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Münster (upm/kk).
Prof. Dr. Benjamin Bomfleur (r.) und Dr. Phillip Jardine besprechen ihre Proben im Labor.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Prof. Dr. Benjamin Bomfleur (r.) und Dr. Phillip Jardine besprechen ihre Proben im Labor.
© WWU - Peter Leßmann

Verlust der Ozonschicht führte zum Massenaussterben

Paläobotaniker analysieren 252 Millionen Jahre alte Pflanzenfossilien

Vor 252 Millionen Jahren ereignete sich das bisher größte Massenaussterben der Erdgeschichte: Drei Viertel der Landlebewesen und bis zu 95 Prozent der im Wasser lebenden Tierarten verschwanden innerhalb weniger Tausend Jahre. Dieses einschneidende Ereignis am Ende des Perm markierte den Übergang in ein neues Zeitalter – nämlich das der Dinosaurier. Das katastrophale Ausmaß des Massenaussterbeereignisses im Meer ist bereits lange bekannt und gut dokumentiert. „Inwieweit das Leben auf dem Festland von diesem Ereignis betroffen war, ist weitaus weniger erforscht“, sagt Prof. Dr. Benjamin Bomfleur.

Mit seinen Kolleginnen und Kollegen am Institut für Geologie und Paläontologie der WWU kam das Team nun einen entscheidenden Schritt weiter: Das Aussterben fällt mit massivem Vulkanismus im heutigen Sibirien zeitlich zusammen, der so gewaltig war, dass er die Zusammensetzung der Erdatmosphäre und damit die globale Klimaentwicklung langfristig veränderte. „Unsere Untersuchung liefert einen deutlichen Beleg für einen konkreten Mechanismus, den Verlust der Ozonschicht, der die damalige weltweite Biodiversitätskrise auf den Festländern während des Ereignisses erklären kann“, betont Dr. Phillip Jardine.

Um diese Zusammenhänge zu verstehen, untersuchte das Team aus Münster mit internationalen Kollegen das Qubu-Profil, eine Region im Süden Tibets etwa 30 Kilometer nördlich des Mount Everest. Dort befinden sich Gesteinsabfolgen, die diesen erdgeschichtlichen Zeitraum hochaufgelöst abdecken. „Fossilien sowohl mariner wie auch festländischer Organismen sind dort Schicht für Schicht gut erhalten. Bislang wurden hauptsächlich die Tierfossilien untersucht, während die Pflanzenfossilien – vor allem die massenhaft im Sedimentgestein vorkommenden fossilen Pollen und Sporen – nur unzureichend erforscht wurden“, erzählt Benjamin Bomfleur.

Aus einer Abfolge von Gesteinsproben, die den Zeitabschnitt des Aussterbeereignisses umfasst, haben die Wissenschaftler Pollenkörner einer Pflanzengruppe ausgelesen. Mittels Infrarot-Spektrometrie konnten sie die Zusammensetzung der Pollenwände ermitteln. „Die Analyse zeigte einen schlagartigen Anstieg an UV-B-absorbierenden Bestandteilen, der genau mit dem Höhepunkt vulkanischer Aktivität zusammenfällt. Man könnte auch sagen, dass die Pflanzen aufgrund der zerstörten Ozonschicht ihren eigenen Sonnenschutz entwickelten. Dadurch erzielten sie eine Widerstandsfähigkeit ihrer strahlungsanfälligen Pollenkörner gegenüber ultravioletter Strahlung“, ordnet Phillip Jardine die Ergebnisse ein.

Im aktuellen Kontext drängt sich vor allem ein Vergleich zur einst drohenden Ozonkatastrophe des vorigen Jahrhunderts auf. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über die ozonschädigenden Effekte der Halogenkohlenwasserstoffe hat mit der Unterzeichnung des „Montreal-Protokolls“ 1987 für deren Bann und für die Regeneration der Ozonschicht gesorgt. „Wären damals nicht die nötigen Schritte zur Vermeidung eines weiteren Ozonverlusts umgesetzt worden, wäre die Erde auf absehbare Zeit wohl erneut von einem katastrophalen Kollaps der schützenden Ozonschicht betroffen gewesen – vielleicht vergleichbar mit dem von vor 252 Millionen Jahren, den wir in dieser Arbeit nachweisen konnten“, fasst Benjamin Bomfleur zusammen. Die Studienergebnisse wurden vor Kurzem in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlicht.

Autorin: Kathrin Kottke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 1, 2. Februar 2023.

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