Biologen weisen in Studie uralte Form der Zelladhäsion nach
Die Zellen aller Tiere – und die des Menschen – können sich sehr gut an Oberflächen in ihrer Umgebung festhalten. Diese mechanisch stabile Anheftung erlaubt die Entwicklung komplexer Gewebe und Organe und wird durch bestimmte Zelloberflächenrezeptoren, die sogenannten Integrine, ermöglicht. Wie sich diese Form der Zelladhäsion im Laufe der Evolution entwickelt hat, ist allerdings unklar, denn viele einzellige Organismen weisen keine Integrin-Rezeptoren auf. Ein Team um Prof. Dr. Carsten Grashoff und die Doktorandin Srishti Rangarajan vom Institut für Integrative Zellbiologie und Physiologie zeigte nun, dass das sogenannte Talin-Protein eine zentrale und im Laufe der Evolution weitgehend unveränderte Rolle bei der Zellanheftung spielt.
Talin kommt in zahlreichen eukaryotischen (einen Zellkern enthaltenden) Einzellern und auch in allen Tierzellen vor. Das Protein sorgt dort für die mechanische Anbindung von Integrinen an das Zellinnere. Durch vergleichende Untersuchungen in Amöben und Tierzellen wiesen die Forscherinnen und Forscher nun nach, dass Talin – ganz ähnlich wie beim Menschen – auch in Einzellern bei der Zelladhäsion mechanische Kräfte überträgt.
Auch wenn es sich pro Molekül nur um eine Kraft von wenigen Billionstel Newton handelt, so scheint diese mechanische Funktion von Talin für eine erfolgreiche Zellanheftung entscheidend zu sein. Zwar hat das Talin-Protein in menschlichen Zellen eine Vielzahl zusätzlicher Aufgaben, die noch nicht in Amöben zu beobachten sind. Doch die entscheidende mechanische Rolle des Proteins hatte sich vermutlich bereits entwickelt, lange bevor die ersten Tiere entstanden.
„Die durch Integrin vermittelte Adhäsion von Tierzellen wird in allen modernen Lehrbüchern der Zellbiologie beschrieben“, unterstreicht Srishti Rangarajan. „Sie scheint aber lediglich die Spezialisierung eines deutlich älteren Zelladhäsionsmechanismus zu sein, der in Einzellern entsprang und von Talin vermittelt wird.“
Das Team nutzte unter anderem Methoden der molekularen Genetik, hochauflösende Fluoreszenzmikroskopie sowie molekulare Kraftmikroskopie.
Die "VolkswagenStiftung" unterstützte die Arbeit finanziell.
Originalveröffentlichung
Srishti Rangarajan, Lena Espeter, Hannes C.A. Drexler, Anna Chrostek-Grashoff and Carsten Grashoff (2025): Talin force coupling underlies eukaryotic cell-substrate adhesion. Nature Communications 16, 10950; DOI: 10.1038/s41467-025-67354-8