
Neue Möglichkeiten für die Rastertunnelmikroskopie
Um zu verstehen, wie die elektronischen oder magnetischen Eigenschaften eines Materials mit der atomaren Struktur zusammenhängen, nutzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Rastertunnelmikroskopie. In der Regel sind sie damit auf die Untersuchung der obersten Atomlage eines Festkörpers beschränkt. Prof. Dr. Anika Schlenhoff und Postdoktorand Dr. Maciej Bazarnik vom Physikalischen Institut der Universität Münster ist es nun jedoch erstmals gelungen, mit einem veränderten Messverfahren strukturelle und magnetische Eigenschaften abzubilden, die unter der Oberfläche liegen. Das Team untersuchte eine ultra-dünne Schicht aus einem magnetischen Material (Eisen) unter einer zweidimensionalen Graphen-Schicht.
Bei der konventionellen Rastertunnelmikroskopie werden für das Messsignal (den „Tunnelstrom“, der zwischen Messspitze und Probe fließt) sogenannte elektronische Zustände auf der Probenoberfläche genutzt. Bei der resonanten Messvariante dagegen, die das Team einsetzte, werden Zustände untersucht, die sich vor der Oberfläche befinden. Scheinbar widersprüchlich, aber schon länger bekannt: Diese besonderen Zustände können genutzt werden, um einen elektronischen Ladungstransfer an verborgenen Grenzflächen im Inneren der Probe zu untersuchen. Wie sich jetzt zeigte, können sie auch helfen, die lokalen magnetischen Eigenschaften eines von Graphen bedeckten Eisenfilms zu detektieren. Der physikalische Grund hierfür ist, dass die vor der Oberfläche liegenden elektronischen Zustände unter das Graphen in die Probe bis zur magnetischen Eisenschicht eindringen und durch die Wechselwirkung mit dem Eisen selbst magnetisch werden.
Das Team zeigte auch, dass sich mit seiner Methode Informationen zur lokalen Lage der Schichten zueinander erhalten lassen. So variiert die Position der Kohlenstoffatome des Graphen zu den darunterliegenden Eisenatomen lokal – es gibt unterschiedliche Stapelfolgen. „Die Unterschiede in der vertikalen Stapelfolge konnten für dieses Materialsystem mit der konventionellen Rastertunnelmikroskopie bislang nicht aufgelöst werden“, betont Maciej Bazarnik. Wie sich nun herausstellte, hängen die Zustände vor der Oberfläche, die in der resonanten Rastertunnelmikroskopie genutzt werden, empfindlich von der Stapelfolge ab und erlauben so, diese Unterschiede sichtbar zu machen.
Originalveröffentlichung
Maciej Bazarnik, Anika Schlenhoff (2025): Image-Potential States on a 2D Gr–Ferromagnet Hybrid: Enhancing Spin and Stacking Sensing; ACS Nano (online first); DOI: 10.1021/acsnano.5c04475