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Münster (upm/tb)
Prof. Dr. Hans-Christian Pape<address>© Alexander-von-Humboldt-Stiftung</address>
Prof. Dr. Hans-Christian Pape
© Alexander-von-Humboldt-Stiftung

"Wir bemerken eine zunehmende Feindseligkeit allem Neuen gegenüber - Wissenschaft ist ein Gegenmodell hierzu"

Neurophysiologe Prof. Hans-Christian Pape, ab 2018 Präsident der Humboldt-Stiftung, über sein Engagement und seine Wünsche für die Wissenschaft

Mit Prof. Dr. Hans-Christian Pape ist ab Januar 2018 ein international angesehener Hirnforscher aus den Reihen der Universität Münster Präsident der Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Der Neurophysiologe und Direktor des Instituts für Physiologie I an der Medizinischen Fakultät beschreibt im Interview mit Dr. Thomas Bauer die Motivation für sein Engagement in der Wissenschaft und in der Forschungsförderung.

Sie sind ein Forscher mit nationalem wie internationalem Renommee. Was hat Sie in die Forschung gebracht?

Vermutlich dieselben Dinge, die auch die meisten Kolleginnen und Kollegen nennen würden: Neugier einerseits und Spaß am Thema anderseits. Ich war schon als Schüler jemand, der von dem Neuen, noch Unentdeckten fasziniert war, der ein Mikroskop besaß und der ein Faible hatte für den ,Humboldt´schen Kosmos' beziehungsweise das Systematische darin. Mit solchen Vorlieben landet man fast automatisch in Naturwissenschaften – bei mir war das die Biologie. Allerdings stand zunächst das Fach im Vordergrund; von der Wissenschaft selbst hatte ich lange nur vage Vorstellungen...

Und wann setzte der Sinneswandel ein?

Das änderte sich im Studium. Nie vergessen werde ich eine Begegnung mit Otto Creutzfeldt, Neurowissenschaftler, Max-Planck-Direktor und nun Namensgeber einer Graduiertenschule an der Universität Münster. Er hielt auf dem ersten wissenschaftlichen Kongress, an dem ich damals als Student teilnahm, einen Vortrag, nur ‚bewaffnet‘ mit einem grünen Filzstift. Damit skizzierte er die funktionelle Organisation des cerebralen Cortex – der höchsten Integrationsstation im menschlichen Gehirn – auf den Folien eines Overhead-Projektors. Verstanden habe ich bei Weitem nicht alles. Aber der Vortrag und der Wissenschaftler, der ihn hielt, waren ungemein faszinierend und weckten in mir den Wunsch: So will ich auch werden. Ohne mich fachlich auch nur im Entferntesten mit Otto Creutzfeldt messen zu wollen: Das war ein Schlüsselmoment. Ein zweiter immenser Einfluss ging von meinem Doktorvater, Prof. Ulf Eysel, aus. Er zeigte mir tatsächlich das wissenschaftliche Arbeiten, er ist immer ein Vorbild, und er brachte mich frisch nach der Promotion dazu, ein wahrlich fürstlich dotiertes Angebot aus der forschenden Industrie auszuschlagen und stattdessen eine akademische Laufbahn einzuschlagen – trotz der vergleichsweise großen Unsicherheiten.

In den letzten Jahren waren Sie neben der wissenschaftlichen Arbeit intensiv tätig in der deutschen Forschungspolitik und Forschungsförderung, beispielsweise  als Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission des Wissenschaftsrates. Worin liegt der Reiz, sich auch auf diesen Gebieten zu engagieren?

Es gibt drei Hauptgründe: Erstens war und bin selbst ,Profiteur' unseres Wissenschaftssystems – eines Systems, das auf Gegenseitigkeit beruht. Meine Forschungsarbeiten sind sehr gut gefördert worden, und nun kann ich etwas ,zurückgeben'. Das fängt bei Gutachten an und ging bei mir weiter über meine Mitwirkung im Senat der Deutschen Forschungsgemeinschaft, im Wissenschaftsrat und künftig in der Humboldt-Stiftung. Zweitens möchte ich etwas zugunsten der Forschung bewegen. Wie lassen sich die Rahmenbedingungen für die Forschung verbessern? Wie können wir zum Beispiel Karrierewege so gestalten, dass sie attraktiver für den wissenschaftlichen Nachwuchs werden? Forschung ist kein Selbstläufer – man muss sie ermöglichen, immer wieder neu. Drittens hoffe ich, etwas zum Dialog von Wissenschaft und Gesellschaft beitragen zu können. Wir bemerken derzeit eine zunehmende Feindseligkeit allem Neuen und Fremden gegenüber. Wissenschaft ist ein Gegenmodell hierzu, nicht nur wegen ihrer Internationalität, sondern weil das Neue per Definition ihr Inhalt ist. Wissenschaft kann ein Beispiel geben. Und Einrichtungen wie die Humboldt-Stiftung fördern Vertrauen und Internationalisierung. Daher bin ich sehr dankbar, für diese Institution tätig sein zu können.

Zurück nach Münster: Die Erforschung von Furcht und Angsterkrankungen ist der Schwerpunkt Ihrer Arbeit. Welche offenen Fragen möchten Sie in ihrer Laufbahn auf diesem Gebiet noch klären?

Der Wunsch ist verwandt mit dem Willen und der Sehnsucht – beide mit unterschiedlichem Abstand zur Realisierbarkeit. Wir arbeiten vor allem am Nachweis von Kausalbeziehungen zwischen genetischer Veranlagung, den individuellen Erfahrungen während des Lebens und neuralen Veränderungen im Gehirn, die eine veränderte Angstsensitivität, eine Angsterkrankung, begründen. Ein solcher direkter Nachweis für Kausalität – wenn a) so ist, dann ist b) zwangsläufig so … – existiert noch nicht, und ich würde ihn sehr wünschen. Eine Sehnsucht andererseits, die ich mit vielen Wissenschaftlern teile, ist die nach einer Forschung, die wieder mehr Zeit für Kreativität und Mut zur Spontaneität hat. In anderen Worten: die Sehnsucht, dass wir von der überbordenden Last von Bürokratismus befreit werden und uns in Zeiten einer alles beherrschenden Standardisierung daran erinnern, dass gerade Spontaneität und Nicht-Planbarkeit wichtige Triebfedern des wissenschaftlichen Fortschritts sind. Ein Zuviel an Regulierung produziert vor allem eines: Mainstream-Forschung.

 

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