|
Münster (upm)
Hannah Würbel (3. v. links) besuchte mit anderen Studierenden sowie Prof. Dr. Norbert Kersting (2. v. links) die historisch und politisch bedeutungsvolle Ruinenstadt Great Zimbabwe.<address>© Privat</address>
Hannah Würbel (3. v. links) besuchte mit anderen Studierenden sowie Prof. Dr. Norbert Kersting (2. v. links) die historisch und politisch bedeutungsvolle Ruinenstadt Great Zimbabwe.
© Privat

Beispielhaftes Engagement trotz widriger Bedingungen

WWU-Studierende erlebten den Alltag in Simbabwe

Zehn Studierende der WWU reisten im Rahmen der Projektseminare "Praxis der Entwicklungszusammenarbeit" vom Institut für Soziologie und vom Institut für Politikwissenschaft nach Simbabwe. Ihr Ziel: von Menschen aus anderen Kulturkreisen lernen und zum Austausch beitragen. In einem Gastbeitrag berichtet Hannah Würbel von ihren Erlebnissen in dem südafrikanischen Binnenstaat.

Auf rotem, staubigem Boden, in praller Sonne und mit viel Einsatz kämpften sieben Studierende und sieben Kinder und Jugendliche um den Sieg. Die Schülerinnen und Schüler der 1. bis 7. Klasse der Porta Farm School in Harare, der Hauptstadt Simbabwes, hatten uns herausgefordert, und nun fand ich mich plötzlich in einem Handballspiel wieder, das all meinen Ehrgeiz und Kampfgeist forderte. Mit Gesängen und lauten Sprechchören vom Spielrand feuerten die Mitschüler die beiden gemischten Teams an. Es war ein großartiges Erlebnis.

Gemeinsam mit einer Gruppe von neun Studierenden verschiedener Fachrichtungen der Universität Münster hatte ich mich am 2. August nach einer halbjährigen Vorbereitungsphase für rund vier Wochen auf den Weg nach Simbabwe gemacht. Begleitet von Prof. Dr. Norbert Kersting und Dr. Reinhold Hemker wollten wir herausfinden, wie sich das Land seit der Unabhängigkeit gewandelt hat, vor welchen Herausforderungen die Menschen angesichts der angespannten politischen und wirtschaftlichen Situation stehen und wie sich das im Alltag manifestiert. Dass uns die Menschen vor Ort aber so tief in ihren Alltag eintauchen lassen würden, hatte niemand von uns erwartet. Wir wurden mit viel Herzlichkeit und Neugier empfangen, was uns das Einleben um einiges erleichterte.

Nach unserer Zeit in Harare besuchten wir weitere Projektpartner in anderen Städten wie beispielsweise Kadoma, Masvingo und Bulawayo. Begleitet von Terrence Zhou, einem jungen simbabwischen Studenten, der uns sein Land in all seiner Vielfalt zeigte, begegneten wir vielen Menschen. Wir gewannen Freunde dazu, mit deren Schicksal wir nun eng verbunden sind. Vieles brachte uns zum Nachdenken, einiges lässt uns nicht mehr los. Besonders beschäftigt hat uns die Situation junger Menschen, die als Volljährige von einem Tag auf den anderen die Kinderheime ohne Perspektive verlassen müssen. In Masvingo hat ein Pfarrer die Idee, eine Anlaufstelle für Jugendliche in dieser Übergangsphase zu schaffen. Die Kernen-Masvingo-Gesellschaft unterstützt bereits ein Kinderheim – es bleibt zu hoffen, dass sich auch für die Idee des Pfarrers weitere Förderer finden.

