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Münster (upm/kn)
Die Ausbildung zum Psychotherapeuten wird durch die Gesetzesnovellierung stärker an die Universitäten und vergleichbare wissenschaftliche Einrichtungen gebunden.<address>© WWU - Brigitte Heeke</address>
Die Ausbildung zum Psychotherapeuten wird durch die Gesetzesnovellierung stärker an die Universitäten und vergleichbare wissenschaftliche Einrichtungen gebunden.
© WWU - Brigitte Heeke

"Absolventen angemessen bezahlen"

Dekan Guido Hertel über die Neuausrichtung des Psychologiestudiums und der Psychotherapie-Ausbildung

Das Psychologiestudium und die Psychotherapie-Ausbildung wurden an der Universität Münster bereits im Wintersemester 2020/21 aufgrund einer Gesetzesnovellierung neu aufgestellt. Prof. Dr. Guido Hertel, Dekan des Fachbereichs Psychologie und Sportwissenschaft der WWU, spricht im Interview mit Kathrin Nolte über die Neuerungen und deren Bedeutung.

Was beinhaltet die Gesetzesnovelle?

Die wichtigste Änderung besteht darin, dass Studierende nun die Möglichkeit haben, das Studium der Psychologie mit der Approbation als Psychotherapeutin beziehungsweise Psychotherapeut abzuschließen. Der Abschluss steht damit auf gleicher Stufe mit Abschlüssen in der Medizin oder Pharmazie, was berufspolitisch nicht unwichtig ist. Noch wichtiger aber ist, dass dadurch Absolventen der Psychologie, die als Psychotherapeuten arbeiten, gleich nach Abschluss des Studiums angemessen bezahlt werden und nicht erst nach einer längeren Weiterbildung. Voraussetzung dafür ist der erfolgreiche Abschluss eines anerkannten Bachelorstudiengangs „Psychologie“ – wie hier in Münster – und eines darauf aufbauenden Masterstudiengangs „Psychologie mit Schwerpunkt Klinische Psychologie und Psychotherapie“. Ein solcher Masterstudiengang startet bei uns in Münster sobald die ersten Bachelorstudierenden nach dem neuen Gesetz soweit sind, also im Wintersemester 2023/24.

Prof. Dr. Guido Hertel<address>© OWMs</address>
Prof. Dr. Guido Hertel
© OWMs
Und welche Neuerungen ergeben sich dadurch für das Psychologiestudium?

Im Bachelorstudiengang Psychologie ändert sich inhaltlich wenig, da das Curriculum bereits vor der Reform größtenteils den Vorgaben der neuen Gesetzgebung entsprach. Studierende mit dem Ziel Psychotherapeut müssen nun allerdings schon im Bachelorstudiengang ihr Pflichtpraktikum im Klinischen Bereich absolvieren und innerhalb bestehender Wahlmöglichkeiten Veranstaltungen der Klinischen Psychologie belegen. Das bedeutet, dass Studierende bereits im Bachelorstudium die Entscheidung treffen müssen, ob sie sich das Berufsziel Psychotherapeut offenhalten wollen oder nicht. Größere inhaltliche Änderungen betreffen dann den Masterstudiengang Psychologie.

Welche Änderungen sind es konkret?

Für die Ausbildung zukünftiger Psychotherapeuten führen wir in Münster zurzeit einen neuen Masterstudiengang ,Psychologie mit Schwerpunkt klinische Psychologie und Psychotherapie' ein, der neben dem klaren thematischen Fokus zusätzliche praktische Anteile haben wird. Die konkreten Inhalte folgen dabei der bundesweit geltenden Approbationsordnung auf der Basis des neuen Gesetzes. Der bisherige Masterstudiengang ,Psychologie' wird gleichzeitig fortgesetzt und ausgebaut. Neben den bestehenden Schwerpunkten ,Personal- und Wirtschaftspsychologie“ und „Lernen, Entwickeln & Beraten' kommt ab Wintersemester 2023/24 ein zusätzlicher forschungsorientierter Schwerpunkt ,Soziale dynamische Systeme' hinzu. Ebenfalls für das Wintersemester 2023/24 ist der Start unseres neuen interdisziplinären Masterstudiengangs ,Kognitive Neurowissenschaften' geplant, der wesentlich von der Psychologie getragen wird. Insgesamt zeigt diese Entwicklung, dass die Psychologie ein starkes Wachstumsfach ist und sich in seinen unterschiedlichen Berufsfeldern weiter professionalisiert.

