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Münster (upm/kn).
Jan Philipp Thomeczek<address>© WWU - Kathrin Nolte</address>
Jan Philipp Thomeczek
© WWU - Kathrin Nolte

In der Opposition sind linkspopulistische Parteien radikaler

Politikwissenschaftler analysiert erstmals die politische Kommunikation der Partei „Die Linke“ auf Landesebene

Wer regiert, kommuniziert gemäßigter – wer in der Opposition sitzt, äußert sich radikaler. Die These haben Wissenschaftler bislang hauptsächlich für rechtspopulistische Parteien analysiert. Jan Philipp Thomeczek vom Institut für Politikwissenschaft an der Universität Münster kommt zu dem Schluss, dass dieses Prinzip auch für die linkspopulistische Partei „Die Linke“ gilt. In seiner Studie untersuchte er die Facebook-Kommunikation der Partei in den Landesverbänden der 16 Bundesländer und wertete erstmals die Verwendung von linkspopulistischen Äußerungen aus.

Die Analyse zeigt, dass der niedersächsische Landesverband, der bislang über keine Regierungserfahrung verfügt, mit knapp zwölf Prozent in seinen Facebook-Beiträgen bundesweit am häufigsten populistische Rhetorikelemente nutzt. Das sind etwa viermal mehr als der Landesverband aus Thüringen, der seit 2014 mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt und mit weniger als drei Prozent die wenigsten Populismus-Begriffe in seiner Kommunikation verwendet. Unter populistischer Kommunikation werden eine verallgemeinerte Ansprache einer mehrheitlichen Wir-Gruppe wie Durchschnittsbürger und eine Pauschalkritik am Establishment wie der ökonomischen Elite verstanden. Der Landesverband Hessen veröffentlichte zum Beispiel folgende Äußerung: „Weniger für die Konzerne, Banken & Superreichen heißt mehr für die Mehrheit von uns! Mehr für die Mehrheit!“ In diesem Fall stelle man die ökonomische Elite der Bevölkerungsmehrheit gegenüber, führt Jan Philipp Thomeczek aus.

In der Opposition sind linkspopulistische Parteien radikaler<address>© Die Linke</address>
In der Opposition sind linkspopulistische Parteien radikaler
© Die Linke
„Die unterschiedlichen Partei-Positionen haben einen erheblichen Einfluss auf den Grad populistischer Kommunikation“, betont Jan Philipp Thomeczek. Außerdem wird deutlich, wie stark ,Die Linke‘ fragmentiert sei, erläutert der Politikwissenschaftler. „Es gibt immer wieder Gerüchte um Abspaltungen. Meine Ergebnisse zeigen, wo die Trennlinien zwischen gemäßigten und radikalen Verbänden verlaufen.“ Darüber hinaus seien Ost-West-Unterschiede erkennbar: Die Verbände im Osten der Republik verfolgen im Vergleich zum Westen eine gemäßigtere Kommunikationsstrategie. „Es gibt aber auch spannende Fälle dazwischen: In Sachsen, wo ‚Die Linke‘ noch nie regiert hat, tritt sie populistischer auf. In Bremen, wo sie seit 2019 erstmals in Westdeutschland mitregiert, weniger populistisch“, betont Jan Philipp Thomeczek.

In seiner Studie analysierte Jan Philipp Thomeczek die Facebook-Posts der Landesverbände der Linken von 2017 bis 2021 und wertete mithilfe einer automatisierten Methode die Anzahl populistischer Begriffe aus. Dabei arbeitete er mit einem Ansatz, der sowohl auf den Links- als auch auf den Rechtspopulismus übertragbar ist. „Obwohl die Forschung aufzeigt, wie gefährlich Populismus für die liberale Demokratie sein kann, werfen meine Ergebnisse die Frage auf, ob gemäßigte Landesverbände wie ‚Die Linke‘ in Thüringen überhaupt noch als populistisch bezeichnet werden können“, bilanziert Jan Philipp Thomeczek. Andererseits seien die radikalsten Landesverbände wie in Niedersachsen auch am deutlichsten von einer Regierungsteilnahme entfernt.

Publikation

Die Ergebnisse der Studie „Moderate in power, populist in opposition? Die Linke’s populist communication in the German states“ wurden vor Kurzem in der Fachzeitschrift „Journal of Political Ideologies“ unter https://doi.org/10.1080/13569317.2023.2196516 veröffentlicht.

 

Autorin: Kathrin Nolte

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, 3. Mai 2023.

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