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Münster (upm/bhe)
Dr. Kati Ernst bespricht mit ihren Kundinnen bei einem sogenannten Insta-Livetalk die neuen Produkte. Mit Handy und Ohrstöpsel als Studiotechnik steht sie den Besuchern im virtuellen Shop Rede und Antwort.<address>© WWU - Brigitte Heeke</address>
Dr. Kati Ernst bespricht mit ihren Kundinnen bei einem sogenannten Insta-Livetalk die neuen Produkte. Mit Handy und Ohrstöpsel als Studiotechnik steht sie den Besuchern im virtuellen Shop Rede und Antwort.
© WWU - Brigitte Heeke

Unternehmerin mit sozialer Verantwortung

Dr. Kati Ernst setzt sich für einen Wandel in der Gründungskultur ein

Sie hat ein erfolgreiches Unternehmen gegründet, aber gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen ist ihr ebenso wichtig. Zu beidem gehört Mut, genaues Zuhören und ein Sinn für die richtige Balance im Leben. Das wird auch im Gespräch mit Dr. Kati Ernst, Geschäftsführerin von „ooia“, deutlich. Der Tag der Unternehmerin ist durchgetaktet. Eine gute halbe Stunde nimmt sich die Gründerin Zeit für das Gespräch, dann folgt eine Lehrveranstaltung, dazwischen passt ein virtuelles Treffen mit ihren Kundinnen. Dass die Wahl-Berlinerin gerade einige Tage in Münster ist, ist dem „Reach Euregio-Chair“ zu verdanken. Diese Auszeichnung hat sie gemeinsam mit Corinne Vigreux, der Gründerin des niederländischen Unternehmens TomTom, erhalten. Beim Treffen im Hotel Mauritzhof wählt die 41-Jährige einen Tisch in der Nähe der Fenster zur Promenade.

Kati Ernst hat an der WWU Betriebswirtschaftslehre studiert und an der Bergischen Universität Wuppertal über Social Entrepreneurship promoviert. Zwölf Jahre arbeitete sie bei der Unternehmens- und Strategieberatung McKinsey. Was sie vermisst habe, seien sogenannte Role Models gewesen, berichtet die Geschäftsfrau – also Frauen, die Unternehmen gründen und Konzerne leiten. Heute ist sie selbst ein solches Vorbild und ermutigt Studierende, das Gründen als Karriereoption wahrzunehmen.

Ihr typischer Arbeitstag beginne früh, sagt Kati Ernst. „Nachdem ich Sport gemacht habe, Yoga, Cardio oder Krafttraining, gehe ich zu Fuß ins Büro.“ Bis 16 oder 17 Uhr bespricht sie sich dort in zahlreichen internen oder externen Treffen von jeweils einer Viertelstunde bis zu einer Stunde. „Den Abend verbringe ich mit meinem Mann und den drei Kindern.“ Ihre Mitgründerin und Co-Geschäftsführerin Kristine Zeller und sie haben eine ungewöhnliche Vereinbarung getroffen: Seit einem Jahr ist der Mittwoch ihr meetingfreier Tag. Auch Telefonate nehmen die beiden dann nicht an, sondern sprechen nur miteinander. „Das gibt Raum für Neues.“

Den „Reach Euregio-Chair“ hatten die WWU und die niederländische Universität Twente mit ihren Gründungszentren REACH und Novel-T im Oktober erstmals verliehen. Die Inhaberinnen des symbolischen Lehrstuhls teilten ihr unternehmerisches Wissen in dialogisch angelegten Lehrveranstaltungen. Schon am Tag nach der Verleihung stand Kati Ernst Studierenden zu den Themen „Female Business“ und „New Founding“ Rede und Antwort. Über zwei Semester hinweg hielten die beiden Gründerinnen Workshops und Seminare an den Hochschulen.

Ihr Ausflug zurück in die akademische Welt hat Kati Ernst gut gefallen. „Das war für mich ein Zeichen der Wertschätzung, aber auch eine gute Möglichkeit, Thesen weiterzudenken.“ Der Anteil von Gründerinnen in Deutschlands Start-ups liegt laut dem Female Founders Report 2021 nur bei knapp zwölf Prozent. „Frauen erhalten deutlich seltener Geld von Investoren, gerade FemTech-Unternehmen müssen immer wieder die Relevanz ihrer Produkte rechtfertigen.“ Ihre eigene Gründungsidee sei in der Start-up-Fernsehshow „Die Höhle der Löwen“ unter anderem abgelehnt worden, weil es ein Frauenprodukt ist und der potenzielle Investor männlich war. Vor allem die Internetgemeinde kam aus dem Kopfschütteln darüber nicht mehr heraus. Kati Ernst und ihre Freundin Kristine Zeller hatten sich zwischenzeitlich mithilfe von Crowdfunding und Vorbestellungen längst selbst auf den Weg gemacht. Seit 2018 vertreiben die beiden unter ihrem eigenen Label erfolgreich und preisgekrönt Periodenunterwäsche.

„In erster Linie soll die Wäsche schön und hochwertig sein“, betont Kati Ernst. Aber es geht ihr auch darum, die Menstruation aus der Tabuzone zu holen. „Jedes Unternehmen muss neben dem Geldverdienen auch soziale Verantwortung übernehmen“, ist die Gründerin überzeugt. „Es gibt so viele gesellschaftliche Herausforderungen.“ Neben dem Female Empowerment zählen für sie „New Funding Models“ dazu, also Finanzierungsmöglichkeiten, die Gründerinnen nutzen können, um ihre innovativen Ideen leichter in die Tat umzusetzen, „New Work“, also alternative Formen der Arbeitsgestaltung mit mehr Entscheidungs- und Entwicklungsmöglichkeiten, Flexibilität und mehr Diversität in Teams. Schaut sie selbst die Start-up-Show im Fernsehen noch? „Ja, natürlich“, antwortet sie prompt. „Solche Formate sind wichtig, auch für jüngere Generationen. Unsere Kinder spielen das manchmal sogar nach und stellen sich gegenseitig ihre Ideen vor.“

Autorin: Brigitte Heeke

Dieser Text stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 4, 1. Juni 2022.

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