Verändert sich denn auch die Ausbildung zum Psychotherapeuten?

Grundsätzlich wird die Ausbildung zum Psychotherapeuten durch das neue Gesetz stärker an die Universitäten und vergleichbare wissenschaftliche Einrichtungen gebunden, wodurch ein noch schnellerer Wissenstransfer gewährleistet wird. Durch die zügigere Erlangung der Approbation und damit der berufsrechtlichen Anerkennung als Psychotherapeut wird zudem eine frühere finanzielle Absicherung unterstützt. Dennoch endet die Ausbildung zum Psychotherapeuten in der Regel nicht mit der bestandenen Approbationsprüfung. Stattdessen ist eine berufsbegleitende mehrjährige Fachkundeweiterbildung vorgesehen, innerhalb der beispielsweise eine Spezialisierung für die kassenärztlich zugelassenen Therapieverfahren erfolgt – ähnlich der Facharztausbildung in der Medizin.

 

Kommentar:

Prof. Dr. Conny Herbert Antoni, Vorsitzender des Fakultätentages Psychologie, kommentiert die Neuausrichtung des Studienfachs:

„Ich begrüße die Reform der Psychotherapieausbildung. Sie verankert die Ausbildung universitär und sichert hohe und einheitliche Standards. Die Ausbildung kann in polyvalente Bachelor- und aufbauende Masterstudiengänge der Psychologie integriert werden. Dies ermöglicht die Verzahnung von psychologischer Lehre, Forschung und Versorgung. Man kann sich nun im Studium für eine Approbation qualifizieren und danach in sozialversicherungspflichtiger Berufstätigkeit für die Fachkunde weiterbilden. Damit endet die unbezahlte Arbeit im Psychiatriejahr.“

 

Kurz nachgefragt: Wie bewerten Studierende die Neuerungen?

Janne Gramzow, 3. Bachelor-Semester:

Ich begrüße die neue Prüfungsordnung. Insbesondere die daraus resultierende finanzielle Erleichterung während der Weiterbildung sowie vermehrte berufsbezogene und praxisorientierte Anteile im Studium sind für mich klare und wichtige Vorteile. Es gibt jedoch auch Nachteile: Ich befürchte einen Konkurrenzkampf um Praktika- und Masterplätze, weil die Kriterien nun deutlich strenger sind.

Sophie Schlüter, 3. Bachelor-Semester:

Vorteilhaft sind die Spezialisierung und die vielen Praxiserfahrungen im Studium sowie die Aussicht auf eine bessere finanzielle Situation während der späteren Weiterbildung. Obwohl wir der erste Jahrgang mit der neuen Prüfungsordnung sind, erfolgt glücklicherweise eine gute Organisation seitens des Dekanats. Allerdings bin ich besorgt, dass sich der Konkurrenzkampf um die Plätze für den approbationskonformen Master verstärkt.

Dania Habaal, 5. Bachelor-Semester:

Die Neuerungen werden helfen. Durch sie sollen wir nach dem Studium nicht mehr mit Nebenjob und Schuldenberg eine Ausbildung stemmen. Doch an dem Punkt stehen wir noch nicht: Wir können weder mit Orten noch Zeiten rechnen. Außerdem soll der Werdegang zum Therapeuten geradliniger werden, ohne Einsteiger aus anderen Disziplinen. Das reduziert die Sichtweisen und steigert die Selektion durch den Numerus Clausus (NC). Es gehen wichtige Ressourcen verloren.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 8, 15. Dezember 2021.

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