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Münster (upm/anb).
Die Grafik zeigt eine Pinnwand. An dieser sind verschiedene Zettel geheftet, die die Fragen und Ergebnisse einer Instagramumfrage zum Thema Studienzweifel enthalten.<address>© Grafik: Uni MS - Alice Büsch</address>
Mehrere Hundert Studierende nahmen an der Instagramumfrage der Universität Münster zu Studienzweifeln teil und gaben so Einblicke in ihre Erfahrungen mit dem komplexen Thema.
© Grafik: Uni MS - Alice Büsch

Im Zweifel nicht allein

Nicht wenige Studierende fragen sich, ob ihr Studium das Richtige für sie ist – doch es gibt Hilfe

Lern- oder Motivationsprobleme, Überforderung, schlechte Noten, finanzielle, familiäre oder soziale Schwierigkeiten, gesundheitliche Einschränkungen, ein fehlendes (berufliches) Ziel oder gar ein interessantes Jobangebot: Diese Auswahl an Gründen für Studienzweifel stammt von Studierenden, die für diesen Text an einer nichtrepräsentativen Instagramumfrage der Universität Münster teilgenommen haben. Sie decken sich mit umfassenderen Erhebungen, etwa durch das staatlich geförderte Projekt „Next Career“, das an zahlreichen NRW-Hochschulen wie der Universität Münster Studienzweifel und Studienausstiege enttabuisieren und Beratungsangebote ausbauen möchte.

Für Studienzweifel, von denen laut „Next Career“ 59 Prozent der 2019 exmatrikulierten Universitätsstudierenden betroffen waren, existiert bisher keine allgemeingültige Definition. Janna Rademacher, Beraterin im Career Service, verweist auf eine Erhebung von „Next Career“, in der Studienzweifel als „ernsthafte Erwägung, den Studiengang zu wechseln oder das Studium abzubrechen“ verstanden wird. Doch was bedeutet „ernsthaft“ und ab wann sind Zweifel problematisch? Laut Sebastian Gräfe, Mitarbeiter der Zentralen Studienberatung, ist hier die subjektive Wahrnehmung der betroffenen Person entscheidend. „Studienzweifel werden dann zum Problem, wenn sie von der oder dem Studierenden als belastend empfunden werden.“ Janna Rademacher ergänzt: „Ein Handlungsbedarf besteht zum Beispiel dann, wenn sich die Zweifel negativ auf die Studienzufriedenheit oder den Studienerfolg auswirken.“

Belastend wurden Studienzweifel auch für Maja* und Anne*, die anonym bleiben möchten. Maja studierte zunächst an einer anderen Universität Medizin, doch im zweiten Semester überkamen sie Bedenken. „Ich zweifelte daran, ob der Beruf, der auf das Studium folgen sollte, mich glücklich macht. Ich war auch nicht sicher, ob ich das Studium mit meiner psychischen Gesundheit, einer depressiven Episode, vereinbaren kann.“ Anne kamen ebenfalls Zweifel in der Studienanfangsphase. „Ich musste direkt im ersten Semester neun Klausuren schreiben. Dabei merkte ich, wie anstrengend ein Studium sein kann. Darum zweifelte ich daran, ob es sich lohnt, so viel Zeit zu investieren, und zu wissen, dass es noch Jahre dauern wird, bis ich den angestrebten Beruf würde ausüben können.“

Viele Studierende würden die Gründe für Schwierigkeiten meist nur bei sich suchen, meint Studienberater Sebastian Gräfe. „Sie fühlen sich, als würden sie etwas falsch machen und glauben, dass alle anderen es doch auch hinbekommen.“ Hieraus können Verzweiflung, Trauer, Wut, Scham und Schuldgefühlte resultieren, weiß Janna Rademacher. Neben den negativen Begleiterscheinungen von Studienzweifeln bieten diese aber auch Veränderungspotenzial. Die Beratungsprofis erachten es deshalb als essenziell, dass die Studierenden über ihre Situation reden und Perspektiven von außen zulassen, damit es nicht zum Stillstand kommt. „Eine der größten Stolperfallen ist, dass nichts geschieht – oft aus einer Angst heraus, zu scheitern oder nicht die eine perfekte Entscheidung zu treffen“, führt Sebastian Gräfe aus.

Anne und Maja haben ihre Studienzweifel inzwischen überwunden. So sprach Anne mit nahestehenden Personen, ist im Studium geblieben und konzentriert sich auf ihr Berufsziel: das Lehramt. „Ich bin glücklich, studieren zu dürfen, und auf meinen Traum hinarbeiten zu können, auch wenn es manchmal schwierig ist.“

Maja hingegen gab ihr Medizinstudium auf, wechselte an die Uni Münster und tritt nach erfolgreichem Bachelor schon bald ihren Master an. „Ich habe mir klargemacht, dass ich nicht dazu gezwungen werde, mein Studium weiterzuführen“, erklärt die heutige Lehramtsstudentin. Als besonders hilfreich habe sie empfunden, dass niemand aus ihrem Umfeld die Zweifel und den Fachwechsel zu einer großen Sache gemacht habe.

Allein über seine Gedanken sprechen zu können, wirkt entlastend, sind sich Sebastian Gräfe und Janna Rademacher einig. Eine Entscheidung – egal ob Abbruch, Wechsel oder Verbleib – trage in der Regel zur Verbesserung des Wohlbefindens bei. In der Beratung werden Studierende darum offen, wertschätzend und vorurteilsfrei unterstützt, es geht darum, gemeinsam Lösungswege zu finden.

Anne und Maja sind froh, sich mit ihren Studienzweifeln konstruktiv auseinandergesetzt zu haben. Maja habe sich intensiv mit ihrer Situation beschäftigt, sei inzwischen sehr viel netter zu sich und mit ihren Entscheidungen weitestgehend im Reinen. Anne unterstreicht: „Ich verstehe mein früheres Ich und auch, dass ich Zweifel hatte, bin aber froh, sie überwunden zu haben und doch im Studium geblieben zu sein.“ Und wenn es anders gekommen wäre? „Man sollte sich niemals unter Druck setzen und vor allem keine Angst vor etwas Neuem haben“, rät sie allen Betroffenen.

Autor: André Bednarz

* Namen von der Redaktion geändert

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 2. April 2025.

 

Ein ausführliches Interview zum Thema mit Janna Rademacher und Sebastian Gräfe finden Sie online.

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