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Münster (upm/sw)
Die Literaturrecherche ist ein wichtiger Bestandteil jeder wissenschaftlichen Arbeit – und oft eine Herausforderung für Studierende.<address>© Fotolia.de/olly</address>
Die Literaturrecherche ist ein wichtiger Bestandteil jeder wissenschaftlichen Arbeit – und oft eine Herausforderung für Studierende.
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Von der Trockenübung zur eigenen Publikation

Wie Studierende wissenschaftliches Schreiben erlernen – Unterstützung in allen Phasen

Können Sie sich fließend in Wissenschaft ausdrücken? Eine Fremdsprache lässt sich kaum meistern, ohne Vokabeln zu büffeln und die Grammatik zu lernen. Ähnlich unbekanntes Terrain betritt, wer Forschung zu Papier bringen möchte. Welche Themen eignen sich? Wie werden Originalquellen bearbeitet? Wie lassen sich Texte strukturieren? Kurz: Wie funktioniert wissenschaftliches Schreiben? Von der ersten Seminararbeit bis zum Abschluss müssen Studierende ihre Fähigkeit in diesem Bereich unter Beweis stellen, doch kaum ein Abiturient bringt das nötige Rüstzeug mit, wie Dr. Michael Paaß vom Schreib-Lese-Zentrum der WWU erklärt: „Wissenschaftliches Schreiben mit seinen spezifischen inhaltlichen und formalen Kriterien ist für die meisten Studierenden eine neue und komplexe Herausforderung.“

Viele Universitäten bieten mittlerweile gezielt Unterstützung an und auch an der WWU gibt es entsprechende Angebote. Ein Beispiel ist das Schreib-Lese-Zentrum. „Bei der Gründung im Jahr 2008 waren die Schreibzentren der großen amerikanischen Universitäten unser Vorbild“, berichtet Michael Paaß, Geschäftsführer und Dozent am Zentrum, das unter der Leitung von Prof. Dr. Marion Bönnighausen als Schnittstelle für Kommunikation zwischen Wissenschaft, Lehre und Praxis angelegt ist und Studierenden aller Fachrichtungen offen steht. Und das Angebot wird rege genutzt. „Unsere Kurse zum berufsfeldorientierten Schreiben sind immer ausgebucht“, erzählt Michael Paaß. „Die Nachfrage übersteigt das derzeitige Angebot bei weitem.“

Ebenso gefragt sind Seminare zum wissenschaftlichen Schreiben in der Praxis. Hier werden Studierende mit konkreten Projekten in allen Phasen unterstützt. Abhängig vom Fach mögen sich die Themen stark unterscheiden, die Schwierigkeiten aber ähneln sich und reichen von Fragen zu einer sinnvollen Gliederung über Probleme bei der Recherche bis zu Klärungsbedarf beim sprachlichen Ausdruck. „Wissenschaftliches Schreiben ist eine Schlüsselqualifikation, die alle Studierenden früher oder später erwerben müssen“, betont Michael Paaß. „Wir versuchen, dabei zu helfen und die Schreibkompetenz zu fördern, egal ob Studierende einmal oder wiederholt zur Schreibberatung kommen, ob sie grundlegende Fragen haben oder ihre ohnehin gut geschriebenen Texte verbessern möchten.“

Künftig könnte der Bedarf teilweise schon früher in den Seminaren abgedeckt werden – gemäß dem Prinzip des forschenden Lernens. „Dieser Ansatz basiert auf der Idee, dass akademisches Schreiben den wissenschaftlichen Denkprozess anregt und wichtige Erkenntnisse generiert“, erklärt Michael Paaß. „Anders gesagt: Das Schreiben selbst ist ein wichtiges Werkzeug für den Lern- und Forschungsprozess.“ Voraussetzung dafür ist, das Schreiben in die Praxis zu integrieren. Studierende müssten dann etwa in Seminaren Kurztexte verfassen sowie selbstständig Schreibaufgaben und Forschungsfragen bearbeiten. Wie aber lässt sich der Ansatz, der durchaus in der geisteswissenschaftlichen Tradition seit dem 19. Jahrhundert steht, an der Uni verbreiten? Michael Paaß und sein Kollege Gerrit Althüser am Schreib-Lese-Zentrum setzen hier auch auf entsprechend ausgebildete Studierende, die als Schreibtutoren ihre Kommilitonen in einer Art Feedbackschlaufe beraten.

„Mittlerweile kommen auch Lehrende auf uns zu, die sich für das Thema interessieren“, berichtet Michael Paaß. Ein ­Problem aber bleibt: Was nützt mehr Praxis beim Schreiben, wenn das Publikum fehlt? Denn ist das Thema noch so gut gewählt, der Text noch so gut strukturiert und der Stil noch so gewandt: Meist sind die wissenschaftlichen Arbeiten Studierender nicht mehr als eine akademische Trockenübung. In der Regel landen diese Texte ohne eine Möglichkeit zur Publikation in einem Hefter oder einer Schublade – auf Nimmerwiedersehen. Der Arbeitspsychologe Dr. Klaus Harnack mit dem Schwerpunkt Konfliktlösung sieht darin eine enorme Ressourcenverschwendung. „Warum sollten die guten Ideen der nächsten Generation von Mediatoren und Verhandlungsexperten in den Schränken der Universitäten verstauben?“

Als Mitglied im Redaktionsbeirats des Fachmagazins „Die Mediation“ verantwortet er deshalb nun eine eigens geschaffene Nachwuchsseite, auf der Studierende nach entsprechender Überarbeitung – in Anlehnung an das peer review akademischer Journale – kurze Texte zum Themenfeld Mediation veröffentlichen können. Denkbar sind etwa geschichtliche Anekdoten, kulturelle Unterschiede, neue Trends oder technische Verfahren. „Ein zentraler Aspekt, der meiner Ansicht nach im Studium und an der Universität zu wenig beachtet wird, ist der Wissenstransfer“, berichtet Klaus Harnack. „Wie gelangen akademische Ideen und Ansätze zu den Anwendern in der Praxis? Hier werden wissenschaftliche Erkenntnisse nun in einer akademisch eingefärbten, aber zugänglichen Sprache präsentiert – und Studierende kommen auch noch zu ihrer ersten eigenen Publikation.“

Susanne Wedlich

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 3, 16. Mai 2018

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