"Die Gefahr einer Eskalation ist groß"
Der Handelsstreit zwischen den USA und der EU droht zu eskalieren. Die beidseitige Einführung von Strafzöllen trifft vor allem die Händler und Verbraucher. Prof. Dr. Hans-Michael Wolffgang, Experte für Zoll- und Welthandelsrecht an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU), erklärt Kathrin Kottke die aktuellen Entwicklungen und möglichen Auswirkungen.
Der Handelsstreit treibt die US-Zölle seit Tagen nach oben. Wie ist es dazu gekommen?
Im Handelsstreit mit der EU wirft der US-Präsident den Europäern vor, "unfaire Zölle" auf US-Produkte zu erheben. Als Beispiel führt er an, dass in der EU auf Autos ein Einfuhrzoll von zehn Prozent erhoben werde, für EU-Fahrzeuge in den USA aber nur ein Zollsatz von 2,5 Prozent gelte. Diese Fakten stimmen. Der Grund dafür liegt in den Zollzugeständnissen, denen alle Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO) 1994 im sogenannten Marrakesch-Abkommen zugestimmt haben – darunter die USA und die EU. Donald Trump stützt seine Zölle auf Aluminium und Stahl auf eine Ausnahmeregelung im Welthandelsrecht. Demnach kann ein Staat zum Schutz der nationalen Sicherheit Importbeschränkungen einführen. Diese Ausnahmeregelung ist aber für die konkreten Regelungen nicht überzeugend und für eventuell zukünftige Zölle auf Autos aus Europa ist die Berufung auf diesen Ausnahmetatbestand sogar absurd.
Inwiefern absurd?
Die Automobilindustrie ist keine Sicherheitsindustrie. Deutsche Autos auf US-Straßen stellen keine Gefahr für die nationale Sicherheit der USA dar.
Viele Medien vertreten die These, dass der Handelsstreit zwischen den USA und dem Rest der Welt diese Woche zu eskalieren droht...
...ja, diese Gefahr ist groß. Die Einführung zusätzlicher Zölle auf Waren aus China oder der EU wird höchstwahrscheinlich mit Gegenzöllen beantwortet. Dadurch entsteht eine gefährliche Spiralbewegung, die eventuell rational nicht mehr gestoppt werden kann.
Aktuell werden die Zölle nur auf Luxusartikel wie Harley-Davidson-Maschinen erhoben. Werden die Folgen zukünftig für alle Verbraucher im Alltag zu spüren sein?
Falls es zur Eskalation kommt, ist mit Zöllen auf viele andere Produkte zu rechnen. Die EU plant, nicht nur auf US-Luxusgüter Gegenzölle zu erheben, sondern neben Stahl und Aluminium auch auf andere Waren wie chemische Erzeugnisse und Pharmazieprodukte. Diese Gegenzölle werden als Strafzölle bezeichnet. Sie „bestrafen“ aber nicht den US-Hersteller, vielmehr treffen sie den deutschen Verbraucher und die deutsche Wirtschaft. Nicht der US-Exporteur hat den Zoll zu entrichten, sondern der EU-Importeur und damit letztlich der Konsument. Die weitere Gefahr des Handelskonflikts ist die Behinderung der deutschen Exporteure. In Deutschland hängt jeder dritte Arbeitsplatz vom Export ab. Sofern der Marktzugang für deutsche Produkte im Ausland schwieriger wird, führt dies zum Exportrückgang und zum Anstieg der Arbeitslosigkeit in Deutschland.
Werden sich die Gemüter wieder beruhigen?
Die Dauer des Handelskonflikts kann nicht vorhergesagt werden. Es ist nur zu hoffen, dass sich gemäßigte Politiker insbesondere in den USA durchsetzen werden, die das globale Regelwerk der Welthandelsorganisation wieder zur Geltung kommen lassen.
Was wäre Ihr Vorschlag, wenn Sie mit am Verhandlungstisch sitzen würden?
Wenn Donald Trump von fairen Zollsätzen spricht und damit gleiche Zollsätze meint, könnte die EU den gegenseitigen Abbau aller Zölle oder gleiche Zollsätze anbieten. Dies entspricht dem seit Jahren forcierten Ansatz der EU mit den USA, ein Freihandelsabkommen abzuschließen. Bislang sind die Verhandlungen über das Transatlantische Handels- und Investitionsabkommen (TTIP) aus verschiedenen Gründen gescheitert. Ein „TTIP light“ in Form eines reinen Handelsabkommens – ohne kritisierte Investitionsschutzregeln – könnte für die USA interessant sein. Donald Trump ist nicht grundsätzlich gegen bilaterale Freihandelsabkommen, wie die gerade erfolgreiche Anpassung des Abkommens zwischen Südkorea und den USA beweist.