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Münster (upm).
NRW-Kulturministerin Christine Teusch erklärte sich in ihrem Schreiben vom 22. März 1948 mit der Trennung einverstanden.<address>© Universitätsarchiv, Bestand 62, Nr. 318</address>
NRW-Kulturministerin Christine Teusch erklärte sich in ihrem Schreiben vom 22. März 1948 mit der Trennung einverstanden.
© Universitätsarchiv, Bestand 62, Nr. 318

Vor 75 Jahren erfolgte die Teilung der Philosophischen Fakultät

Ein gespaltenes Meinungsbild

Es klingt verwegen, sich vorzustellen, dass die geisteswissenschaftlichen und die naturwissenschaftlichen Fächer heute zu einem Fachbereich oder einer Fakultät gehören könnten. Doch genau dies war einst der Fall. Die Mathematik und die Naturwissenschaften waren an den meisten Universitäten bis ins 20. Jahrhundert Teil einer Philosophischen Fakultät. Die Abspaltung zu einer eigenen Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät erfolgte beispielsweise in den 1920er-Jahren an den Universitäten Göttingen und Erlangen, 1936 an der Universität Bonn oder 1955 an der Universität zu Köln. In Münster sah bereits die Universitätssatzung von 1929 die Möglichkeit vor, eine Teilung der Philosophischen Fakultät vorzunehmen. Tatsächlich erfolgte dieser Schritt aber erst vergleichsweise spät im Jahr 1948.

Vorausgegangen waren intensive Diskussionen und ein gespaltenes Meinungsbild innerhalb der Professorenschaft der Philosophischen Fakultät. Schon in den Jahren vor der Abspaltung war eine Kommission eingesetzt worden, um die Fakultätssatzung zu überarbeiten und Regelungen eines gedeihlichen Miteinanders von Geisteswissenschaftlern und Naturwissenschaftlern festzulegen. Probleme gab es durch die Vakanz von Lehrstühlen, die dazu führen konnte, dass Abstimmungsergebnisse nicht mehr dem Proporz von geistes- und naturwissenschaftlichen Lehrstühlen entsprachen.

Am 11. Juli 1947 entzündete sich in der Fakultätssitzung anlässlich der Dekanewahl eine Kontroverse darüber, ob es rechtens war, dass sich die Geisteswissenschaftler vorab im internen Kreis getroffen hatten, um sich über ihr Wahlverhalten abzusprechen. Diese Frage wurde letztendlich bejaht. Nach dieser Sitzung erreichte den Dekan am 15. Juli 1947 ein Antrag eines Zusammenschlusses etlicher Natur- und weniger Geisteswissenschaftler mit Vorschlägen, wie mit den Differenzen umzugehen sei. Sie liefen darauf hinaus, einem geisteswissenschaftlichen Dekan einen naturwissenschaftlichen Prodekan und umgekehrt zuzuordnen, die Fakultät strikt in zwei Abteilungen zu ordnen und Abstimmungen – je nach Thema – abteilungsweise vorzunehmen. Die Unterzeichner betonten ausdrücklich, dass sie eine Spaltung der Fakultät ablehnten. Spätere Besprechungen und Verhandlungen brachten jedoch ans Licht, dass die Vorschläge keine Mehrheit finden würden. Vielmehr hatte sich das Meinungsbild hin zu einer Teilung der Fakultät gewandelt.

Am 12. Februar 1948 kam es schließlich zur Abstimmung. Von den 31 Fakultätsmitgliedern sprachen sich 22 für eine Teilung der Fakultät aus, sieben waren dagegen, und zwei enthielten sich. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für die Spaltung war damit erreicht. Da die Abstimmung in geheimer Wahl ablief, ist nicht mehr feststellbar, welcher Professor wie votiert hat. Die Teilung der Philosophischen Fakultät musste nach den Bestimmungen der immer noch gültigen Universitätssatzung von 1929 vom zuständigen Minister genehmigt werden. Die Fakultät wandte sich daher am 28. Februar 1948 über den Rektor an die nordrhein-westfälische Kultusministerin Christine Teusch, die sich kurz darauf einverstanden erklärte.

Am 3. Mai 1948 teilte die Fakultät dem Kultusministerium mit, dass die Teilung in der Sitzung der Gesamtfakultät am 30. April 1948 vollzogen worden war. Dekan der Philosophischen Fakultät blieb der Historiker und bisherige Amtsinhaber Herbert Grundmann. Zum Dekan der neuen Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät wurde der Physiker Adolf Kratzer gewählt. Eine Feier zur Gründung der neuen Fakultät ist in den Quellen nicht überliefert.

Autorin Dr. Sabine Happ leitet das Universitätsarchiv der WWU Münster.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 2, 29. März 2023.

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