

Ökumenik, Ostkirchenkunde und Friedensforschung zwischen den Jugoslawienkriegen und dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine
Thomas Bremer (*1957) war von 1999 bis 2022 Professor für Ökumenik, Ostkirchenkunde und Friedensforschung am Ökumenischen Institut (Abteilung II). Nach dem Studium der katholischen Theologie, Slavistik und klassischen Philologie in München (mit einem Studienjahr in Belgrad) wurde er 1985 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Katholisch-Ökumenischen Institut bei Miguel Garijo-Guembe. 1990 wurde er mit einer Arbeit zur Ekklesiologie in der Serbischen Orthodoxen Kirche in Münster promoviert. Als kurz darauf der Krieg im damaligen Jugoslawien begann, widmete sich Bremer den ökumenischen Beziehungen in der Region. Er publizierte viel zur Problematik und war an zahlreichen zwischenkirchlichen Dialog- und Versöhnungsprojekten als Initiator oder Berater beteiligt. 1994 wurde er eingeladen, vor Papst Johannes Paul II. zum Thema zu referieren.
Nach einigen Jahren als Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) wurde Bremer zum 1. April 1999 auf den Lehrstuhl für Ökumenik und Friedenforschung berufen, dessen Denomination bald darauf in „Ökumenik, Ostkirchenkunde und Friedensforschung“ geändert wurde. Dort blieb er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2022. Von 2003 bis 2005 bekleidete er das Amt des Dekans der Katholisch-Theologischen Fakultät, von 2009 bis 2020 war er Schriftleiter der Theologische Revue, der von der Fakultät herausgegebenen Rezensionszeitschrift.
Die wissenschaftlichen Schwerpunkte von Bremer waren die orthodoxen Kirchen in Osteuropa (vor allem Russland, Ukraine und Belarus) sowie in Südosteuropa (vor allem die serbische Orthodoxie), die ökumenischen Beziehungen zwischen katholischer und orthodoxer Kirche sowie die Rolle von Kirchen und Religionsgemeinschaften in Konflikt- und Kriegssituationen.

Zu den wichtigsten Publikationen von Thomas Bremer zählen neben seiner Dissertation, die auch auf Serbisch vorliegt, eine russische Kirchengeschichte unter dem Titel „Kreuz und Kreml. Geschichte der orthodoxen Kirche in Russland“, die in fünf Sprachen übersetzt worden ist. Bereits 2001 behandelte er in einer kleinen Monographie die ökumenischen Beziehungen in der Ukraine. Seine „Kleine Geschichte der Religionen in Jugoslawien“ erschien 2003. Mit Franz Xaver Bischof, Giancarlo Collet und Alfons Fürst verfasste er eine „Einführung in die Geschichte des Christentums“, die 2012 publiziert wurde und bis heute das Standard-Lehrbuch für die Einführung in die Kirchengeschichte an der Katholisch-Theologischen Fakultät ist. Ein Quellenbuch zur Ikonentheologie folgte 2014, und zwei Jahre später ein Buch (in Ko-Autorschaft mit Nadezhda Beljakova und Katharina Kunter) über die Konfliktgeschichte zwischen Christentum und Kommunismus. Dazu kommen fünfzehn Sammelbände zu verschiedenen Forschungsfragen, die er – allein oder mit anderen – herausgegeben hat. Außerdem stammt von ihm die deutsche Übersetzung des Buches „Die Orthodoxie“ des russischen Theologen Sergij Bulgakov, die inzwischen in vierter Auflage vorliegt.
Neben seiner eigenen Forschungsarbeit war Bremer auch in der Wissenschaftsorganisation aktiv. Bereits in seiner Zeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter war er Sekretär der Societas Oecumenica, der Europäischen Gesellschaft für Ökumenische Forschung. Später war er viele Jahre lang der deutsche Vertreter im International Council for Central and East European Studies (ICCEES) sowie Vorstandmitglied der DGO. Er war Mitbegründer der Gesellschaft zum Studium des Christlichen Ostens (GSCO) sowie des Gemeinsamen orthodox-katholischen Arbeitskreises St. Irenäus.
Ein wichtiger Aspekt in Bremers Tätigkeit am Ökumenischen Institut war die internationale Zusammenarbeit. Mit Universitäten in Belarus und der Ukraine führte er mehrfach gemeinsame Seminare durch, an denen Studierende aus Münster in diesen Ländern mit ihren dortigen Kommiliton:innen teilnehmen konnten. Er selbst hielt Gastvorträge und Seminare an Universitäten in vielen osteuropäischen Ländern (Russland, Ukraine, Belarus, Polen, Estland, Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Serbien, Rumänien, Moldova) sowie in Finnland, Schweden, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Italien, Japan, den USA und Kanada. Die insgesamt dreizehn unter seiner Betreuung abgeschlossenen Dissertationen wurden von Menschen aus Armenien, Belarus, Russland, Serbien und Deutschland verfasst.
Am Beginn von Bremers Tätigkeit am Ökumenischen Institut standen die Jugoslawienkriege, an ihrem Ende der Krieg gegen die Ukraine. In beiden Fällen spielten die Religionsgemeinschaften, vor allem die christlichen Kirchen, eine wichtige Rolle. Heinz-Günther Stobbe war der erste, der den Zusammenhang von theologischer Friedensforschung und Ökumene aufgezeigt hatte. Thomas Bremer setzte diesen Zusammenhang in konkrete Projekte um, zeigte aber auch die Grenzen kirchlichen Friedenshandelns auf.