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65 Jahre Ökumenisches Institut

Vielfältige Instituts-Geschichte zeigt, wie Theolog:innen des Instituts den ökumenischen Diskurs maßgeblich mitprägten

Mit zwei Lehrstühlen gehört das Ökumenische Institut der Katholisch-Theologischen Fakultät zu den bedeutendsten universitären Einrichtungen für Ökumenische Theologie in Deutschland. Jetzt feiert es 65-jähriges Jubiläum. Am 14. Juni 1960 gegründet, hatte das Institut von Anfang an West- und Ostkirchen im Blick. Neben einer breiten konfessionskundlichen und dogmatischen Fundierung ökumenischer Theologie gehörte außerdem seit den 1980er Jahren die theologische Friedensforschung zum einzigartigen Profil des Instituts.
 

Das Team des Ökumenischen Instituts: Die Wissenschaftlichen Mitarbeiter David Kulke und Yannick Selke, die Institutssekretärin Karin Moshammer und die beiden Professorinnen Dorothea Sattler und Regina Elsner (v.l.)
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Die Gründung des Ökumenischen Instituts

Prof. Dr. Dr. Hermann Volk (1903–1988) war als Dekan der Fakultät maßgeblich an der Gründung des Ökumenischen Instituts beteiligt. Von 1960 bis zu seiner Ernennung zum Bischof von Mainz 1962 war er Gründungsdirektor des Instituts.
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Im Mai 1960 wandte sich der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, Hermann Volk (1903–1988) an den Kultusminister des Landes NRW mit der Bitte, der Gründung eines „Katholischen ökumenischen Instituts“ zuzustimmen. Er sah darin eine „angemessene und dringliche Aufgabe einer katholisch-theologischen Fakultät“, die zur „Überwindung der Spaltung der Christenheit“ beitragen könne, und verwies bereits auf den Geist des gerade erst angekündigten Zweiten Vatikanischen Konzils. Am 14. Juni 1960 teilte der Kurator der Universität Volk in einem Brief den positiven Bescheid des Kultusministers über die Errichtung des Instituts mit und Volk wurde – als Inhaber des Dogmatiklehrstuhls – zunächst mit der Leitung beauftragt. 1964 folgte die Errichtung von zwei eigenen Lehrstühlen für Ökumenische Theologie, die mit dem katholischen Lutherforscher Erwin Iserloh (1915–1996) als Professor für Ökumenische Theologie und dem niederländische Ostkirchenexperte Johannes Remmers (1913–1988) als Professor für Geschichte und Theologie der östlichen Kirchen besetzt wurden.

Nachdem Erwin Iserloh bereits 1967 innerhalb der Fakultät auf den Lehrstuhl für Kirchengeschichte gewechselt war, wurde der aus Breslau stammende Peter Lengsfeld (1930–2009) sein Nachfolger als Professor für Ökumenische Theologie bestellt. Durch seine Forschungsschwerpunkte prägte Lengsfeld das Institut nachhaltig. Lengsfeld war vor allem die „Erfassung der sog. ‚nicht-theologischen Faktoren‘ sozialer und psychologischer Provenienz“ für die fortbestehende Trennung der Christen ein zentrales Anliegen, was sich vor allem in dem am Institut erarbeiteten „Blauen Buch“, dem 1980 erschienen Arbeitsbuch „Ökumenische Theologie“ manifestierte.

Das Ökumenische Institut vernetzt sich

Prof. Dr. Peter Lengsfeld prägte das Ökumenische Institut von 1967 bis 1992 nachhaltig und vertrat es in der Arbeitsgemeinschaft katholischer und evangelischer Ökumenischer Universitätsinstitute und in der Societas Oecumenica auf nationaler und internationaler Ebene.
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Das Ökumenische Institut war stets um eine nationale und internationale Vernetzung bemüht. Ende der 1960er Jahre wurde auf nationaler Ebene die Arbeitsgemeinschaft katholischer und evangelischer Ökumenischer Universitätsinstitute gegründet. Zu dieser zählten die katholischen Ökumenischen Institute in München, Münster und Tübingen sowie die evangelischen Ökumenischen Institute in Bochum, Heidelberg und München. Aus der Zusammenarbeit der Arbeitsgemeinschaft gingen zwei Memoranden hervor, eines zur „Reform und Anerkennung kirchlicher Ämter“ (1973) und eines zum „Papsttum als ökumenischer Frage“ (1979).

