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Münster (upm/kk)
Der Mond mit deutlich erkennbaren Kratern, die durch Einschläge von Asteroiden entstanden sind.<address>© NASA/Goddard Space Flight Center</address>
Der Mond mit deutlich erkennbaren Kratern, die durch Einschläge von Asteroiden entstanden sind.
© NASA/Goddard Space Flight Center

Spätes Bombardement des Monds entschlüsselt

Münstersche Planetologen erforschen schweres Bombardement des Mondes vor 3,9 Milliarden Jahren / Veröffentlichung in "Science Advances"

Einschläge von Asteroiden haben zahlreiche Krater auf der Mondoberfläche hinterlassen. Altersbestimmungen an Mondgesteinen deuten darauf hin, dass die meisten dieser Einschläge vor etwa 3,9 Milliarden Jahren beziehungsweise etwa 500 Millionen Jahren nach Entstehung des Erdtrabanten stattgefunden haben. Diese Beobachtungen haben zu der sogenannten Theorie des „späten schweren Bombardements“ des Mondes (oder LHB für „Late Heavy Bombardment“) geführt; der Begriff spät bezeichnet in diesem Zusammenhang eine längere Zeitspanne nach Bildung des Mondes.

Apollo-Probe 60335 mit sichtbaren Metalleinschlüssen: Diese Metallkörner stammen von Asteroiden, die auf dem Mond eingeschlagen sind.<address>© AG Kleine</address>
Apollo-Probe 60335 mit sichtbaren Metalleinschlüssen: Diese Metallkörner stammen von Asteroiden, die auf dem Mond eingeschlagen sind.
© AG Kleine
Aber was war der Ursprung dieses späten Bombardements, und woher kamen die Asteroiden, die auf dem Mond eingeschlagen sind? Unter den Wissenschaftlern kursieren zwei Theorien. So könnten diese Körper das übriggebliebene Material aus der Hauptphase der Erdentstehung darstellen, die mit kontinuierlich abnehmender Häufigkeit auf dem Mond eingeschlagen sind. Eine andere Hypothese besagt, dass es vor etwa 3,9 Milliarden Jahren durch Instabilitäten in den Umlaufbahnen der Gas- und Eisriesen zu einem plötzlichen starken Anstieg von Einschlägen von Asteroiden und Kometen aus dem äußeren Sonnensystem gekommen ist. Planetologen der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster haben diese Hypothesen mit sehr genauen Isotopenmessungen an Mondgesteinen überprüft. Ihr Ergebnis und Fazit: Es gab keine plötzliche Erhöhung der Einschlagsrate. Das Bombardement des Mondes geht demnach auf kontinuierliche Einschläge von Asteroiden zurück, die aus der Hauptphase der Erd-Entstehung übriggeblieben sind. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins „Science Advances“ veröffentlicht.

Zum Studienhintergrund

Die münsterschen Wissenschaftler vom Institut für Planetologie untersuchten Mondgesteine, die während des Bombardements vor 3,9 Milliarden Jahren entstanden sind. Diese Gesteine enthalten winzige Metallkügelchen, die von den Asteroiden stammen. Durch die Untersuchung der Isotopen-Zusammensetzung dieser Metallkügelchen können die Forscher bestimmen, woher aus dem Sonnensystem diese Asteroiden stammen. Dabei zeigen vor allem die Elemente Ruthenium und Molybdän systematische Veränderungen in ihrer Isotopenzusammensetzung, abhängig vom Bildungsort im Sonnensystem. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass das Bombardement des Mondes durch die gleichen Körper erfolgte, aus denen auch schon die Erde und der Mond entstanden sind“, erklärt die Planetologin und Erstautorin der Studie, Dr. Emily Worsham.

Die Einschlagskrater auf dem Mond gehen demnach auf ein kontinuierliches Bombardement mit übriggebliebenen Asteroiden aus der Hauptphase der Erd-Entstehung zurück. Damit können die Wissenschaftler auch einen plötzlichen Anstieg der Einschlagsrate durch das Bombardement mit Körpern aus dem äußeren Sonnensystem ausschließen. Aber woher kommt die Häufung der Alter von 3,9 Milliarden Jahren? „Es wurde schon früher vermutet, dass die bisher untersuchten Mondgesteine überwiegend aus Material von einem einzigen Einschlagsbecken bestehen – dem Mare Imbrium in der nördlichen Mitte der erdzugewandten Seite des Mondes“, erklärt Emily Worsham.

Aus theoretischen Berechnungen ist bekannt, dass sich die Umlaufbahnen der Gas- und Eisriesen irgendwann in der Frühgeschichte des Sonnensystems verändert haben und dabei eine Vielzahl an Körpern aus dem äußeren Sonnensystem nach innen gestreut wurden, die unter anderem mit der Erde und dem Mond kollidierten. „Dieses Ereignis muss früher als bisher angenommen stattgefunden haben, da wir in den Mondgesteinen keine Hinweise auf Einschläge von Asteroiden oder Kometen aus den äußeren Bereichen des Sonnensystems finden“, erläutert Prof. Dr. Thorsten Kleine. Die Umlaufbahnen der Gas- und Eisriesen haben sich daher vermutlich während der Hauptbildungsphase der erdähnlichen Planeten verändert – das heißt in den ersten etwa 100 Millionen Jahren des Sonnensystems. Das stimmt wiederum gut mit neueren dynamischen Modellen überein. „Unsere Studie zeigt somit auch, dass die erdähnlichen Planeten schon relativ früh, während ihrer Entstehung, wasserreiche Körper aus dem äußeren Sonnensystem eingebaut haben und so die Bedingungen für die Entstehung von Leben geschaffen wurden“, ergänzt Thorsten Kleine.

Förderung

Die Arbeit entstand im Rahmen des Sonderforschungsbereichs SFB/Transregio 170 „Late accretion onto terrestrial planets“ („Spätes Wachstum erdähnlicher Planeten“) und wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt.

Originalpublikation

Emily Worsham und Thorsten Kleine (2021): Late accretionary history of Earth and Moon preserved in lunar impactites. Science Advances Vol. 7; doi: 10.1126/sciadv.abh2837

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