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Münster (upm)
Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger sprach mit WWU-Pressesprecher Norbert Robers über ihre Karriere als Historikerin, ihre Zeit an der Universität Münster und ihre Zukunft in Berlin.<address>© WWU / Jean-Marie Tronquet</address>
Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger sprach mit WWU-Pressesprecher Norbert Robers über ihre Karriere als Historikerin, ihre Zeit an der Universität Münster und ihre Zukunft in Berlin.
© WWU / Jean-Marie Tronquet

„Jetzt ist es Zeit für etwas Neues“

Ein halber Abschied: Prof. Dr. Barbara Stollberg-Rilinger wird neue Rektorin des Berliner Wissenschaftskollegs

Natürlich weiß Barbara Stollberg-Rilinger schon heute relativ genau, was auf sie zukommen wird, wenn sie am 1. September das Amt der Rektorin des „Wissenschaftskollegs zu Berlin“ antritt. Es muss ihr vor allem gelingen, den 40 Fellows, die die 1981 gegründete Institution jedes Jahr in die Hauptstadt einlädt, eine möglichst produktive Arbeitsatmosphäre zu bieten. Schließlich sollen die Gäste, so verspricht es das Kolleg, mit Blick auf ihr selbst gewähltes Projekt „von dem Anregungs- und Kritikpotential einer herausragenden Forschergemeinschaft profitieren“.

So weit, so ungenau. Aber zweierlei weiß die Professorin, die den Lehrstuhl für Frühe Neuzeit am Historischen Seminar der Universität Münster innehat, sehr genau: Sie wird in der Geschichte des Kollegs die erste Frau an der Spitze sein – und sie wird definitiv regelmäßig zu Mittag essen. Denn bei aller geistigen und wissenschaftlichen Freiheit, die die Fellows zwölf Monate lang im Bezirk Wilmersdorf genießen dürfen – das gemeinsame Mittagsmahl ist seit jeher eine unverrückbare Pflichtveranstaltung. „Dieses Ritual hat sich zu der Seele des Kollegs entwickelt“, weiß Barbara Stollberg-Rilinger. „Auch darauf freue ich mich sehr.“

Nun also Berlin. Geboren im rheinischen Bergisch Gladbach, verbrachte sie die Phase ihrer Schulzeit, ihres Studiums, der Promotion, Habilitation und der ersten Vertretungsprofessur an der Universität zu Köln. 1997 nahm die 62-Jährige den Ruf an die Universität Münster an und ließ sich folglich in Westfalen nieder. „Es war und ist nach wie vor eine wunderbare Zeit in Münster und an der WWU“, betont sie. „Aber jetzt ist es an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren, eine neue Herausforderung in einer aufregenden Stadt anzunehmen.“

Der Abschied wird ihr dennoch nicht leichtfallen. Als sie sich seinerzeit aus Köln kommend in Münster an die Arbeit in einem Sonderforschungsbereich machte, fand sie vergleichsweise ideale Arbeitsbedingungen vor. „Die Atmosphäre war geprägt vom Willen zur Kooperation und von Interdisziplinarität – großartig.“ Als der Bund und die Länder 2007 den Exzellenzcluster „Religion und Politik“ bewilligten, übernahm sie zügig wichtige Aufgaben als Vorstandsmitglied, spätere Sprecherin und Hauptantragstellerin. „Das war in meinem akademischen Leben nochmal eine neue Phase, denn mit dem Cluster kam ein starker Wettbewerbsgedanke auf, den man bis dato in dieser Intensität nicht wirklich kannte.“

Aber es wird kein kompletter Abschied sein. Barbara Stollberg-Rilinger wird auch nach ihrem Umzug nach Berlin ein festes Standbein in Münster behalten. Kein allzu großes, aber immerhin. Sie wird ab dem kommenden Wintersemester zwei Semesterwochenstunden in Form eines Blockseminars anbieten, sie wird die Schriftleitung der „Zeitschrift für historische Forschung“ behalten, und sie wird weiterhin im Cluster mitarbeiten. Wollte man ihre künftige Arbeit an zwei Standorten in Prozent ausdrücken, käme man wohl auf einen 80-Prozent-Anteil für Berlin und 20 für Münster.

Wer heute die Verzeichnisse und Listen liest, in denen Barbara Stollberg-Rilingers Verdienste, Mitgliedschaften, Ehrungen und Preise aufgezählt werden, der wird kaum glauben, dass die so Hochdekorierte in der Schule mit dem Fach Geschichte wenig bis nichts anzufangen wusste. „Ich fand es schlicht und einfach langweilig.“ So betrachtet, war es nur konsequent, dass sie zunächst Deutsch und Kunstgeschichte studierte. Eine Freundin schwärmte kurz darauf von einem angeblich interessanten Geschichts-Seminar, das es sich zu besuchen lohnen würde. Barbara Stollberg-Rilinger schnupperte hinein – und war schnell begeistert.

Es sind in erster Linie das 17. und 18. Jahrhundert, für das sie sich im Laufe ihrer Karriere besonders interessierte. Sie gilt längst als eine führende Expertin der politischen Theorie, Publizistik und juristischen Literatur dieser Epoche. Ein besonderes Augenmerk legte sie seit jeher auf die Bedeutung und Funktion von Symbolen und Ritualen, auf denen auch das Heilige Römische Reich deutscher Nation viel stärker basierte als etwa auf einer gemeinsamen Verfassungsgeschichte.

In genau jener Zeit lebte eine Persönlichkeit aus dem Hause Habsburg am Wiener Hof, für die sich Barbara Stollberg-Rilinger intensiv zu interessieren begann, als sie 2015 selbst als Fellow am Berliner Wissenschaftskolleg arbeitete: Erzherzogin Maria Theresia von Österreich. Als Historikerin hatte sie immer mal schon auf die Möglichkeit geschielt, eine Biographie zu veröffentlichen. Aber erst mit dem Angebot eines Verlags, der den 300. Geburtstag der ehemaligen Monarchin im Jahr 2017 als günstiges Veröffentlichungsdatum auserkoren hatte, kam die entscheidende Bewegung in das Projekt.

Und wie! Mit ihrem mehr als 1000 Seiten umfassenden Werk, das mit „Maria Theresia – die Kaiserin in ihrer Zeit“ überschrieben ist, landete Barbara Stollberg-Rilinger einen wahren Coup. Das Buch rangierte wochenlang auf den Bestsellerlisten, die Rezensenten waren mehrheitlich begeistert. Und dann der Höhepunkt: Sie gewann mit ihrer Beschreibung dieser außergewöhnlichen „Weiberherrschaft“ den „Preis der Leipziger Buchmesse“ in der Kategorie Sachbuch/Essayistik. „Eine phantastische Auszeichnung, über die ich mich natürlich sehr gefreut habe“, unterstreicht die Autorin. Das Interesse ist mittlerweile sogar in Fernost angekommen: In Kürze steht die Übersetzung ins Chinesische an.

Norbert Robers