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Münster (upm/bhe)
Dr. Netaya Lotze<address>© Erik Hinz</address>
Dr. Netaya Lotze
© Erik Hinz

Mit Computern reden?

Netaya Lotze untersucht, wie Menschen mit Maschinen sprechen

Wer miteinander redet, stellt sich aufeinander ein. Unbewusst passen wir Wortwahl und Satzbau an unser Gegenüber an und erweitern unser Vokabular, wenn beispielsweise Freunde ein bestimmtes Wort häufig verwenden. Dieses so genannte „Interactive Alignment“ ist normalerweise ein Geben und Nehmen. In der Mensch-Maschine-Interaktion hingegen bleibt das Gespräch vergleichsweise einseitig, wie linguistische Untersuchungen gezeigt haben. „Die KI ist noch nicht so weit, wie die Silicon-Valley-Konzerne uns glauben machen wollen“, ist Dr. Netaya Lotze überzeugt. Seit 15 Jahren wertet die Sprachwissenschaftlerin vom Germanistischen Institut der WWU systematisch aus, wie Menschen mit Maschinen kommunizieren.

Beiträge von Chatbots, etwa aus den Kommentarspalten der Sozialen Medien, liegen ihren Forschungen zugrunde und bilden ein überaus vielversprechendes Textkorpus. Hinzu kommen Daten aus Spracherkennungssystemen wie „Siri“ oder „Alexa“, die den Alltag der Menschen erleichtern sollen. Netaya Lotze selbst kommen solche automatischen Datensammler nicht ins Haus. „Wir haben eine ,Alexa‘ im Büro“, räumt sie ein. „Aber das Gerät ist nur angeschaltet, wenn es Dienst hat.“ Für die „Leonardo-di-Caprio“-Task bittet Netaya Lotzes Doktorandin Anna Greilich zum Beispiel ihre Probanden, verschiedene Fakten über den Schauspieler zu recherchieren, nur mithilfe der automatischen Spracherkennung. Studierende und Freiwillige aller Altersstufen probieren dafür verschiedene Fragestrategien aus.

„Wir möchten mit unserer Forschung dazu beitragen, dass das Thema KI neutraler und unaufgeregter diskutiert wird“, unterstreicht die Wissenschaftlerin. Die weit verbreitete Skepsis à la „Maschinen werden bald die Weltherrschaft übernehmen“ teilt Netaya Lotze ebensowenig wie die Vision aus der Werberhetorik, dass mithilfe von KI künftig alles leichter, störungsfrei und intuitiv nutzbar werde. Eine Entwicklung aber bereitet ihr Sorgen. „In unseren Nutzerstudien beobachten wir, dass immer mehr Menschen sich in einer rein passiven Rezeptionshaltung durch ewig gleiche Dialoge leiten lassen und dem Bot unkritisch nachplappern, was er vorgibt.“

Insgesamt sei es durchaus von Vorteil, wenn die Wahrnehmung von Sprache in Austausch mit ihrer Produktion steht. Das Reden mit Computern bilde somit lediglich eine zusätzliche Art der Kommunikation. „Die meisten Menschen gehen damit souverän und kreativ um“, findet die Germanistin. Die Gesellschaft müsse sich jedoch auf gemeinsame Regeln einigen, damit die Technologien und die gesammelten Datenmengen nicht politisch missbraucht würden, beispielsweise um den Ausgang von Wahlen zu manipulieren.

Mit der Arbeitsgruppe „Sprache + KI“, an der Geisteswissenschaftlerinnen und Geisteswissenschaftler von Universitäten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligt sind, hat Netaya Lotze ihre Erkenntnisse bereits am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in den Vereinigten Staaten vorgetragen.

Zur Person:

Dr. Netaya Lotze hat bei Prof. Dr. Peter Schlobinski und Prof. Dr. Kerstin Fischer an der Leibnitz Universität Hannover mit einer Dissertation zu Chatbots promoviert und dort an einem interdisziplinären Forschungszentrum für Websciences gearbeitet (Language Labs Lower Saxony). Gerade ist sie mit interessanten Kooperationen von einer Professurvertretung an der Uni Hamburg zurückgekommen. Um linguistisch informiertere Dialog-Systeme zu gestalten, kooperiert die Wissenschaftlerin in unterschiedlichen Projekten auch mit der FH Münster (Prof. Dr. Gernot Bauer), etwa in einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten ALFA-Bot-Projekt, ein Chatbot in leichter Sprache als Alphabetisierungsangebot für Erwachsene.

Autorin: Brigitte Heeke

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 7, 10. November 2021.

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