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Münster (upm/ch).
Schaben haben keinen guten Ruf. Dabei sind nur wenige der mehr als 4000 Schabenarten auf der Welt Schädlinge.<address>© Erik Karits auf Unsplash</address>
Schaben haben keinen guten Ruf. Dabei sind nur wenige der mehr als 4000 Schabenarten auf der Welt Schädlinge.
© Erik Karits auf Unsplash

„Nur wenige dieser Arten sind Schädlinge“

Ein Team der WWU richtet die erste Tagung zu Schaben und Termiten aus / Biologe Mark Harrison gibt Einblicke in die Forschung

Es ist eine Premiere: Vom 3. bis 4. April findet im Schloss der WWU Münster die erste „Internationale Konferenz für Blattodea-Forschung“ statt – zur Insektenordnung „Blattodea“ zählen Schaben und Termiten. Die etwa 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Europa und anderen Teilen der Welt wie Japan, USA und Südafrika kommen aus verschiedenen Fachdisziplinen und erforschen beispielsweise Fragen zur Evolution, Sozialität und Ökologie der Blattodea. Dr. Mark Harrison aus der Arbeitsgruppe Molekulare Evolution und Bioinformatik am Fachbereich Biologie der WWU Münster hat die Tagung mit initiiert und organisiert. Er erklärt im Interview mit Christina Hoppenbrock, warum Schaben und Termiten so spannend sind und was er sich von der Tagung, die auch virtuell besucht werden kann, erhofft.

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, eine Konferenz über Schaben und Termiten auszurichten? Gibt es solche Tagungen nicht längst?

Nein. Meines Wissens hat es bislang keine internationalen Konferenzen zur Ordnung der Blattodea gegeben. Sicherlich hat es einige Treffen entweder zu Termiten oder zu Schaben gegeben. Wir dachten aber, es wäre eine inspirierende und sehr hilfreiche Erfahrung, all diese Forscher zusammenzubringen, damit wir unsere Bemühungen koordinieren und Ressourcen, Fähigkeiten und Wissen austauschen können. So können wir mehr über diese faszinierende Insektengruppe erfahren.

Mit Termiten verbinden Laien spektakuläre Hügelbauten in Afrika und Australien. Auf der anderen Seite gelten einige Schabenarten und holzfressende Termiten als Schädlinge …

Ja, vor allem Schaben haben keinen guten Ruf. Es ist daher schwierig, außerhalb der Biologie Interesse für unsere Arbeit zu wecken. Allerdings erhält die Forschung zu den Schädlingsarten größere Aufmerksamkeit und damit auch finanzielle Unterstützung; sie kann zur Verbesserung der menschlichen Gesundheit und des Wohlstands beitragen. Für mich sind Schaben und Termiten jedoch faszinierend, weil sie so unglaublich vielfältig sind. Es gibt mehr als 4000 Schaben- und etwa 3000 Termitenarten, die weltweit verbreitet sind und in allen Ökosystemen außer im Meer vorkommen. Nur wenige dieser Arten sind Schädlinge.

Dr. Mark Harrison ist einer der Initiatoren der Tagung.<address>© privat</address>
Dr. Mark Harrison ist einer der Initiatoren der Tagung.
© privat
Was interessiert Sie an Schaben und Termiten besonders?

In meiner Arbeitsgruppe möchten wir die Evolution komplexer Merkmale verstehen. Dabei setzen wir eine Kombination von verschiedenen Instrumenten ein. Dazu gehört die vergleichende Genomik, also der Vergleich des gesamten Erbguts verschiedener Organismen, und die Transkriptomik, also der Vergleich der in RNA umgeschriebenen ‚aktiven‘ Gene.

Für mich ist die Evolution der sogenannten Eusozialität besonders spannend. Diese ausgeprägte Form des Sozialverhaltens kommt bei staatenbildenden Hautflüglern vor – zum Beispiel bei Ameisen und Honigbienen. Unabhängig davon ist sie aber auch bei den mit den Hautflüglern nicht näher verwandten Termiten entstanden. Das ist ein bemerkenswerter Fall von konvergenter Evolution. Die Genome werden uns helfen, besser zu verstehen, wie die Eusozialität entstand. Zu den anderen Merkmalen, die wir bei den Blattodea untersuchen, gehören das Fressen von Holz und die Lebendgeburt – die sogenannte Viviparie. Ersteres hat sich innerhalb der Blattodea mehrfach entwickelt, nicht nur bei den Termiten. Die Lebendgeburt dagegen ist nur bei einer Schabenart bekannt: bei der Pazifischen Käferschabe.

Welche Entdeckung im Bereich der Blattodea-Forschung war aus Ihrer Sicht in den vergangenen Jahren besonders spannend?

Ich denke insbesondere an die stammesgeschichtliche Einordnung der Termiten innerhalb der Blattodea. Schaben und Termiten wurden früher als zwei unabhängig voneinander entstandene Gruppen behandelt. Jetzt ist jedoch klar, dass Termiten soziale Schaben sind.

Gibt es aktuelle Trends in der Blattodea-Forschung?

Wir und andere Gruppen sequenzieren und analysieren die Genome von Schaben und Termiten dank neuer, erschwinglicher Sequenzierungstechnologien in einer Qualität, die bisher nicht möglich war. Ich bin überzeugt, dass diese neuen Daten es uns ermöglichen werden, den evolutionären Erfolg und die Vielfalt der Blattodea besser zu verstehen.

Wie geht es weiter – planen Sie schon die nächste Tagung?

Dies ist die erste ICBR. Doch wir erwarten und hoffen, dass es die erste von vielen sein wird. Während der Konferenz halten wir eine Generalversammlung mit allen Teilnehmern ab, um die Gründung einer Blattodea-Gesellschaft zu diskutieren und über den Veranstaltungsort der nächsten ICBR zu entscheiden.

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