„Die Anerkennung Palästinas hätte überwiegend symbolische Wirkung“
Frankreich, Großbritannien, Kanada und weitere Länder planen, Palästina als Staat anzuerkennen. Auch Deutschland könnte sich anschließen. Die möglichen politischen Folgen sind viel diskutiert worden, aber noch nicht absehbar. Welche konkreten rechtlichen Konsequenzen eine solche Anerkennung aus Sicht der Bundesregierung bedeuten würde, darüber sprach Brigitte Heeke mit dem Völkerrechtler Prof. Dr. Niels Petersen.
Meistens erfolgt die Anerkennung durch eine Erklärung des Staatsoberhaupts oder Regierungschefs oder durch eine formale diplomatische Note. Es gibt weder einen formalen Prozess der Anerkennung noch eine Regelung im internationalen Recht dafür. Das liegt auch daran, dass die Anerkennung keine konstitutive Bedeutung für die Existenz eines Staates als Staat hat. Aber symbolisch ist es oft von erheblicher Tragweite.
Wenn eine solche Anerkennung also ,nur‘ von symbolischer Bedeutung ist: Warum schlägt ein solcher Schritt dann so hohe Wellen?
Jugoslawien war ein Fall, an dem man deutlich sieht, dass die Anerkennung durch die Staaten der EU eine erhebliche symbolische Kraft entfaltete. Das erleichterte die Unabhängigkeit der Staaten des ehemaligen Jugoslawiens. Der letzte Fall einer nahezu universellen Anerkennung durch die Staatengemeinschaft war übrigens die des Südsudan im Jahr 2011.
Was passiert, wenn sich weitere dem Beispiel Frankreichs anschließen und Palästina anerkennen würden?
Das ist schwer zu sagen. Rechtlich würde sich unmittelbar nichts ändern. Wie es sich politisch auswirken würde, hängt von vielen Faktoren ab.
Gesetzt den Fall, Deutschland würde ebenfalls Palästina anerkennen: Welche Konsequenzen beziehungsweise Verpflichtungen würde sich dadurch für die Bundesrepublik ergeben?
Es wäre eine Möglichkeit, dass Deutschland nach einer Anerkennung einen Botschafter ernennt. Aber das ist nicht zwingend. Deutschland hat nicht in jedem Staat einen Botschafter, mit dem es diplomatische Beziehungen unterhält. Außerdem könnten Offizielle des Staates, beispielsweise der Präsident oder Regierungschef, als Staatsgäste in Deutschland empfangen werden, und es könnten internationale Abkommen geschlossen werden.
Gibt es konkrete Folgen für den Handel mit einem neuen Staat?
Handelspolitik ist grundsätzlich unabhängig von der formalen Anerkennung als Staat und liegt zudem in der Kompetenz der EU. Die EU betreibt Handel mit Territorien, die durch die Mitgliedstaaten nicht als Staat anerkannt werden, zum Beispiel Taiwan. Es gibt bereits ein Handelsabkommen zwischen der EU und der Palästinensischen Autonomiebehörde, das allerdings in seiner Reichweite beschränkt ist. Eine Anerkennung als Staat hätte also auch auf den Handel keine unmittelbaren Auswirkungen.
Prof. Dr. Niels Petersen hat seit Februar 2015 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht, Völker- und Europarecht sowie empirische Rechtsforschung an der Universität Münster inne.