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Münster (upm)
Im Herbarium des Botanischen Gartens lagern unzählige Belege: Der technische Leiter Herbert Voigt zeigt, wie die Sammlung gepresster und getrockneter Pflanzen aussieht.<address>© WWU/Peter Leßmann</address>
Im Herbarium des Botanischen Gartens lagern unzählige Belege: Der technische Leiter Herbert Voigt zeigt, wie die Sammlung gepresster und getrockneter Pflanzen aussieht.
© WWU/Peter Leßmann

Ein Kleinod für Forschung und Erholung

Neue Serie über die Sammlungen an der WWU – Teil 1: Im Botanischen Garten wachsen auf fünf Hektar rund 8000 Pflanzenarten

Ob Ananasgewächse aus Süd- und Mittelamerika, Oliven- und Granatapfelbäume aus dem Mittelmeerraum oder Heilpflanzen wie Kamille und Fingerhut – direkt hinter dem münsterschen Schloss befindet sich ein wahres Kleinod für Erholungssuchende. Der Botanische Garten der Universität ist ein beliebter Treffpunkt und lockt jährlich rund 200.000 Besucher an. Die unzähligen Blumen und Gewächse sind aber nicht nur schön anzusehen, sie dienen auch der Forschung und Lehre.

Auf knapp fünf Hektar beherbergt der Botanische Garten eine Lebendsammlung von etwa 8000 Pflanzenarten. Daneben gibt es Frucht- und Samensammlungen. Als weltweit eine der größten ihrer Art gilt die Sammlung der Pelargonien. Die Geranien, wie sie umgangssprachlich genannt werden, dienen der Grundlagenforschung. Außerdem lagern 2000 Herbar-Belege sortiert und beschriftet in Schränken. Das Herbarium, eine Sammlung von getrockneten und gepressten Pflanzen, nutzen die Wissenschaftler zum Abgleich mit lebenden Pflanzen.

"Es gibt wahrscheinlich kein Land, mit dem wir nicht im Austausch stehen."

Gegründet wurde der Botanische Garten 1803 – im gleichen Jahr richtete die Universität den ersten naturwissenschaftlichen Lehrstuhl ein. Bereits 1804 entstanden die ersten Gewächshäuser. In den folgenden Jahrzehnten wurden Orangerie und Palmenhaus errichtet, die jeweils eine Neuausrichtung der Pflanzenbestände ermöglichten. Bomben zerstörten im Zweiten Weltkrieg große Teile der Anlage. Mit dem Wiederaufbau in der Nachkriegszeit entwickelte sich der Botanische Garten zu einem wichtigen Naherholungsort nicht nur für die Bevölkerung in Münster. Anfangs diente die Anlage ausschließlich der Forschung und Ausbildung von Studierenden. Heute spazieren jedes Jahr Zehntausende Gäste durch das Karnivoren- und Sukkulentenhaus, durch den Riech- und Tastgarten und durch verschiedene Biotope. Manche von ihnen suchen Erholung beim "botanischen Fitnessgang" mit Yogaübungen oder genießen ein spezielles Gourmet-Essen mit Unkräutern – letzteres ist meist schon kurz nach der Ankündigung ausverkauft.

Die Anzucht, Pflege und Sammlung von Pflanzen dient als Grundlage für Forschung und Lehre. So finden auch Seminare im Botanischen Garten statt. Durch die weltweite Zusammenarbeit und den Austausch mit rund 680 Botanischen Gärten und Institutionen wird die Sammlung fortlaufend erweitert. Damit sollen die biologische Vielfalt und die genetischen Ressourcen erhalten bleiben. "Es gibt wahrscheinlich kein Land, mit dem wir nicht im wissenschaftlichen Austausch stehen", sagt Herbert Voigt, technischer Leiter des Botanischen Gartens. Deshalb landen immer wieder Briefumschläge aus der ganzen Welt in seinem Büro, zuletzt beispielsweise aus Namibia, der Ukraine, Iran, Russland und Armenien.

