
„Es ist wie bei einem Kind, das vom Stuhl springt“
Einem internationalen Forschungsteam ist es erstmals gelungen, bewegliche Zahnräder mit einem Durchmesser von nur ungefähr 0,01 Millimeter zu entwickeln. Es ist das bislang kleinste Getriebe der Welt. Prof. Dr. Marcel Rey vom Institut für Physikalische Chemie der Universität Münster war an der Entwicklung beteiligt. Im Interview mit Christina Hoppenbrock gibt er Einblicke in das Projekt, das an der Universität Göteborg (Schweden) verwirklicht wurde.
Wir machen Grundlagenforschung und wollen herausfinden, was möglich ist. Den Trend, die Komponenten stetig zu verkleinern, sehen wir unter anderem in der Kommunikationstechnologie, etwa bei Computerchips und Handys. Allerdings war das Mikrogetriebe eine große Herausforderung. Der Doktorand Gan Wang hat ein Jahr lang daran gearbeitet, bis es zum ersten Mal lief.
Wie funktioniert die Herstellung?
Die winzigen Zahnräder entstehen ähnlich wie Computerchips durch Mikrofabrikation im Reinraum. Die Motorenzahnräder besitzen eine optische Metaoberfläche aus Silizium, also ein spezielles Nanomuster, das Licht gezielt seitlich abgelenkt.
Was heißt das?
Trifft ein Laserstrahl auf diese Struktur, wird das Licht abgelenkt und sein Impuls verändert. Nach dem Prinzip ,Aktion gleich Reaktion‘ erfährt das Zahnrad dabei eine Gegenkraft und beginnt sich zu drehen. Man kann sich das vorstellen wie bei einem Kind, das von einem Stuhl springt: Bei dem Sprung drückt es den Stuhl in die entgegengesetzte Richtung. So ähnlich überträgt das abgelenkte Licht seinen Stoß auf das Zahnrad. Natürlich ist die Kraft des Lichts sehr gering. Das bedeutet: Wir brauchen Laser als starke Lichtquellen.
Gewöhnliche Maschinen haben einen elektrischen Antrieb. Warum nehmen Sie Licht?
Ein Elektromotor braucht Stromanschlüsse, und die benötigen Platz. Bei elektrisch angetriebenen Maschinen haben die kleinsten Getriebe einen Durchmesser von etwa 0,1 Millimeter, das entspricht der Dicke eines Haares. Für viele Anwendungen in der Mikrofluidik oder in ,Lab-on-a-Chip‘-Systemen ist das viel zu dick. Dank des Lichtantriebs haben wir es geschafft, eine Größenordnung von etwa zehn Mikrometer zu erreichen, also ein Zehntel der Haardicke. Damit befinden wir uns in den Dimensionen von Bakterienzellen. Wir könnten mit so einem Getriebe winzige Dinge manipulieren.
Welche Vorteile hat der Lichtantrieb noch?
Licht ist genial. Wir können es fokussieren, genau steuern und die Intensität bestimmen. Wir können einzelne Regionen stärker beleuchten als andere. Somit können wir viele Mikrozahnräder gleichzeitig und unabhängig voneinander steuern. Das wäre mit anderen Methoden, die in dieser Größenordnung arbeiten, nicht möglich. Mit Magnetfeldern zum Beispiel könnte man alle Räder entweder nur gleichzeitig rotieren lassen oder alle ausschalten.
Haben Sie Pläne, das Getriebe zu nutzen?
Ja, wir haben ein neues Projekt gestartet. Dabei geht es darum, Mikroorganismen zu sortieren: Wir wollen mithilfe des Mikrogetriebes kranke und gesunde Bakterien voneinander trennen. Auch das ist Grundlagenforschung: Wir versuchen, die Grenzen des Machbaren zu verschieben und Möglichkeiten für künftige Anwendungen zu eröffnen.
Originalveröffentlichung:
Wang, G., Rey, M., Ciarlo, A. et al. (2025): Microscopic geared metamachines. Nat Commun 16, 7767; DOI: 10.1038/s41467-025-62869-6