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Münster (upm/kk)
Dr. Alexandra Mutwill bereitet die Proben für die Hormonbestimmung vor.© WWU - Peter Leßmann
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Zusammenspiel von Umwelt, Hormonen und Verhalten verstehen

Endokrinologie-Labor im Institut für Neuro- und Verhaltensbiologie der WWU

Unweit der Promenade, zwischen Schloss und Stadtbad Mitte, ist das Institut für Neuro- und Verhaltensbiologie der WWU beheimatet. Im Hinterhof des Gebäudes an der Badestraße 9, in dem auch ein Hörsaal und mehrere Seminarräume zu finden sind, forscht unter anderem die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Sylvia Kaiser und Prof. Dr. Helene Richter. Das 25-köpfige Team um die beiden Professorinnen untersucht das Zusammenspiel von Umwelt, Hormonen und Verhalten von Tieren. Hormone sind biochemische Botenstoffe und spielen in der Verhaltensbiologie eine Schlüsselrolle: Sie übermitteln Informationen und regulieren zahlreiche, oft lebenswichtige Körpervorgänge wie Stoffwechsel, Ernährung, Atmung, Blutdruck, Salz- und Wasserhaushalt, Sexualfunktionen und Schwangerschaft. Zudem können sie durch soziale Erfahrungen und die Umwelt beeinflusst werden.

Um das Zusammenspiel von Umwelt, Hormonen und Verhalten besser zu verstehen, bestimmen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Endokrinologie-Labor die Hormonkonzentrationen von unterschiedlichsten Tierarten, zum Beispiel Meerschweinchen, Mäusen, Ratten, Galapagos-Seelöwen, Zebrafinken und Bussarden. Das Labor befindet sich im ersten Obergeschoss des Gebäudes mit der hellen Fassade und teilt sich in mehrere Räume auf. „Wir arbeiten hier mit neuen Methoden zur Hormonbestimmung. Mittlerweile haben wir nicht nur die Möglichkeit, diese aus dem Blut zu bestimmen, sondern auch aus Speichel, Kot, Federn oder Haaren“, erklärt Sylvia Kaiser. Diese sogenannten nicht-invasiven Methoden erlangen eine immer größere Bedeutung in der Wissenschaft, da es vor allem bei Wildtieren schwierig ist, Blutproben zu bekommen, und die schonendere Probeentnahme die Tiere weniger stresst.

Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs (SFB) „Eine neue Synthese zur Individualisation für die Verhaltensforschung, Ökologie und Evolution: Nischenwahl, Nischenkonformität, Nischenkonstruktion (NC3)“ zusammen mit der Universität Bielefeld haben die münsterschen Verhaltensbiologen und Verhaltensbiologinnen die Bestimmung von Hormonkonzentrationen aus Federn und Haaren etabliert. „Federn eignen sich besonders gut zur Hormonbestimmung, vor allem wenn Langzeiteffekte untersucht werden sollen. Da sie kaum zerfallen, dienen sie als Langzeitarchiv für Umwelteinflüsse. Federn eignen sich hervorragend zur Untersuchung des Einflusses von Umweltveränderungen und langandauernde Stressoren auf das Individuum (z.B. Wetter, Verfügbarkeit von Futter, Lebensraumqualität)“, führt Sylvia Kaiser anschaulich aus. Sie leitet im Rahmen des SFB das Teilprojekt „Hormonplattform“.

Wir leben in einer Zeit, in der fast täglich der natürliche Lebensraum von vielen Arten kleiner wird. Daher ist es wichtig, dass sich die Tiere an neue Bedingungen anpassen können, um ihr Überleben zu sichern“

Doch wie können aus Federn die Hormone isoliert und bestimmt werden? Und was sagt die Hormonkonzentration wiederum über das Verhalten von Tieren aus? Zunächst muss die Feder zerkleinert werden. Nach Zugabe von Methanol kommen die Proben zum Aufschluss in ein Ultraschallbad und über Nacht in einen Überkopfschüttler, um die Hormone aus den Federn zu extrahieren. Am nächsten Tag wird zentrifugiert und filtriert: Fertig ist die Hormonprobe. „Diese Schritte sind sehr zeitintensiv, mehr als 20 Federn am Tag können wir nicht aufbereiten“, erklärt Edith Ossendorf, die bereits seit vielen Jahren als Biologisch-technische Assistentin in dem Labor tätig ist.

