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Münster (upm/ch).
Prof. Dr. Alfons Khoukaz vor einem „Jet-Target“ der AG Khoukaz. Es hat für das im MAGIX-Experiment eingesetzte Jet-Target Pate gestanden.<address>© AG Khoukaz - Daniel Bonaventura</address>
Prof. Dr. Alfons Khoukaz vor einem „Jet-Target“ der AG Khoukaz. Es hat für das im MAGIX-Experiment eingesetzte Jet-Target Pate gestanden.
© AG Khoukaz - Daniel Bonaventura

„Wir werden geringste Abweichungen messen“

Alfons Khoukaz und seine Arbeitsgruppe wollen am Teilchenbeschleuniger MESA künftig Rätsel der Teilchenphysik lösen

An der Johannes Gutenberg-Universität Mainz wird derzeit der neue Teilchenbeschleuniger MESA („Mainz Energy-recovering Superconducting Accelerator“) gebaut. Im Sonderforschungsbereich „Hadronen und Kerne als Entdeckungsinstrumente“ bringt der Teilchenphysiker Prof. Dr. Alfons Khoukaz von der Universität Münster seine Expertise ein. Im Interview mit Christina Hoppenbrock erklärt er, was das Besondere an MESA ist und welchen Beitrag seine Arbeitsgruppe leistet.

 

Von MESA erwarten die beteiligten Forscherinnen und Forscher neue Erkenntnisse zur Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik. Was bedeutet das?

Das Standardmodell beschreibt die uns bekannten Elementarteilchen, zum Beispiel die Quarks, aus denen die sichtbare Materie aufgebaut ist, sowie die Austauschteilchen, über die die drei auf subatomarer Ebene relevanten Wechselwirkungen vermittelt werden. Zusätzlich wird das Higgs-Teilchen beschrieben, das den Elementarteilchen ihre Masse verleiht. Trotz des großen Erfolges des Standardmodells gibt es deutliche Hinweise darauf, dass es noch unvollständig ist. So weisen Beobachtungen auf die Existenz von dunkler Materie hin, über die wir heute immer noch kaum etwas wissen und die nicht von diesem Modell beschrieben wird. An MESA werden daher unter anderem Präzisionsexperimente durchgeführt werden. Wir werden geringste Abweichungen von den Vorhersagen des Standardmodells messen können, um so die Natur dieser Physik jenseits davon offenzulegen.

Es gibt andere, große Teilchenbeschleuniger. Warum benötigt man einen weiteren?

MESA ist ein besonderer Elektronenbeschleuniger speziell für niedrige Energien, der weltweit erstmalig eine supraleitende, energierückgewinnende Technik für verschiedene Präzisionsexperimente einsetzen wird. Dadurch wird er die für die Experimente benötigten extrem hohen Strahlintensitäten zur Verfügung stellen können und gleichzeitig sehr energiesparend arbeiten. In diesem Betriebsmodus wird eine sogenannte Luminosität, also Teilchenbegegnungen pro Fläche und Zeit, erreichbar sein, die sogar größer ist als die im Large Hadron Collider am Forschungszentrum CERN.

Was erhoffen Sie sich von MESA?

Meine Arbeitsgruppe konzentriert sich aktuell auf das sogenannte Protonenradius-Rätsel, das mit dem MAGIX-Experiment gelöst werden soll. Der Radius des Protons ist eine fundamentale Größe, die durch die Quarkstruktur verursacht wird. Für diesen Wert gibt es jedoch kontroverse Messergebnisse. Daher sollen neue und hochpräzise Daten zur Vermessung des elektrischen und magnetischen Protonenradius gewonnen werden. Darüber hinaus werden wir uns an astrophysikalischen Messungen beteiligen, die für das Verständnis der Elemententstehung in den Sternen wichtig sind.

Sie haben mit Ihrer Gruppe ein kryogenes, also bei extrem niedrigen Temperaturen arbeitendes „Jet-Target“ entwickelt. Was ist das?

Das Gerät ist das Herzstück des MAGIX-Experiments. Es erzeugt im Vakuum einen überschallschnellen Molekül- beziehungsweise Atom-Strahl, auf den der hochintensive MESA-Elektronenstrahl geschossen wird. Hierzu wird das auf kryogene Temperaturen heruntergekühlte Target-Gas durch feine Düsen geschickt, die unsere Gruppe anfertigt. Das Besondere an diesem Jet-Target ist die lokal hohe und kontinuierlich einstellbare Dichte am Wechselwirkungspunkt mit dem Elektronenstrahl. Dadurch können wir auch extrem seltene Reaktionsprozesse präzise untersuchen.

Was bedeutet diese Beteiligung für Sie und Ihre Gruppe?

Uns erwartet eine extrem spannende Zeit, in der wir am Aufbau der neuen Experimente mitarbeiten und die Inbetriebnahme von MESA miterleben dürfen. Das Besondere am MAGIX-Experiment ist, dass es nicht nur für eine spezielle Messung entwickelt wurde, sondern dass eine breite Palette an Fragen bearbeitet werden kann. Unsere Studierenden können neue Ideen einbringen und sowohl an der Experimentvorbereitung als auch an den eigentlichen Messungen und Datenauswertungen teilnehmen.

Wann soll MESA in Betrieb gehen?

MESA wird in mehreren Etappen in Betrieb gehen: In der Startphase wird MESA voraussichtlich Ende 2025 einen Elektronenstrahl mit reduzierter Energie für erste Experimente zur Verfügung stellen. Etwa vier Jahre später wird MESA vollständig einsatzbereit sein und über den wichtigen Energierückgewinnungs-Modus für hochintensive Elektronenstrahlen verfügen.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 29. Januar 2025.

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