Der erste Samenkatalog des in Münster gesammelten Saatguts wurde 1827 veröffentlicht. Im vergangenen Jahr bestand er aus 906 Einträgen. "Man kann sich unseren Samenkatalog wie eine Tauschbörse für Wissenschaftler vorstellen", erklärt Herbert Voigt. Bis die Samen archiviert oder versendet werden können, durchlaufen sie eine lange Kette von einzelnen Arbeitsschritten, die vom eigentlichen Sammeln über das Trocknen bis hin zum Beschriften reicht. Alles, was in sorgfältig gekennzeichneten und nummerierten Tütchen verschickt wird oder in Münster ankommt, wird akribisch in einer Datenbank erfasst. Dadurch lässt sich das Genmaterial jeder Pflanze zurückverfolgen. Seit 30 Jahren werden die Datensätze digital erfasst. Zuvor vermerkten die Mitarbeiter die Informationen auf Karteikarten. "Für den Austausch der Samen gilt es, eine Vielzahl von strengen Konventionen, Gesetzen und Verhaltensregeln zu beachten. Dabei werden grundsätzlich die entsprechenden Regelungen der Länder gegenseitig beachtet und respektiert", betont Herbert Voigt.

Pflanzen für die wissenschaftliche Grundlagenforschung: Gärtnerin Melanie Wiethölter kümmert sich um die Pelargonien im Botanischen Garten.<address>© WWU/Peter Leßmann</address>
Pflanzen für die wissenschaftliche Grundlagenforschung: Gärtnerin Melanie Wiethölter kümmert sich um die Pelargonien im Botanischen Garten.
© WWU/Peter Leßmann
"Was bei uns als Unkraut angesehen wird, ist woanders begehrt."

Wenn die Samen keimfähig sind, werden sie in den Gewächshäusern ausgesät und die Pflanzen aufgezogen. Die Interessen der Forscher sind ganz unterschiedlich. "Was bei uns als Unkraut angesehen wird, ist woanders begehrt. Ein Beispiel ist Arabidopsis, die Ackerschmalwand. Während diese Pflanze bei uns überall zu finden ist, ist dies beispielsweise in Australien nicht der Fall." Die Samen aus Münster legen jedoch nicht nur unzählige Kilometer zurück, sie lagern auch im Eis. Auf Grönland gibt es beispielsweise eine große Samensammlung, die aus ganz verschiedenen Botanischen Gärten stammt. "Dadurch spart man sich die Kühlhäuser. Das Eis darf nur nicht schmelzen", sagt Herbert Voigt.

Seit der Gründung des Botanischen Gartens gibt es Lehrangebote in Verbindung mit Anschauungsunterricht und Geländepraktika. Dabei werden auch unkonventionellere Wege eingeschlagen: Unter dem Titel "Bioinspiration – Innovationsquelle Natur" fand im Sommersemester 2017 zum Beispiel ein Seminar für Studierende aller Fachrichtungen statt. Durch das Übertragen naturnaher Strukturen und Verhaltensmuster auf die persönliche und berufliche Situation haben die Teilnehmer gelernt, Mechanismen der Natur auf die eigenen Denkmuster zu übertragen. Biologische Systeme entwickeln beispielsweise Strategien, um miteinander oder in Konkurrenz zueinander zu existieren, sich an veränderte Bedingungen anzupassen oder sich zu organisieren. Die Studierenden analysierten diese Prozesse, um sie anschließend für sich als kreative Problemlösung zu nutzen.

Wer die Pflanzenvielfalt im Botanischen Garten entdecken möchte, kann dies im Sommer täglich von 8 bis 19 Uhr tun. In den Wintermonaten ab Ende Oktober ist die Anlage täglich von 9 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Aktuelle Terminhinweise finden Sie im Internet unter www.garten.uni-muenster.de/de/Termine.

Serie

So vielfältig wie die Welt der Wissenschaft, so vielfältig sind auch die Sammlungen der Universität Münster. Ausgestopfte Tiere, antike Skulpturen, Gewebeproben, lebende Pflanzen – all diese Dinge sind für Forschung und Lehre unverzichtbar. Bereits in den Gründungsjahren der Hochschule Ende des 18. Jahrhunderts wurden die ersten anatomischen Modelle angeschafft. Heute stehen Forschern und Studierenden 26 Sammlungen aus allen Wissensgebieten zur Verfügung. Fünf davon stellen wir Ihnen in der Serie "Sammlungen an der WWU" vor.

 

Autorin: Kathrin Nolte

Dieser Artikel stammt aus der Universitätszeitung "wissen|leben" Nr. 5, Juli/August 2017.

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