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Münster (upm)
Prof. Dr. Cornelia Denz<address>© WWU - Peter Wattendorff</address>
Prof. Dr. Cornelia Denz
© WWU - Peter Wattendorff

"Vorbilder wirken nur durch öffentliche Anerkennung"

Prof. Dr. Cornelia Denz über die Physik-Nobelpreise und Rollenvorbilder für Mädchen

Prof. Dr. Cornelia Denz leitet die Arbeitsgruppen „Nichtlineare Photonik“ sowie „Gender in der Physik“ an der WWU. Anlässlich der Vergabe der Nobelpreise am 10. Dezember sprach sie mit Christina Heimken über die Bedeutung der in der Physik ausgezeichneten Erfindungen und über die Sichtbarkeit von Frauen in der naturwissenschaftlichen Forschung.

Donna Strickland teilt sich eine Hälfte des Physik-Nobelpreises mit ihrem Doktorvater Gérard Mourou. Die beiden werden für die von ihnen entwickelte Methode zur Generierung hoch intensiver, ultrakurzer optischer Impulse geehrt. Die andere Preishälfte geht an Arthur Ashkin, der die optische Pinzette entwickelt hat. Was macht diese Erfindungen nobelpreiswürdig?

Donna Strickland und ihrem Doktorvater gelang es, ultrakurze Laserpulse so geschickt zu verstärken, dass man Material damit erstmals extrem passgenau bearbeiten konnte. Mit der optischen Pinzette werden Partikel durch stark fokussierte Laserstrahlen festgehalten.

In beiden Fällen handelt es sich um physikalische Grundlagenforschung, aber gleichzeitig war bereits im Moment der Erfindung klar, dass es ein großes Anwendungspotenzial gibt. Mit ultrakurzen Laserpulsen kann man beispielsweise organisches Material präzise bearbeiten. Eine heute weit verbreitete Anwendung ist der Einsatz zur Korrektur von Fehlsichtigkeiten des Auges.

Laser werden an der WWU nicht nur von Physikerinnen und Physikern eingesetzt, sondern auch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern anderer Fachbereiche. Verbindet dieses Instrument die verschiedenen Disziplinen?

Ja. Ein Beispiel ist die biomedizinische Forschung. Unter anderem können wir mit ultrakurzen Laserpulsen Werkzeuge auf der Mikro- und Nanoskala herstellen oder mit optischen Pinzetten lebende Zellen festhalten. Auf diese Weise kann man beispielsweise Kräfte innerhalb von Blutgefäßen messen, ohne dass die Zellen Schaden nehmen. Solche Methoden setzen auch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Exzellenzcluster „Cells in Motion“ ein. Immens wichtig ist die Lasertechnik auch für die Forschung in der Informationsverarbeitung. So kann man zum Beispiel auf Chips dreidimensionale Mikrostrukturen durch „Herausschneiden“ mit dem Laserstrahl herstellen.

Naturwissenschaftlerinnen wie Donna Strickland oder Frances Arnold, die in diesem Jahr den Nobelpreis für Chemie erhält, können Vorbilder für junge Frauen sein ...

Zunächst einmal: Es ist schön, dass dieses Jahr zwei Nobelpreisträgerinnen in den männerdominierten Naturwissenschaften dabei sind. In der Physik ist es der dritte Nobelpreis für eine Frau – das letzte Mal ist 55 Jahre her, davor waren es 60 Jahre; Marie Curie war die erste Physik-Nobelpreisträgerin. Aber es gibt viele Frauen, die Herausragendes geleistet haben, ohne für den Nobelpreis nominiert worden zu sein. Wir müssen diese Frauen, ohne die es viele Fortschritte in der Physik nicht gegeben hätte, sichtbarer machen, damit sie Vorbild sein können – das geht auch ohne Nobelpreis. Leider gibt es auch heute noch Frauen, die unbekannt sind, obwohl sie Bahnbrechendes geleistet haben. Vorbilder wirken nur durch Anerkennung in der breiten Öffentlichkeit. Dabei sollte man auch biografienahe Vorbilder schaffen. Für die Schülerin kann das eine Studentin sein. Sind die Vorbilder zu „hochkarätig“, können sie nämlich auch einschüchtern.

Dieses Prinzip setzen wir in unseren eigenen Projekten für Mädchen um. Die Schülerinnen lernen dabei unsere Doktorandinnen als Mentorinnen kennen und erfahren, dass ein Physikstudium und Berufe im Bereich Physik auch für sie selbst eine Alternative zu klassischen „Frauenfächern“ sein können. Lehrerinnen und Lehrer können helfen, Vorbilder zu schaffen, indem sie beispielsweise im Unterricht die Arbeit erfolgreicher Physikerinnen thematisieren oder Physikerinnen zum Unterrichtsbesuch einladen. Und wir alle sollten daran arbeiten, die Leistungen von Frauen nicht unter den Scheffel zu stellen.

 

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 7, November/Dezember 2018.

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