"Ich laufe zweieinhalb Stunden bis zur Schule", erzählte eine Schülerin der Porta Farm Schule auf unsere Frage nach ihrem Schulweg. Unglaublich, wenn ich bedenke, dass ich in Münster in fünf Minuten mit dem Fahrrad am Institut für Politikwissenschaft bin. In einer Klasse sitzen hier bis zu 70 Schüler – schon 30 Studierende in einem Seminar sind bei uns außergewöhnlich. Einst galt das Bildungssystem Simbabwes als das beste im südlichen Afrika. Unter der autokratischen Herrschaft des 93-jährigen Robert Mugabe, Vorsitzender der regierenden Partei ZANU-PF, erlebt das Land heute aber eine seiner schlimmsten wirtschaftlichen und politischen Krisen. Mugabe hatte das Land im Jahr 1980 zwar in seine Unabhängigkeit geführt, aber jetzt regiert er mit eiserner Hand. Kritische Äußerungen im Vorfeld können während des Wahlkampfes gegen jeden einzelnen verwendet werden. Fehlende Rechtssicherheit, Polizei-Schikane und wirtschaftliche Not sind Alltag.

Trotz aller politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen begegneten wir während unseres Aufenthalts verschiedenen Gruppierungen der Zivilgesellschaft und Vertretern der Kirchen, von deren beispielhaftem Engagement unter widrigen Bedingungen wir viel lernen konnten. Mit den Bewohnern eines Altenheims sangen wir gemeinsam. Musik überwindet Grenzen und baut Brücken: Das durften wir hautnah erleben, als die Gesichter zu Klängen traditioneller Shona- und Ndebele-Lieder aufleuchteten.

Und das, obwohl die Situation vieler Mitarbeiter sehr schwierig ist. Kaum jemand wird für seine Arbeit bezahlt. Diese sozialen Institutionen bekommen keine Unterstützung vom Staat, sie leben allein von Spenden. Eine große Last, die auf den Schultern der Ehrenamtlichen ruht.

Hinzu kommt der aktuelle Mangel an Bargeld. Als Folge der Hyperinflation existiert im Land keine eigene Währung mehr, es wird mit Dollar und Bondcoins, einer etwa gleichwertigen Ersatzwährung, bezahlt. Pro Tag darf jeder einzelne an Bankautomaten nach stundenlangem Anstehen nur 50 US-Dollar abheben, mehr Geld haben die Banken nicht zur Verfügung. Die Supermarktpreise sind höher als in Deutschland, die Löhne dagegen, sofern sie überhaupt ausgezahlt werden können, unfassbar niedrig. Mehrere Millionen Simbabwer leben deshalb in der Diaspora in Südafrika oder in anderen benachbarten Ländern. Für einen Tag hatten wir jeweils zu zweit die Möglichkeit, den Alltag einer Familie in Simbabwe kennenzulernen und wurden von Familien aufgenommen und empfangen. Der Vater meiner Gastfamilie reist alle zwei Monate für jeweils zwei Monate nach Großbritannien, um dort das Geld zu verdienen, das er benötigt, um seinen Kindern eine gute Bildung an Privatschulen zu finanzieren.

Auch an der Porta-Farm-School kämpfen die Lehrer darum, den Schülern einen möglichst normalen Schulalltag zu ermöglichen. Unterstützt wird die Institution von der Deutsch-Simbabwischen Gesellschaft, deren Vize-Präsident Hermann Stubbe mit den Schülern Solarkochstellen baute. So soll den Schülern täglich jeden Mittag eine warme Mahlzeit zubereitet werden können, da es an dieser Schule keinen Strom gibt. Traditionell isst man in Simbabwe Maisbrei, Sadza genannt, zusammen mit Stangenkohl und Fleisch. Kaum ein Simbabwer würde darauf verzichten - nicht wenige versuchen, auf diesem Wege etwas Geld zu verdienen und verkaufen das Nationalgericht aus dem Kofferraum ihrer Autos heraus.

Die Leidenschaft am Sport aber ist ungebrochen. Übrigens: 3:2 endete das Handballspiel. Wichtig war dabei aber vor allem eines: fair play - eine Einstellung, die nicht nur im Sport gelten sollte.

Hannah Würbel ist 23 Jahre alt und studiert Internationale und europäische Governance im 5. Semester an der WWU.