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Münster (upm/nor)
Die Evangelisch-Theologische Fakultät wird Joachim Gauck, hier bei seinem Besuch an der WWU im Jahr 2013, die Ehrendoktorwürde verleihen.<address>© WWU - Peter Grewer</address>
Die Evangelisch-Theologische Fakultät wird Joachim Gauck, hier bei seinem Besuch an der WWU im Jahr 2013, die Ehrendoktorwürde verleihen.
© WWU - Peter Grewer

Ehemaliger Bundespräsident Joachim Gauck wird Ehrendoktor

Feierstunde in der Evangelisch-Theologischen Fakultät am 11. Dezember

Die Evangelisch-Theologische Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) wird dem ehemaligen Bundespräsidenten Joachim Gauck am 11. Dezember den Titel eines theologischen Ehrendoktors verleihen. Mit dieser Ehrenpromotion würdigt die Fakultät dessen Lebensleistung in Kirche, Zivilgesellschaft, Politik und höchsten Staatsämtern.

In all diesen unterschiedlichen Funktionen hat Joachim Gauck nach Überzeugung der Fakultät den Gehalt des christlichen Glaubens mit dem Begriff der Freiheit zur Sprache gebracht. "Die Freiheit ist für Joachim Gauck eine kritisch-visionäre Kategorie zur Analyse und Entwicklung der Gesellschaft", betont der Dekan der Fakultät, Prof. Dr. Hans-Peter Großhans. "Er verkörpert in hervorragender Weise die Urteilskraft, die im protestantischen Freiheitsbewusstsein wurzelt."

Joachim Gauck, der am 24. Januar 1940 in Rostock geboren wurde, studierte von 1958 bis 1965 Theologie an der Universität Rostock. Zwischen 1965 und 1990 war er als Pastor im Dienst der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg tätig. 1989 wurde er Mitinitiator der kirchlichen und politischen Protestbewegung in Mecklenburg. Im März 1989 wurde Joachim Gauck für das "Neue Forum" Abgeordneter der ersten frei gewählten DDR-Volkskammer und leitete den "Sonderausschuss zur Kontrolle der Auflösung des Ministeriums für Staatsicherheit" der DDR. Joachim Gauck war langjähriger Vorsitzender und ist seit einem Jahr Ehrenvorsitzender der Vereinigung "Gegen Vergessen – Für Demokratie".

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland wurde Joachim Gauck "Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR" – diese weltweit viel beachtete Funktion nahm er von 1990 bis 2000 wahr. 2012 erfolgte die Wahl zum Bundespräsidenten, seine Amtszeit endete im März 2017.

In beiden Staatsämtern hat Joachim Gauck nach Überzeugung der Fakultät zwei wesentliche theologische Themen beispielgebend politisch bearbeitet. So habe er sich zum einen in seiner Tätigkeit als Bundesbeauftragter für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes mit Erfolg gegen das Vergessen von Unrecht und Verfolgung eingesetzt. Grundlegend war für ihn dabei die Einsicht, dass gesellschaftliche Versöhnung in einer posttotalitären Gesellschaft nur auf der Basis einer Aufarbeitung des Unrechts erreicht werden kann. Die Opfer brauchen demnach in ihrer Trauer und mit ihrer Wut öffentliches Gehör und Anerkennung. Die strafrechtliche Bearbeitung von Schuld sei zwar ebenfalls ein wichtiger Aspekt – aber nur einer unter vielen. Mindestens ebenso wichtig seien Wiedergutmachung, das öffentliche Gespräch, Rechtstaatlichkeit und die Garantie der Freiheit jedes Einzelnen.

Für Joachim Gauck gilt die Freiheit als die maßgebliche politische Errungenschaft der deutschen Geschichte und als die Basis des demokratischen Rechtsstaats. Für das ehemalige Staatsoberhaupt hat die Freiheit zum anderen auch eine kulturelle Dimension: als Chance zur individuellen Entfaltung und als Verpflichtung. "Freiheit der Erwachsenen hat einen Namen: Sie heißt Verantwortung", betonte er häufig und lobte dabei gleichzeitig das vielfältige Engagement vieler Bürger für das Gemeinwesen. Dieses Verständnis von Verantwortung sieht Joachim Gauck in der Erschaffung des Menschen zum Ebenbild Gottes vorgeprägt. Diese christliche Interpretation ist aber nicht für alle Menschen verbindlich und gültig – er fordert daher Toleranz gegenüber anderen Begründungen und Wegen der Freiheit.

Joachim Gauck habe, begründet die Evangelisch-Theologische Fakultät ihre Entscheidung, "in beispielhafter Weise auf der Schnittstelle von Protestantismus und Politik agiert und dabei wissenschaftlich relevante Impulse für die weitere Bearbeitung dieses Themengebietes gegeben". Die Hauptthemen seiner öffentlichen Reden im höchsten Staatsamt seien nicht nur durch die historischen Erfahrungen der Deutschen im 20. Jahrhundert geprägt, sondern gleichzeitig theologisch fundiert.

Gerade in der Verschränkung beider Aspekte verkörpere der Ehrendoktor daher auf zeitgemäße Weise die Prägekraft der reformatorischen "Zwei-Reiche-Lehre" über das Verhältnis vom Reich Gottes beziehungsweise der Kirche und dem Staat. Mit der Ehrung will die Evangelisch-Theologische Fakultät zudem auf die lebendige Wirksamkeit des protestantischen Geistes aufmerksam machen: Sie werde durch Joachim Gaucks Lebensleistung und durch seine politische Urteilskraft mit ihrer Vision von einer engagierten Bürgergesellschaft glaubwürdig verkörpert.

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