Stellte die Zusammenarbeit in der Arbeitsgemeinschaft ökumenischer Universitätsinstitute die Vernetzung des Ökumenischen Instituts auf nationaler Ebene dar, bedeutete die Gründung der Societas Oecumenica, der Europäischen Gesellschaft für ökumenische Forschung, 1978 die Erweiterung der Vernetzung auf europäischer Ebene. Peter Lengsfeld und sein damaliger Assistent Heinz-Günther Stobbe waren an der Gründung maßgeblich beteiligt und die erste Konsultation der Societas fand 1980 in Münster statt. Bis heute ist das Ökumenische Institut der Societas Oecumenica eng verbunden.

Das Ökumenische Institut und der Lehrstuhl für Orthodoxe Theologie

Mosaik in der Hagia Sophia in Istanbul, dem bedeutendsten Kirchenbau des östlichen Christentums, welches Christus als den Pantokrator (Weltenherrscher) zeigt.
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Der Lehrstuhl für Geschichte und Theologie der östlichen Kirchen wurde mit einer Assistentenstelle ausgestattet, die ab dem 1. Dezember 1964 der aus Griechenland stammende orthodoxe Theologe Anastasios Kallis (*1934) innehatte. Kallis habilitierte sich 1978 als erster nicht-katholischer Theologe an einer Katholisch-Theologischen Fakultät in Deutschland und übernahm 1980 den neugeschaffenen Lehrstuhl für Orthodoxe Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät, der Abteilung II des Ökumenischen Instituts zugeordnet war.

2005 wurde der Lehrstuhl mit dem aus dem Libanon stammenden orthodoxen Theologen Assaad Elias Kattan wieder besetzt. Seither ist der Lehrstuhl nicht mehr der Katholisch-Theologischen Fakultät und dem Ökumenischen Institut, sondern dem 2003 gegründeten Centrum für religionsbezogene Studien zugeordnet. Zwischen dem Lehrstuhl für Orthodoxe Theologie und dem Lehrstuhl für Ostkirchenkunde und Ökumenik des Ökumenischen Instituts gibt es eine enge Kooperation, die sich in gemeinsamen Lehrveranstaltungen und Oberseminaren niederschlägt.

Tiefgreifende Veränderungen und Umbrüche am Ökumenischen Institut in den 1990er Jahren

Miguel María Garijo-Guembe (1935–1996) war von 1982 bis 1996 Professor für Geschichte und Theologie der östlichen Kirchen am Ökumenischen Institut. Der spanische Baske erhielt den Ruf nach Münster in Salamanca, wo er seit 1971 Professor für Ostkirchliche und Systematische Theologie und seit 1973 zudem Direktor des „Centro de Estudios Orientales y Ecuménicos Juan XXIII“ an der dortigen Päpstlichen Universität war.

Prof. Dr. Thomas Bremer war von 1999 bis 2022 Professor für Ökumenik, Ostkirchenkunde und Friedensforschung.
© Thomas Bremer

Nach der Emeritierung Peter Lengsfelds 1992 sah die Fakultät aus Einspargründen von einer Wiederbesetzung des Lehrstuhls ab und erweiterte die Zuständigkeit des Lehrstuhls von Miguel Garijo-Guembe um die westlichen Kirchen, so dass seine Lehrstuhldenomination nun „Geschichte und Theologie der östlichen und westlichen Kirchen“ lautete. Damit wurde seine Abteilung (bisher Abteilung II) zu Abteilung I, während Heinz-Günther Stobbe mit seinem Lehrstuhl für Ökumenik und Friedensforschung, den er seit 1989 innehatte, fortan als Abteilung II firmierte. Garijo-Guembe, der ab 1992 alleiniger Direktor des Instituts war, verkürzte zudem die Bezeichnung des Instituts von „Katholisch-Ökumenisches Institut“ in „Ökumenisches Institut“. Garijo-Guembo verstarb 1996 plötzlich und Heinz-Günther Stobbe wechselte im selben Jahr an die Universität Siegen. Auf einen Schlag stand das Ökumenische Institut nun mit zwei vakanten Lehrstühlen da.

Mit Heinz-Günther Stobbe hatte das Ökumenische Institut einen Forschungsschwerpunkt auf der theologischen Friedensforschung als bedeutender Dimension Ökumenischer Theologie und Praxis. Diesen besonderen Fokus setzte Thomas Bremer fort, der ab 1999 die Professur für Ökumenik und Friedensforschung um die Ostkirchenkunde inhaltlich und später auch im Namen der Professur wieder erweiterte. Nach der Berufung ein Jahr später von Dorothea Sattler auf den Lehrstuhl für Ökumenik und den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen war das Ökumenische Institut so wieder mit den beiden Richtungen der Ökumene und einem einzigartigen Profil ausgestattet.