Um die Hormonkonzentration schlussendlich zu bestimmen, wandert die Probe einen Laborraum weiter. Dort kommt ein sogenannter ELISA (Enzyme-linked Immunosorbent Assay) – ein antikörperbasiertes Nachweisverfahren – zum Einsatz. Mit dieser Methode wird die Hormonkonzentration nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip bestimmt: Dabei ist das Hormon der Schlüssel und das Schloss ist der Antikörper. Mit einer Pipette geben die Wissenschaftler das Hormon in eine Vertiefung auf eine Mikrotiterplatte aus Kunststoff, in dem sich ein Antikörper befindet, an dem das Hormon ankoppelt. „Zusätzlich geben wir ein markiertes Hormon dazu. Beide Hormone wollen an den Antikörper binden. Da dieser jedoch in der Unterzahl ist, kommt es zu einer Verdrängung, da beide Hormone um den Antikörper konkurrieren. Je mehr Hormon sich in der Feder befindet umso mehr kann davon an den Antikörper binden. Wir waschen dann die freien Hormone aus und können die gebundenen Hormone aus unserer Probe auf der Mikrotiterplatte bestimmen“, erklärt Sylvia Kaiser das Verfahren. Diese Bestimmung erfolgt schließlich unter Anwendung eines Photometers, also eines Gerätes, das die Wellenlängen des sichtbaren Lichts während der Bestrahlung der Lösung bestimmt.

„Danach folgen die statistischen Auswertungen, die uns Aussagen über das Zusammenspiel von Umwelt, Hormonen und Verhalten erlauben“, erklärt Postdoktorandin Dr. Alexandra Mutwill das weitere Vorgehen. Neben ihr arbeiten zahlreiche weitere wissenschaftliche Nachwuchskräfte und Studierende in dem Labor. Das besondere an der Arbeit seien die interdisziplinären Themen: „Unsere Forschung und Erkenntnisse betreffen auch Fragestellungen aus den Bereichen Ethik, Philosophie, Theologie und Medizin. Daher haben wir ein großes Netzwerk aufgebaut – innerhalb und außerhalb der WWU“, erläutert Sylvia Kaiser.

Fächerübergreifend will das Team Lösungen und Maßnahmen entwickeln, um beispielsweise optimale Haltungsbedingungen für Zoo- oder Heimtiere zu schaffen. Hormone sind ein wichtiger physiologischer Parameter, von dem die Experten ableiten können, wann es einem Tier gut oder schlecht geht. Darüber hinaus sind Hormone ein wichtiger Indikator für Anpassungsprozesse in der freien Natur. „Wir leben in einer Zeit, in der fast täglich der natürliche Lebensraum von vielen Arten kleiner wird. Daher ist es wichtig, dass sich die Tiere an neue Bedingungen anpassen können, um ihr Überleben zu sichern“, erklärt Sylvia Kaiser, der das Thema Tierschutz sowohl beruflich als auch privat ein großes Anliegen ist.

Um zukünftig Tierschutz und Tierwohl zu fördern, arbeitet das Labor unter anderem mit dem Allwetterzoo Münster oder Tierheimen in der Region zusammen. „Wir sind stolz, dass unsere Laborarbeit zum Tier- und Artenschutz beiträgt – auch wenn wir in erster Instanz Grundlagenforschung betreiben“, sagt Sylvia Kaiser.

Autorin: Kathrin Kottke

© WWU

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