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Münster (upm/ch).
Prof. Dr. Christopher Deninger ist Experte für arithmetische Geometrie.<address>© Uni Münster - Victoria Liesche</address>
Prof. Dr. Christopher Deninger ist Experte für arithmetische Geometrie.
© Uni Münster - Victoria Liesche

„Die Mathematik half mir gegen die Langeweile“

Christopher Deninger liebt sein Fach und organisiert in seiner Freizeit Metal-Konzerte

Eines vorweg: Prof. Dr. Christopher Deninger ist zwar in diesem Jahr 65 Jahre alt geworden. Der Mathematiker wird der Universität aber als Seniorprofessor erhalten bleiben, bis er 70 ist. Mindestens. „Am liebsten würde ich bis ins hohe Alter weiterarbeiten und dann irgendwann dabei einfach tot umfallen. Hinter geschlossener Bürotür, damit sich niemand erschreckt“, ergänzt er lachend.

Christopher Deninger lacht oft – mit blitzenden Augen. Mathematikprofessor ist sein Traumberuf. Die Arbeit mit Kolleginnen und Kollegen und natürlich die Mathematik, die Schönheit der Abstraktion, all das gefällt ihm. Der Experte für arithmetische Geometrie ist vor allem auch von den Studierenden begeistert. „Jedes Wintersemester kommt neue Energie in den Fachbereich. Die jungen Leute sind fantastisch – es ist toll zu sehen, wie sie ihr Fach für sich entdecken, Widerstände überwinden und nach einiger Zeit fachlich zu Gesprächspartnern werden“, beschreibt er. An seinem Beruf mag er nur eines nicht: die Verwaltungsarbeiten, die das Professorendasein mit sich bringt. Das Organisieren liegt ihm allerdings.

Apropos gutes Organisieren: Diese Fähigkeit benötigt Christopher Deninger auch, wenn er Metal-Konzerte veranstaltet. Der Mathematiker mit dem lockigen, dunklen Haarschopf, der mit Vorliebe schwarze Jeans und Band-T-Shirts trägt, ist in Münster vielen Menschen jenseits der Mathe-Welt ein Begriff, weil er seit 2012 Konzerte organisiert: zunächst im Mathe-Hörsaal, später auch in Clubs – und seit 2015 jährlich, mit Ausnahme der Coronapause, vor dem Schloss in Münster das kostenlose Open-Air-Konzert „Das Schloss rockt“. Eine seiner Lieblingsbands war die Symphonic-Metal-Band „Nightwish“ in früherer Besetzung mit der Sopranistin Tarja Turunen als Frontfrau. Als die Band sich 2005 von der Sängerin trennte, suchte er Vergleichbares – eine Metal-Band mit starker Frontstimme. So entdeckte er die rumänische Band „The Hourglass“ mit Sopransängerin Alma, für die er nach dem Auftakt 2012 noch weitere Auftritte in Deutschland organisierte. Auch viele andere Nachwuchsbands förderte er bereits auf diese Weise.

Christopher Deninger ist verheiratet und Vater zweier erwachsener Kinder. Als Schüler lötete er Radios zusammen und hatte den Ehrgeiz, die Physik hinter der Technik zu verstehen. Dafür wiederum benötigte er die Mathematik. Er schnappte sich alte Lehrbücher aus dem Regal seines Vaters – ein promovierter Chemiker – und merkte schnell, wie leicht es ihm fiel, die mathematischen Formeln zu verstehen. Später studierte er Mathematik an der Universität Köln und promovierte dort im Alter von nur 23 Jahren. Er habilitierte sich an der Universität Regensburg bei dem Zahlentheoretiker Prof. Dr. Jürgen Neukirch. 1989 folgte der Ruf an die Universität Münster.

1992 erhielt Christopher Deninger den „Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft, den wichtigsten Forschungsförderpreis in Deutschland. 2003 erfolgte seine Aufnahme in die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Er war als Sprecher maßgeblich daran beteiligt, 1998 den Sonderforschungsbereich (SFB) 478 in der Mathematik an die Universität Münster zu holen – der aktuell laufende SFB 1442 „Geometrie: Deformationen und Rigidität“ ist bereits der dritte SFB. Auch der Exzellenzcluster „Mathematik Münster“ trägt unter anderem seine Handschrift: Christopher Deninger ist gemeinsam mit Prof. Dr. Mario Ohlberger Sprecher des Clusters, der Anfang 2019 seine Arbeit aufnahm.

Seine Liebe zur Mathematik entdeckte Christopher Deninger mit etwa zwölf Jahren in seiner „zweiten Heimat“ Tokio. Damals hatte sein Vater eine Stelle in Japan angenommen und die Familie war für vier Jahre von Krefeld in die japanische Hauptstadt gezogen. Beim Wechsel an die Deutsche Schule Tokyo musste er ein Jahr euklidische Geometrie nachlernen, was er an einem Tag tat. Dabei fiel ihm auf, dass er mühelos mithalten konnte. Ihm fiel die Mathematik so leicht, dass er in der zehnten Klasse Mathe-Nachhilfe für Abiturienten gab. „Mein Problem war, dass ich mich so leicht langweile. Dadurch, dass ich die Mathematik für mich entdeckte, habe ich dieses Problem gelöst. Das war eine riesige Erleichterung“, erinnert sich Christopher Deninger.

Sonntags findet er die Zeit, Fußball zu spielen – rein hobbymäßig auf der Sentruper Höhe in Münster. Wegen eines Armbruchs musste er zwar eine Weile pausieren. Bald soll es aber mit seiner alten Mannschaft weitergehen. Dort coacht Ousseni Labo, ehemaliger Nationalspieler aus Togo, das Team. Christopher Deninger fasst es so zusammen: „Bei uns am Fachbereich helfe ich, Menschen zu qualifizieren. Auf dem Fußballplatz ist es umgekehrt.“

Autorin: Christina Hoppenbrock

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 6, 4. Oktober 2023.

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