Nachdem das 30-jährige Bestehen des Instituts 1990 mit einer Tagung begangen worden war, wurde das 50. Jubiläum der Institutsgründung am 2. Juli 2010 mit der Verleihung zweier Ehrendoktorwürden durch die Katholisch-Theologische Fakultät gefeiert. Metropolit Ioannis Zizioulas († 2023), Leiter des Büros des Ökumenischen Patriarchats, und Dr. Ishmael Noko, Generalsekretär des Lutherischen Weltbundes (LWB), wurden damit für ihre ökumenischen Verdienste gewürdigt.

Das Ökumenische Institut heute: Von existentiellen Fragen zu bestehenden Gemeinsamkeiten

Prof. Dr. Dr. h.c. Dorothea Sattler ist seit 2000 Inhaberin des Lehrstuhls für Ökumenik und Reformationskunde und Direktorin des Ökumenischen Instituts.
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In Abteilung I: Ökumenik und Reformationskunde forschen und lehren heute Prof. Dr. Dr. h.c. Dorothea Sattler und Yannick Selke zu Fragen der Ökumenischen Theologie in dogmentheologischer Perspektive unter besonderer Berücksichtigung der aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen. Dorothea Sattlers Anliegen in Forschung und Lehre ist es, ausgehend von existenziellen Fragen die bestehenden Gemeinsamkeiten im christlichen Glauben zu erschließen. In der Lehre ist ihr eine praxis- und berufsrelevante Entfaltung von Themen wichtig – vor allem im Blick auf Herausforderungen, künftig Religionsunterricht ökumenisch-kooperativ zu gestalten.

Am 30. April 2022 wurde Prof. Dr. Dorothea Sattler die Ehrendoktorinnenwürde der Theologischen Fakultät der Universität Zürich verliehen. Mit dieser Auszeichnung honoriert diese das Lebenswerk der Münsteraner Ökumenikerin, die sich sowohl in ihrem wissenschaftlichen Wirken als auch in ihrem kirchlichen Handeln unermüdlich für die Einheit der christlichen Konfessionen einsetze.

In Abteilung II: Ostkirchenkunde und Ökumenik forschen und lehren Prof. Dr. Regina Elsner und David Kulke zu Fragen der Ökumenischen Theologie und den Kirchen der östlichen Tradition, zu denen die orientalisch-orthodoxen und orthodoxen Kirchen und die katholischen Ostkirchen zählen. Gegenwärtige Schwerpunkte liegen auf der orthodoxen Sozialethik, politischen Faktoren der ökumenischen Verständigung und der Rolle der Kirchen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Das Ökumenische Institut verfügt über eine der bedeutendsten ostkirchlichen Bibliotheken in Deutschland mit mehr als 30.000 Bänden. Sie entstand in ihrer heutigen Größe 2009 durch die Aufnahme der Bestände des aufgelösten Ostkirchen-Instituts der Evangelisch-Theologischen Fakultät.

Prof. Dr. Regina Elsner wurde 2024 zur Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik ernannt. Am 4. Juli 2025 hält sie ihre Antrittsvorlesung.
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Regina Elsner wurde zum 8. Januar 2024 zur Professorin für Ostkirchenkunde und Ökumenik ernannt. Sie trat damit die Nachfolge von Prof. Dr. Thomas Bremer am Ökumenischen Institut der Katholisch-Theologischen Fakultät an. Mit ihrem Forschungsschwerpunkt zu orthodoxer Sozial- und Friedensethik setzt Elsner die Tradition des Lehrstuhls fort, der seit der Professur von Heinz-Günther Stobbe und auch mit Thomas Bremer die Bedeutung der theologischen Friedensforschung innerhalb der katholischen Theologie hervorgehoben hat. Am 4. Juli hält sie ihre Antrittsvorlesung zum Thema „‚Das ist (nicht) unser Krieg‘. Denkanstöße für einer (Neu)Verortung der Ökumenischen Theologie nach Russlands Angriff auf die Ukraine“.

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Anlässlich des 65-jährigen Bestehens des Ökumenische Instituts ist eine Ausstellung zur Geschichte des Instituts und zum Ökumenischen Jahr 2025 (1.700 Jahre Konzil von Nizäa, 500 Jahre Täuferbewegung und 100 Jahre Stockholmer Weltkirchenkonferenz) im Flur des Dekanats (Johannisstraße 8–10) zu sehen. Angelehnt an diese Ausstellung (und durch QR-Codes mit ihr verbunden) hat das Institut die zentralen Stationen seiner Geschichte auf einer eigenen Internetseite anschaulich aufbereitet.

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