Nanoteilchen: ungesund oder unbedenklich?
Jeder Mensch kann mit Nanopartikeln in Kontakt kommen: Sie finden breite Anwendung, etwa in Hautlotionen, in Farben und in Oberflächenbeschichtungen. In Sportbekleidung werden sie teilweise eingesetzt, um das Wachstum von Bakterien zu hemmen und dadurch einer Geruchsbildung vorzubeugen. Obwohl der Einsatz von Nanopartikeln bisher als unbedenklich gilt, stellt sich wegen der stark expandierenden Verwendung die Frage, ob die winzigen Teilchen nicht doch ein gesundheitsrelevantes Risiko darstellen - und wenn ja, wie dieses vermieden werden kann. Eine wissenschaftlich fundierte Antwort darauf soll das neue bundesweite Projekt "Nanostrukturierte Materialen - Gesundheit, Exposition und Materialeigenschaften" (NanoGEM) geben, an dem zwei Arbeitsgruppen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) beteiligt sind. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das Kooperationsprojekt mit 6,4 Millionen Euro für drei Jahre.
"Das NanoGEM-Konsortium kombiniert in bisher einmaliger Weise die Expertise von 19 universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen aus der Industrie und von Behörden", erklärt Chemiker Prof. Dr. Hans-Joachim Galla. Der Direktor des Instituts für Biochemie der WWU ist mit seiner Arbeitsgruppe an dem Forschungsvorhaben beteiligt. Zentrale Fragestellungen sind die mögliche Freisetzung von Nanomaterialien und deren Wirkung auf den Menschen. Unter anderem gehen die Forscher der Frage nach, wie Nanopartikel vom Organismus aufgenommen und dort verteilt werden. Dabei untersuchen sie, welchen Einfluss die Größe, Struktur und Oberflächeneigenschaften der Partikel auf diesen Prozess haben. Mit neu entwickelten Messgeräten und -verfahren wollen die Wissenschaftler Fragen nach der Arbeits- und Produktsicherheit bei der Herstellung, Verarbeitung, Anwendung und Entsorgung beantworten. Erstmals werden sie auch an Produkten, die Nanopartikel enthalten, umfassende toxikologische Bewertungen von industrierelevanten Nanopartikeln und Nanomaterialien durchführen. Die Untersuchungsergebnisse sollen als Grundlage für eine weitreichende Risikoabschätzung dienen.
Der Forschungs- und Entwicklungsstandort Münster ist mit vier Arbeitsgruppen an NanoGEM beteiligt. Der Arbeitskreis von Hans-Joachim Galla untersucht am Fachbereich Chemie und Pharmazie der WWU, wie Nanopartikeln über die Lunge in den Körper gelangen. Dazu führen die Wissenschaftler biophysikalische Experimente zur Wechselwirkung von Nanopartikeln mit dem für den Atemprozess wichtigen Oberflächenfilm der Lunge durch. Der Biologe Dr. Jürgen Schnekenburger und seine Arbeitsgruppe Gastrointestinale Molekulare Zellbiologie an der Medizinischen Fakultät der WWU erforschen die Aufnahmewege und die Mechanismen, mit denen Zellen auf Nanopartikel reagieren. Zwei Firmen aus Münster, die Tascon GmbH und die IBE R&D gGmbH, arbeiten eng mit den universitären Gruppen zusammen. Hierbei fokussiert sich Tascon auf oberflächenanalytische Partikel- und Zelluntersuchungen. IBE R&D nimmt mit biologischen Bewertungsverfahren Gefährdungsprüfungen der Nanomaterialien vor.
NanoGEM, das von Dr. Thomas Kuhlbusch vom Institut für Energie- und Umwelttechnik in Duisburg koordiniert wird, ist das größte vom BMBF zu diesem Forschungsschwerpunkt geförderte Projekt. Es soll wesentlich zur allgemeinen Sicherheit und Akzeptanz der Nanotechnologie in Deutschland beitragen und helfen, ihren wirtschaftlichen Erfolg weiter auszubauen. Es baut auf dem Vorgänger-Projekt NanoCare auf, dessen Ergebnisse unter www.nanopartikel.info öffentlich zugänglich sind.