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Münster (upm/ap).
Portraitfoto von Prof. Dr. Thorsten Quandt<address>© Nadine Daum</address>
Der Europäische Forschungsrat stellt Prof. Dr. Thorsten Quandt für seine Forschung rund 2,5 Millionen Euro zur Verfügung.
© Nadine Daum

EU-Forschungsrat zeichnet Thorsten Quandt mit Advanced Grant aus

Kommunikationswissenschaftler erhält 2,5 Millionen Euro für Erforschung toxischer Online-Welten

Der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Thorsten Quandt von der Universität Münster erhält einen mit 2,5 Millionen Euro dotierten „ERC Advanced Grant“ des Europäischen Forschungsrats (ERC). Mit dieser Förderung wird er in den kommenden fünf Jahren erforschen, wie bestimmte Online-Communities, die vornehmlich aus jungen Männern bestehen, zu gefährlichen Milieus werden. Insgesamt erhalten 281 Wissenschaftler einen der begehrten Advanced Grants, darunter 35 aus Deutschland - dafür lagen insgesamt rund 2500 Bewerbungen vor.

Die Online-Welt von Jugendlichen galt lange als Zufluchtsort für Fans digitaler Spiele, Science-Fiction- und Fantasy-Filmen oder Comics. Seit einiger Zeit lassen sich in diesen Sphären Radikalisierungsprozesse beobachten. Es entstehen „dunkle Communities“, die menschenverachtende Ideologien, Frauenfeindlichkeit und extremistische Ansichten verbreiten. Ein Beispiel ist die sexistische „Incel“-Bewegung, deren Vertreter sich als unfreiwillig zölibatär lebend betrachten (Involuntary Celibates) und daraus Hass auf Frauen entwickeln. „Wir möchten erforschen, wie solche toxischen Milieus im Internet entstehen. Welche Prozesse stecken dahinter, wer ist daran beteiligt, welche Rolle spielen gezielte Manipulationen von Dritten?“, umreißt Thorsten Quandt sein Forschungsvorhaben.

Gerade junge Männer, die zu Gewalttätern werden, würden oft als Einzelfälle betrachtet, was die Bedeutung der Gemeinschaften vernachlässige. „Bislang hat man vor allem auf die Spitze des Eisbergs geschaut, aber die viel alltäglicheren Erfahrungen junger Männer in solchen Umgebungen vernachlässigt.“ Ein weiteres Ziel sei es daher, Interventions- und Schutzstrategien zu entwickeln, um die digitale Sphäre wieder zu einem „besseren Ort“ zu machen – auch für die Communities selbst.

Mit dem Forschungsprojekt „DANCE – Dark Nerd Communities: A multi-method exploration of toxic degradation in the adolescent technosphere“ betritt Thorsten Quandt auch methodisch Neuland. Neben klassischen qualitativen und quantitativen Formen der Sozialforschung wie Beobachtungen von Live-Events und Umfragen kommen zusätzlich computergestützte Methoden, Experimente und Simulationsstudien zum Einsatz. „Diese Kombination ist bisher einzigartig. Wir erhoffen uns dadurch fundierte Einblicke in wenig erforschte Bereiche, zu denen es bislang nur einzelne anekdotische Berichte gibt“, betont der Experte.

Zur Person

Thorsten Quandt hat seit 2012 die Professur für Online-Kommunikation am Institut für Kommunikationswissenschaft der Universität Münster inne. Seit 2023 ist er Dekan des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Sozialwissenschaften. Für seine Forschung wurde er schon vielfach ausgezeichnet. 2010 erhielt er als erster Kommunikationswissenschaftler einen „Starting Grant“ des ERC für das Projekt „The social fabric of virtual life: A longitudinal multi-method study on the social foundations of online gaming“. Die International Communication Association ernannte ihn 2023 zum Fellow. In diese „kommunikationswissenschaftliche Hall of Fame“ werden nur die weltweit bedeutendsten Fachvertreterinnen und -vertreter aufgenommen.

ERC Grants

Mit „Advanced Grants“ fördert der Europäische Forschungsrat herausragende Forscherinnen und Forscher in allen Wissenschaftsbereichen. Auswahlkriterium ist deren wissenschaftliche Exzellenz, gepaart mit einem innovativen zukunftsweisenden Projekt. Weitere Förderlinien des ERC sind „Starting Grants“, „Proof of Concept Grants“ und „Synergy Grants“.

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