„Außeneinsatz“ 2025, Teil 5: Kamera ab!
Er ist der Mann hinter der Kamera. Zumindest an normalen Arbeitstagen. Doch da Johannes Wulf sich dazu bereiterklärt hat, Protagonist eines „Außeneinsatzes“ zu sein, rückt der Video- und Fotograf zur Abwechslung selbst buchstäblich in den Fokus – und mit ihm die Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, die bewusst selten Gegenstand der eigenen Berichterstattung ist. Doch durch dieses selbstgewählte Schicksal müssen Johannes Wulf und ich als Autor nun durch.
Wir starten unseren Arbeitstag im Schloss, genauer im dritten Stock des Nordflügels. Nur wenige Flurmeter trennen unsere Büros. Johannes hat seine Ausrüstung für den anstehenden Termin zusammengepackt, er holt mich ab und zieht mich damit auf, dass ich noch vielbeschäftigt am Rechner sitze. Dann aber geht’s los, neben dem Schloss treffen wir Dr. Barbara Kolany-Raiser. Mit ihrem Auto fahren wir in die Scharnhorststraße, wo die Geschäftsstellenleiterin der Universitätsgesellschaft und Johannes mit Dr. Karen Siegel vom Institut für Politikwissenschaft verabredet sind. Johannes’ Auftrag: Er soll ein kurzes Video mit der Politologin, die jüngst den Förderpreis der Universitätsgesellschaft erhalten hat, drehen. Der Film soll für Sichtbarkeit der ab September startenden neuen Bewerbungsphase für den Förderpreis 2026 sorgen.
Barbara Kolany-Raiser und Johannes Wulf kommen technisch und inhaltlich bestens vorbereitet am Büro von Karen Siegel an. Sogleich zeigt Johannes Eigenschaften, die wichtig sind für seinen Job: Flexibilität und Pragmatismus. Karen Siegel weist fast entschuldigend darauf hin, dass ihr Büro recht klein sei. „Platz zum Filmen ist auch in der kleinsten Hütte“, antwortet Johannes und lacht. Der Platz ist also kein Problem, doch der Kameraprofi würde für das Interview, den Hauptteil des Films, gern einen anderen Hintergrund und mehr Licht nutzen. Auf dem Weg zu einem Seminarraum im vierten Stock, der über eine große Glasfront mit Blick auf den Aasee verfügt, diktiert Johannes Wulf mir in den Block: „Schreib das auf: ,Fotografie ist Altgriechisch und heißt ,Mit Licht zeichnen‘.“ Ich winke ab – das wusste ich bereits.
Der Seminarraum eignet sich hervorragend für das Interview. Auch Johannes zeigt sich zufrieden mit der Aussicht und den Lichtverhältnissen. „Das hat doch was“, unterstreicht er, sagt aber auch, dass gerade die Arbeit in den Sozial- und Geisteswissenschaften nicht immer einfach zu visualisieren sei. Danach macht er sich daran, die Technik vorzubereiten: ein Stativ, eine Kamera mit externem Monitor, ein Ansteckmikrofon, ein tragbares Licht und mehrere Akkus. Während Karen Siegel noch etwas besorgt, mache ich mich als Johannes’ Lichtdouble nützlich. Ich stelle mich vor die Kamera, sodass der beim Norddeutschen Rundfunk zum Videojournalisten ausgebildete Saarländer die Technik für das Interview einstellen kann. Währenddessen kann ich wiederum Johannes für diesen Text fotografieren – praktisch.
Als Karen Siegel mit dem Mikrofon ausgestattet ist und sie sich wegen der Spiegelung in der Kamera gegen ihre Brille entschieden hat, kann das Interview beginnen. Die Wissenschaftlerin betont jedoch zuvor, dass sie die Antworten auf die vorab erhaltenen Fragen nicht auswendig gelernt habe. Johannes beruhigt sie und nimmt den Druck raus. „Wer könnte die Fragen besser beantworten als Sie?!“ Und so startet Johannes Wulf das Interview und zeigt, dass er nicht allein die technischen Aspekte des Drehs verantwortet, sondern auch Redakteur ist, indem er das Gespräch führt, Fragen anpasst, erweitert oder spontan neue einbringt.
