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Münster (upm/kn).
Hilfe bei Depressionen: Das smartphonebasierte Training während der stationären Therapie sorgte für eine Verbesserung der Symptome.<address>© NN AI – stock.adobe.com</address>
Hilfe bei Depressionen: Das smartphonebasierte Training während der stationären Therapie sorgte für eine Verbesserung der Symptome.
© NN AI – stock.adobe.com

Smartphone-Training verbessert langfristig depressive Symptome

Studie belegt erstmals Wirksamkeit von digitalen Sitzungen während der stationären Therapie

Ein kurzes Training auf dem Smartphone kann bei Patientinnen und Patienten, die wegen einer Depression eine stationäre Therapie machen, langfristig zu einer Verringerung der Symptome führen. Das zeigt eine aktuelle Studie unter der Leitung von Psychologen der Universität Münster. Die Wissenschaftler haben ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Medical Internet Research mHealth and uHealth“ veröffentlicht.

An der klinischen Studie nahmen 75 Patienten teil. Sie absolvierten in Ergänzung zu ihrer regulären Therapie ein kurzes kognitives Training auf dem Smartphone und wurden dafür nach dem Zufallsprinzip – es handelt sich um eine sogenannte randomisierte Studie – in eine Experimental- und eine Kontrollgruppe eingeteilt. Das Training bestand aus sechs 15-minütigen Sitzungen über zwei Wochen. Ziel war es, automatische Reaktionen auf soziale Reize zu beeinflussen, indem Annäherung und Vermeidung gezielt trainiert werden. Die Teilnehmer in der Experimentalgruppe lernten dabei, durch das Heranziehen des Smartphones auf lächelnde Gesichter mit Annäherungsverhalten zu reagieren. Durch das Wegbewegen des Smartphones zeigten sie hingegen ein Ausweichverhalten auf Gesichter mit negativem Gefühlsausdruck. Die Teilnehmer in der Kontrollgruppe absolvierten hingegen ein unspezifisches Training, bei dem die Bewegungen nicht gezielt bestimmten Gesichtsausdrücken zugeordnet waren.

Dr. Maximilian Blomberg<address>© privat</address>
Dr. Maximilian Blomberg
© privat
Beide Gruppen zeigten direkt nach der Behandlung eine deutliche Verbesserung ihrer Symptome, ein Unterschied zwischen aktivem und Kontrolltraining bestand zunächst nicht. Sechs Monate nach der Behandlung offenbarte sich jedoch ein klarer Vorteil der Experimentalgruppe: Diese Patienten berichteten von signifikant geringeren depressiven Symptomen als die Patienten aus der Kontrollgruppe. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Training erst im Verlauf der Zeit greift – möglicherweise erst, wenn die erlernten Annäherungstendenzen in reale soziale Interaktionen übertragen werden“, erklärt Dr. Maximilian Blomberg, Erstautor der Studie und wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Translationale Psychotherapie der Universität Münster. Das könne zum Beispiel eine Situation im Alltag betreffen, in der sich die Person wieder stärker potenziell angenehmen Aktivitäten mit Freunden widmet oder in kurzen Momenten das Lächeln eines Gegenübers mit einem Lächeln beantwortet.

Die Wissenschaftler schlussfolgern, dass sich automatisierte Verhaltensmuster gegenüber positiven sozialen Reizen schrittweise „im wahren Leben“ widerspiegeln. Rückzugstendenzen befördern häufig Depressionen, da sie positive soziale Erfahrungen verhindern. „Darüber hinaus könnte das Training die Fähigkeit stärken, entgegen der negativen Stimmung vermehrt positive Informationen abzurufen und aufzusuchen – ein Prozess, der im Falle einer Depression oft geschwächt ist“, ergänzt Studienleiter Prof. Dr. Timo Brockmeyer. Diese Form der Informationsverarbeitung kann helfen, Negativspiralen aus gedrückter Stimmung, negativen Gedanken und Rückzugsverhalten zu durchbrechen. In einer früheren Studie wiesen Timo Brockmeyer und Kollegen bereits nach, dass diese Form der Informationsverarbeitung mit einem besseren Langzeitverlauf der Depression verbunden ist. Neurobiologische Befunde früherer Studien stützen diese Annahme: Annäherungs-Vermeidungs-Trainings können die Belohnungssensitivität des Gehirns gegenüber positiven sozialen Signalen normalisieren.

Prof. Dr. Timo Brockmeyer<address>© Kalle Kröger</address>
Prof. Dr. Timo Brockmeyer
© Kalle Kröger
Die Untersuchung ist die erste randomisierte klinische Studie, bei der Wissenschaftler die Wirksamkeit eines rein smartphonebasierten Annäherungs-Vermeidungs-Trainings bei Depressionen geprüft haben. Das Training ließ sich problemlos in die stationäre Behandlung integrieren, erforderte keine zusätzliche technische Ausstattung und wurde von den Patienten eigenständig durchgeführt. Die Forscher betonen, dass gleichwohl größere Studien notwendig seien, um die Ergebnisse zu überprüfen und die Mechanismen genauer zu verstehen. Zudem müsse noch überprüft werden, ob solche Trainings auch nach der Entlassung oder während der ambulanten Behandlung hilfreich sind. „Wenn sich die Befunde bestätigen, könnten einfache digitale Trainingsmodule künftig helfen, die Zahl der Rückfälle nach einer Therapie zu reduzieren und die Nachhaltigkeit von Behandlungen zu erhöhen“, resümiert Timo Brockmeyer.


Originalpublikation
Blomberg, M., Zech, H., Kluge, M., Böhmert, N., Platte, H., & Brockmeyer, T. Smartphone-Based Approach–Avoidance Bias Modification Training for Depression: A Randomized Clinical Trial. JMIR mHealth and uHealth. doi:10.2196/69033

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