplant, die gründlich vorbereitet werden. Das schließt selbstverständlich die Lektüre und Aufbereitung der Forschungsliteratur ein.
Geist(er) der Aufklärung (090371)
Di. 14:00 - 16:00 (VSH 011)
„[…] wir sind, bei der allgemeinen Aufklärung unsrer Zeit, zuviel Philosophen um Geistererscheinungen zu glauben; und wir sind, mit aller unsrer Aufklärung, nicht Philosophen genug, um sie nicht zu glauben,“ schrieb Christoph Martin Wieland 1781. Tatsächlich war gerade die Aufklärung durch eine starke Faszination für Geister und Gespenster geprägt. Zahlreiche Gelehrte und Autoren setzten sich damit auseinander, Geisterseher, -banner und -beschwörer bevölkerten die Salons und Höfe, Schauerliteratur und Gehheimbundromane hatten Konjunktur. Manchen Zeitgenossen schien das Jahrhundert der vernünftigen Erleuchtung daher eher zu einem Jahrhundert der geistigen Verdunkelung zu verkommen. In der Forschung spricht man vom Umschlag ins 'Andere der Vernunft' und von der 'Dialektik der Aufklärung'.
Das Seminar möchte zunächst anhand zeitgenössischer theoretischer Texte den Diskurs über den Geisterglauben nachzeichnen, um die damit verbundenen Wissensbestände und Diskursfiguren herauszuarbeiten. Anschließend sollen die Reflexionen und ästhetischen Verhandlungen literarischer Texte analysiert und kontextualisiert werden. Hier reicht die Bandbreite von trivialen bis hochgradig kanonisierten Werken und quer durch die Gattungen. Entsprechende Bereitschaft zur Lektüre ist grundlegende Voraussetzung.
Geschichte des Hörspiels (090007)
Di. 10:00 - 12:00 (Schlossplatz 46 - H 4)
1923: Ein neues Medium hat seinen Auftritt: das Radio. Im Oktober ist Sendestart des Unterhaltungsrundfunks, ein Jahr später gibt es bereits das erste Hörspiel, es entsteht eine genuin radiophone literarische Kunst-und Unterhaltungsform mit vielfältigen Formen und Genres bis zur Gleichschaltung des Rundfunks in der Nazizeit, die ihre Spuren auch bei zeitgenössischen Autoren (Alfred Döblin, Ernst Toller, Arnolt Bronnen, Bert Brecht u.a.m.) hinterlässt und an der sie mitwirken.
1945: Alles liegt in Schutt und Trümmern, die Theater und Kinos sind unbespielbar, Zeitungen sind aufgrund von Papierknappheit und alliierter Lizenzvergabe rar, Fernsehen gibt es noch nicht. In dieser Nachkriegs-Situation avanciert der Rundfunk zum wichtigsten Kulturinstrument und Publikationsmedium – und das Hörspiel zur beliebtesten Sendegattung bis weit in die sechziger Jahre hinein: mit Einschaltquoten in Millionenhöhe, festen Wochenterminen zur Primetime und Familien, die sich in freudiger Erwartung vor dem Radioapparat versammelten. Zahlreiche wichtige Autoren und Autorinnen haben für den Rundfunk geschrieben, sind durch ihn bekannt geworden, wurden in ihrem literarisches Schaffen durch ihn beeinflusst: Günter Eich, Heinrich Böll, Ilse Aichinger, Ingeborg Bachmann, Alfred Andersch, Martin Walser, Wolfgang Weyrauch und viele andere mehr. Verhandelt wurden Themen, die uns teilweise heute wieder sehr präsent sind: Angst vor atomarer Bedrohung und einem weiteren Krieg, Flucht und Migration, Existenzängste, Umgang mit den Verbrechen der Vergangenheit, Möglichkeiten einer gerechteren Zukunft. Die Hörspiele vergegenwärtigen mit ihrer akustischen Sinnlichkeit und Eindrücklichkeit vergangene Stimmen und Stimmungen und machen unsere Fantasie und Emotionen zum eigentlichen Medium ihrer Aufführung. Zugleich hat jedes Hörspiel seine eigene akustische Ästhetik – je nach Regisseur, Redaktion, Tondramaturgie und audiomedialen Möglichkeiten. Das Hörspiel ist nicht nur vertonter Text, sondern ein eigenständiges Klangkunstwerk von vielen Mitwirkenden, wie der Film.
Die Vorlesung will einen Überblick über diese in der Literaturwissenschaft stark vernachlässigten akustischen Seite der Literatur- und Kulturgeschichte geben und zugleich zu literaturtheoretischen und audiomedialen Reflexionen anregen: über Autorschaft, Adaptationen, akustische Zeichen und Rundfunkpolitik.
Intermediales und multimodales Erzählen (090353)
Mo. 14:00 - 16:00 (VSH 06)
Manche schreiben, um gehört zu werden (Klangdichtung, Konkrete Poesie). Andere sprechen auf Band, um zu schreiben (taped poetry). Wieder anderen geht es um das Hörbarmachen von Geschriebenem (Hörbuch, Leseperformance). Manche kreieren Textbilder (visuelle Poesie), wieder andere durch illusionsbildende Verfahren immersive Texte: Literatur ist in vielerlei Hinsicht multimodal. Dies umso mehr, wenn die Texte auch noch intermedial verfasst sind, also etwa verschiedene Medien kombinieren oder über verschiedene Medien hinweg erzählt werden (Medienwechsel, Adaptation).
In diesem fachwissenschaftlichen Seminar wird es nicht um didaktische Konzepte gehen, sondern um die literaturwissenschaftlich fundierte Analyse von Texten mit dem Ziel zu erkennen, wie verschiedene Modi und Medien auf die Rezipierenden wirken, auf welchen Ebenen Prozesse des Verstehens bzw. Deutens verlaufen, Vorstellungen evoziert und Emotionen erzeugt bzw. gesteuert werden. Aufgezeigt werden sollen daher einerseits ästhetische Strategien, mit denen (Schrift-)Literatur multimodale Impulse zu setzen vermag, etwa durch Signale auf lexikalischer oder narrativer Ebene, die imaginative Sinneswahrnehmungen und reale Gefühle triggern. Andererseits sollen Texte daraufhin untersucht werden, wie in verschiedenen Medien erzählt und multimodale Erfahrungen erzeugt werden. Hierzu wird sich auch - zumindest in Basisform - mit literaturtheoretischem Instrumentarium auseinandergesetzt werden müssen (Erzähltheorie, Zeichentheorie, Medientheorie).
Das Seminar möchte also Eigenheiten verschiedener modaler und medialer Erzählweisen erarbeiten und so verschiedene literaturwissenschaftliche und ästhetische Kompetenzen vermitteln, die eine fachwissenschaftliche Basis für die Unterrichtsplanung und -gestaltung bilden können, aber darüber hinaus in ein grundsätzliches Verstehen narrativer Strategien und Effekte einüben sowie - nicht zuletzt - die Bandbreite literarischer Textkenntnisse erweitern.
Master- und Forschungskolloquium (090384)
Mo. 18:00 - 20:00 (VSH 19)
Dieses Kolloquium bietet die Gelegenheit, über eigene Arbeiten zu sprechen (Vortrags- und Diskussionssitzungen zur Konzeptklärung) oder auch theoretische Texte zu diskutieren, an die man sich alleine nicht heranwagt.
Die Anmeldung erfolgt persönlich bei der Dozentin bzw. über Frau Heide (Lehrstuhlsekretariat) unter aheide@uni-muenster.de.