Rund 20 Minuten unterhalten sich die Expertin für südamerikanische Nachhaltigkeitspolitik und der 39-Jährige, der seit Mai 2024 in der Stabsstelle arbeitet. Er bittet die Wissenschaftlerin, sich vorzustellen, fragt nach ihren Forschungsschwerpunkten, der Auszeichnung durch die Universitätsgesellschaft, interessiert sich überhaupt für ihre Arbeit und was sie in Zukunft erforschen möchte. Dabei achtet er genau darauf, was vor ihm passiert. „Schon beim Filmen setze ich in meinem Kopf Schnittmarken. Wenn etwa die Stimme heruntergeht, weiß ich, dass ich an dieser Stelle gut mit einem anderen Bild ansetzen kann“, erklärt er während einer kurzen Unterbrechung. Geduldig, humorvoll und interessiert spricht er mit Karen Siegel, da er weiß, dass es herausfordernd sein kann, vor einer Kamera zu stehen. „Ich bin halb Animateur, halb Redakteur“, scherzt er. Im Gespräch dreht er unterdessen hin und wieder routiniert an einem Mikrofonregler, bittet die Interviewte, eine Antwort zu wiederholen und wechselt zwischendurch einen Akku.
Schnell und geübt geht alles vonstatten, Johannes Wulf nimmt verschiedene Perspektiven ein, gibt in einem freundlichen Ton Anweisungen, beispielsweise zu wem Karen Siegel sprechen oder worauf sie zeigen soll, und fasst am Ende zusammen, was er alles gefilmt hat. Das Paket ist geschnürt. Die Stimmung ist durchweg professionell, aber locker. Alle ziehen an einem Strang und freuen sich über die Kooperation. „Wir sind dankbar, dass Johannes uns unterstützt und dabei hilft, unsere Arbeit zu bewerben“, erklärt die heutige Auftraggeberin Barbara Kolany-Raiser, als es mit dem Auto zurück zum Schlossplatz geht.
Dabei bezieht er mich ein, erkundigt sich, was ich brauche und wie ich dieses oder jenes Motiv finde. Während wir Fotos machen, bereitet eine Kita-Mitarbeiterin das Mittagessen für die Kinder vor. Der Geruch von Nudeln, Gemüse und Keksen füllt den Eingangsbereich des Gebäudes. „Sie haben nicht zufällig zwei Portionen für zwei Erwachsene übrig?“, fragt Johannes die Mitarbeiterin im Spaß.
Aufs Essen haben wir aber dankend verzichtet, das Schloss ruft. Denn Johannes ist verständlicherweise nicht nur unterwegs in seinem Job, er muss die Außeneinsätze auch vor- und nachbereiten. Da das Video für die Universitätsgesellschaft noch etwas Zeit hat, macht sich Johannes daran, einen Werbefilm für den kommenden Hochschultag zu schneiden. Dafür bearbeitet er die Sequenzen, die er gedreht hat und sucht die passenden Soundeffekte aus einer Datenbank heraus– beispielsweise für die Passage, als ein Radfahrer vorbeifährt.
Zwischendurch hält er Rücksprache mit einer Mitarbeiterin in der Zentralen Studienberatung und sucht Fotos heraus, die er in den Film integrieren will. Dabei zitiert er den berühmten Kriegsfotografen Robert Capa: „If your pictures aren’t good enough, you aren’t close enough.“ Was das Zitat für Johannes bedeutet? „Der Kontext eines Bildes ist wichtig, aber man sollte sich trauen, nah an das Objekt heranzugehen.“ Mehr als zehn Jahre Erfahrung bringt er mit, hat als „One-Man-Show“ Reportagen für das Fernsehen produziert, war unter anderem nachts mit dem Hamburger Kältebus unterwegs oder begleitete eine inklusive Fußballmannschaft zu den Special Olympics.
Vor allem aus privaten Gründen hat es ihn im vergangenen Jahr ins Münsterland verschlagen, er schätzt vor allem die Vielfalt an der Uni. „Ich habe einen großen Gestaltungsspielraum. Das ist ein Privileg und sorgt dafür, dass mir mein Job Spaß macht“, unterstreicht er. Zu diesem Gestaltungsspielraum gehört es, Filme zu konzipieren, Drehpläne zu schreiben, die Fachbereiche und Einrichtungen der Uni zu beraten, Ausschreibungen zu begleiten und Regie zu führen, wenn externe Dienstleister vor allem bei großen Projekten beauftragt werden. Einen letzten Punkt diktiert mir Johannes noch in den Block, weil er ihm wichtig ist: „Diejenigen, die das Wissen erarbeiten und die Fakten kennen, sollten diese öffentlich präsentieren und verteidigen können gegen Angriffe derer, die es mit Tatsachen nicht so genau nehmen wollen. Deshalb engagiere ich mich auch beim Medientraining für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, das wir einmal im Semester anbieten.“ Er sei froh, die Forscherinnen und Forscher mit seinen Erfahrungen unterstützen zu können. Und deshalb macht er sich auch weiterhin daran, das Leben an der Universität bildlich festzuhalten und als Mann hinter der Kamera dafür zu sorgen, dass sich diejenigen Personen vor der Kamera wohlfühlen und von sich und ihrer Arbeit erzählen.
Autor: André Bednarz