|
Münster (upm/kk).
Eine der bekanntesten Kryptowährungen ist der Bitcoin, der weltweit auf 21 Millionen Stück limitiert ist.<address>© WWU - Designservice</address>
Eine der bekanntesten Kryptowährungen ist der Bitcoin, der weltweit auf 21 Millionen Stück limitiert ist.
© WWU - Designservice

Kryptowährungen: Turbulente Berg- und Talfahrt

Einordnung des digitalen Zahlungsmittels: Was können Bitcoin und Co. und wo lauern Gefahren?

Die einen hypen sie, die anderen verachten sie, und die meisten wissen gar nicht, was sich hinter ihr verbirgt: die Kryptowährung. Das digitale Zahlungsmittel basiert auf einem komplexen und hochtechnologisierten Verschlüsselungsverfahren, der sogenannten Blockchain. Kaum ein Tag vergeht, ohne dass Tageszeitungen, Fachmagazine oder soziale Medien über das dezentrale Zahlungssystem berichten – wobei die Schlagzeilen ein kontroverses Bild zeichnen. Sie variieren von „EZB-Vorstandsmitglied bezeichnet Krypto-Assets als gefährliches Kartenhaus“ bis „Neue Hartwährung? Bitcoins sind digitales Gold“.

Grundidee der Kryptowährung war und ist es, ein Zahlungsmittel zu entwickeln, das sich der Überwachung und Regelung von Banken und Staaten entzieht und „versteckt“ (abgeleitet von altgriechisch κρύπτο, krypto) gehandelt werden kann. Der Ursprung dieser Entwicklung lag in den 1970er-Jahren. Heutzutage gibt es mehr als 10.000 Kryptowährungen, nur 100 davon erreichen täglich einen Handelsumsatz von mehr als 1.000 Dollar. „Wer eine sichere Geldanlage sucht, sollte die Finger von heutigen Kryptowährungen lassen, denn die Entwicklungen des Kryptomarkts sind äußerst volatil und risikobehaftet“, betont Finanzexperte Prof. Dr. Andreas Pfingsten vom Institut für Kreditwesen der WWU.

Eine der bekanntesten Kryptowährungen ist der Bitcoin, der weltweit auf 21 Millionen Stück limitiert ist. Damit wollte der Erfinder des Bitcoins, eine unbekannte Person oder Gruppe mit dem Pseudonym Satoshi Nakamoto, dessen Wertstabilität gewährleisten. Zu Beginn der Coronakrise schien der Bitcoin dem Ruf als krisenfester Währung jedoch nicht gerecht werden zu können. Die Nachfrage ließ stark nach. Als Folge brach der Kurs massiv ein und fiel auf unter 5.000 US-Dollar pro Bitcoin. Die Währung erholte sich jedoch schnell und die Kurve ging konstant nach oben. Rund ein halbes Jahr später stand der Kurs bei über 15.000 US-Dollar und 2021 erreichte er sein Allzeithoch mit 68.789 US-Dollar pro Einheit. Nach Monaten der immer neuen Rekordstände geht es nun wieder steil bergab – nicht zuletzt eine Folge des Kriegs in der Ukraine. Mehr als 300 Milliarden Dollar an Anlegergeld wurden bei dem Crash vernichtet, berichtete die Wochenzeitung „Die Zeit“ im Sommer.

Große Unternehmen wie Tesla investieren Milliardenbeträge in Kryptowährung. Dass der normale Bürger zukünftig sein Getränk oder Eis im Café mit Bitcoins zahlt, sei eher unwahrscheinlich, sagt Andreas Pfingsten. Dennoch akzeptieren inzwischen zahlreiche Händler Bitcoins als Zahlungsmittel, beispielsweise Amazon, Edeka-online oder Kodak. In Japan sind Bitcoins bereits als offizielle Parallelwährung anerkannt, in einem Kanton in der Schweiz kann man seine Steuern in Bitcoins bezahlen und in El Salvador ist der Bitcoin ein gesetzliches Zahlungsmittel.

Große Unternehmen wie Tesla investieren Milliardenbeträge in Kryptowährung. Dass der normale Bürger zukünftig sein Getränk oder Eis im Café mit Bitcoins zahlt, sei eher unwahrscheinlich

Nach Schätzungen von Prof. Dr. Bernhard Herz, Volkswirt an der Universität Bayreuth, nähern sich Kryptowährungen immer mehr dem Finanzsystem an und gewinnen an Bedeutung. „Das Vertrauen in diese dezentralen digitalen Währungssysteme spielt eine entscheidende Rolle, ob Bitcoins und Co. von der Gesellschaft akzeptiert werden. Es ist sehr schwierig dieses Vertrauen zu gewinnen. Oftmals gibt es keine verlässlichen Informationen über die privaten Unternehmen, die Kryptowährungen anbieten. Zudem ermöglicht der anonyme Zahlungsverkehr ein Fenster für illegale Machenschaften, etwa Terrorfinanzierung, Geldwäsche und Drogenhandel. Hinzu kommen die sehr starken Kursschwankungen“, erläutert der Experte.

So ging beispielweise der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt im vergangenen Jahr während eines Ermittlungsverfahrens im Drogenmilieu ein Fang von über 100 Millionen Euro in Kryptowährung ins Netz. Nach Angaben der der US-amerikanischen Blockchain-Analysefirma „Chainalysis“ haben Betrüger 2021 einen Rekordbetrag von 14 Milliarden US-Dollar in Kryptowährungen gestohlen und das Volumen von Kryptohacking hat sich 2021 im Vergleich zum Vorjahr vervierfacht. Die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung führt viele Gespräche mit Menschen, die sich als Kleininvestoren am Kryptomarkt verzockt haben und nun Privatinsolvenz anmelden – Tendenz steigend.

Trotz allem: Nach einer aktuellen Umfrage des Digitalverbandes „Bitkom“ unter mehr als 1.000 Personen in Deutschland geht ein Drittel der Befragten davon aus, dass sich Kryptowährungen als langfristige Geldanlage eignen und ein Fünftel sieht in ihnen sogar eine sichere Alternative zum etablierten Geldsystem. Der Großteil der Befragten, rund zwei Drittel, hat dagegen kein Vertrauen in Kryptowährungen und hält sie für reine Spekulationsobjekte.

Viele Fragen bleiben offen: Helfen Kryptowährungen Anlegern dabei, schnell reich zu werden? Sind sie ein reines Lifestyle-Produkt? Vereinfachen sie kriminelle Machenschaften? Oder sind sie pure Ideologie für all jene, die Algorithmen mehr als staatlichen Bankeninstitutionen vertrauen? So stark wie die Kryptokurse schwanken, so unterschiedlich dürften die Antworten auf diese Fragen ausfallen – je nachdem, wen man fragt. Schnell verschwinden werden die digitalen Währungen jedenfalls nicht, ist sich Devisenexperte Sören Hettler von der DZ Bank sicher. „Trotz der globalen Kritik an der oftmals beschriebenen spekulativen Blase muss die traditionelle Finanzmarktbranche wie etwa staatliche Notenbanken auf die Kryptowährung und ihre Entwicklung reagieren. Um Kontrolle über das Finanzsystem zu behalten beziehungsweise sie zurückzugewinnen – vor allem jedoch, um konkurrenzfähig zu bleiben.“

Autorin: Kathrin Kottke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 16. November 2022.

Links zu dieser Meldung