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Münster (upm)
33.000 historische Modelle und Präparate aus Körperspenden: Prof. Dr. Wolfgang Knabe und sein Team setzen seit dem Sommersemester 2017 die Anatomische Sammlung real und virtuell via Tablet-PC in der Lehre ein.<address>© WWU - Peter Grewer</address>
33.000 historische Modelle und Präparate aus Körperspenden: Prof. Dr. Wolfgang Knabe und sein Team setzen seit dem Sommersemester 2017 die Anatomische Sammlung real und virtuell via Tablet-PC in der Lehre ein.
© WWU - Peter Grewer

Sorgfältiger Umgang mit Körperspenden

Serie über die Sammlungen an der WWU: Die Modelle und Präparate der Medizinischen Fakultät sind die älteste Lehrsammlung der Universität

Konservierte Hände, Organe und Embryonen, Gehirne in Scheiben geschnitten: Die Anatomische Sammlung der Medizinischen Fakultät ist die älteste Lehrsammlung der Universität. Rund 33.000 historische Modelle und Präparate aus Körperspenden finden sich in den Vitrinen, fein säuberlich sortiert und beschriftet.

Im Keller des PAN-Zentrums, in dem aktuell die Institute für Neuropathologie und Anatomie sowie die Prosektur Anatomie beheimatet sind, ist das Herzstück der Sammlung vis-à-vis dem hochmodernen Präpariersaal untergebracht. Zutritt haben bislang nur Mitarbeiter und Studierende. "Es gibt Präparate, die wir niemals öffentlich ausstellen würden. Mit der Sammlung als Teil des Körperspendewesens muss man sorgfältig umgehen", betont Prof. Dr. Wolfgang Knabe, Leiter der Prosektur Anatomie der Medizinischen Fakultät. Weitere Exponate sind für jedermann zugänglich auf drei Etagen im Hauptgebäude zu sehen.

"Studierende können die Sammlung real und virtuell nutzen."

Für die Studierenden der Human- und Zahnmedizin sind die Objekte eine praktische Hilfe. Seit dem Sommersemester 2017 können sie die Sammlung wieder nutzen – real und virtuell via Tablet-PC. Um die Anatomie des menschlichen Körpers zu erlernen, absolvieren angehende Ärzte im zweiten Semester einen Präparierkurs. Eine Gruppe von zehn bis zwölf Studierenden ist für eine Körperspende verantwortlich. "Sie präparieren sie von der Oberfläche in die Tiefe", erklärt Dr. Stefan Washausen, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Prosektur Anatomie. Während Organe und Gliedmaßen dreidimensional sind, ist deren Darstellung im Schnittbild – also bei der bildgebenden Diagnostik im späteren Berufsalltag – nur zweidimensional. "Der Transfer von der dreidimensionalen Wirklichkeit zur zweidimensionalen Abbildung ist eine Herausforderung für die Studierenden, da ihnen die Orientierung schwerfällt", sagt Stefan Washausen. Deshalb wurden Exponate der Anatomischen Sammlung zum Selbststudium digitalisiert und detailliert mit Anmerkungen versehen. Mit dem Tablet in der Hand gleichen die Studierenden die Fotografien und Darstellungen mit den Originalpräparaten in den Vitrinen ab und verschaffen sich einen besseren Überblick. "Auf diese Weise können Studierende die Sammlung direkt im Unterricht nutzen", erläutert Wolfgang Knabe den besonderen didaktischen Zugang. Erst der Bau des PAN-Zentrums ermöglichte die konzeptionelle Neugestaltung der Anatomischen Sammlung. Zuvor war sie im Dachgeschoss des alten Institutsgebäudes untergebracht und während der Bauarbeiten notgedrungen eingelagert.

Die ältesten heute noch vorhandenen Anschauungsexemplare stammen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Es handelt sich zum einen um Wachs- und Knochenpräparate der Pariser Firma Tramond. Zum anderen gibt es historische Gipsabgüsse des Leipziger Bildhauers und Modelleurs Franz Steger, die er gemeinsam mit dem schweizerisch-deutschen Mediziner Wilhelm His anfertigte, und Wachsmodelle aus dem Freiburger "Atelier für wissenschaftliche Plastik" von Adolf und Friedrich Ziegler. Die Anschaffung der ersten Präparate ging mit der Gründung der Medizinischen Fakultät im Jahr 1774 einher. Im sogenannten "Museum anatomicum" systematisierten und ordneten die Mitarbeiter konservierte Teile des menschlichen Körpers. Bereits diese frühe Sammlung diente der Forschung und Lehre.

"Nicht jede Anatomische Sammlung ist so gut ausgestattet wie die in Münster."

Dass heute nur noch wenige historische Präparate Teil der Sammlung sind, liegt an den Bombardierungen Münsters im Zweiten Weltkrieg. Das Anatomische Institut wurde im Sommer 1941 zerstört. Im Herbst 1944 fiel dann auch ein provisorisch hergerichteter Holzbau den Brandbomben zum Opfer. Die frühen Bestände lassen sich deshalb nur noch anhand einer Veröffentlichung des damaligen Direktors der Medizinisch-Chirurgischen Lehranstalt, Carl Wilhelm Wutzer, aus dem Jahr 1830 rekonstruieren. Nach 1945 erhielt das Anatomische Institut einen Neubau am Vesaliusweg. In den neuen Räumen wurden die alten Schränke auf- und umgearbeitet und durch weitere Vitrinen ergänzt. Die noch existierenden Modelle und Präparate fanden dort ihren Platz und bildeten den Grundstock für den Neuaufbau der Sammlung. Unter der Leitung von Prof. Hellmut Becher entstanden zahlreiche moderne Exponate.

Mit dem Einzug der Prosektur Anatomie ins PAN-Zentrum ist es den Studierenden nun erstmals möglich, auf der gleichen räumlichen Ebene einerseits eigene Präparationen durchzuführen und anderseits mithilfe der Tablets rund 350 Objekte selbstständig zu studieren. "Wir wollen die Anatomische Sammlung als innovatives Lehrmittel einsetzen. Sie soll Teil des normalen Studienalltags sein. Nicht jede Anatomische Sammlung ist so gut ausgestattet wie die in Münster", hebt Wolfgang Knabe hervor. Ermöglicht wurde dieses Projekt durch Fördermittel des Alumni-Vereins "medAlum" und der Rolf-Dierichs-Stiftung.

Um die Sammlung wieder in den Fokus der Hochschulöffentlichkeit zu rücken, unterstützte die Prosektur Anatomie bereits 2014 Prof. Dipl.-Des. Cordula Hesselbarth und ihre Studierenden vom Fachbereich Design der Fachhochschule Münster bei der Konzeption und Durchführung der Ausstellung "An-a-tomie. Einsichten in den Körper". Anatomische Illustrationen und künstlerische Darstellungen der Designstudierenden bilden ein Pendant zu den gezeigten Präparaten der Sammlung. Viele der Exponate können sich Interessierte im historischen Hauptgebäude des PAN-Zentrums anschauen. Ziel der Ausstellung ist es, einen Dialog zwischen Kunst und Wissenschaft zu schaffen.

 

Autorin: Kathrin Nolte

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 2, April / Mai 2018.

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