|
Münster (upm/hd)
<address>© Unsplash - Braden Collum</address>
© Unsplash - Braden Collum

"Aus epidemiologischer Sicht ist das zu gefährlich"

EM und Olympia: Virologe Stephan Ludwig spricht über die Gefahren

Für die Wettkämpfe der Olympischen Spiele kommen über 10.000 Athletinnen und Athleten nach Japan, die Fußball-EM findet in zwölf europäischen Ländern statt, doch die Welt befindet sich noch immer mitten in der Coronapandemie. Hanna Dieckmann sprach im Interview mit WWU-Virologe Prof. Dr. Stephan Ludwig unter anderem über die speziellen Gefahren dieser Großveranstaltungen.
 

Wie sehen Sie den Olympischen Spielen in Japan und der Fußball-EM in zwölf europäischen Städten entgegen?
Es ist eine Katastrophe, dass diese Veranstaltungen im Sommer mit Zuschauern stattfinden werden. Selbst wenn, wie im Fall von Olympia, keine Zuschauer aus dem Ausland zugelassen werden: Bei mehr als 10.000 Athletinnen und Athleten gibt es einfach eine große Ansteckungsgefahr. Das sehen wir ja immer wieder bei anderen Veranstaltungen – wie in der Leichtathletik, beim Volleyball oder Handball.

Veranstaltungen dieser Größe und Konzeption stellen also ein Risiko dar?
Ja, ganz genau. Es ist in diesem Sommer noch zu früh, so viele Menschen zusammenkommen zu lassen. In Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern, sind die Impfraten noch zu schlecht. Um Veranstaltungen wie die Europameisterschaft einigermaßen sicher durchführen zu können, müssten 60 bis 70 Prozent der europäischen Bevölkerung geimpft sein – das ist utopisch.

WWU-Virologe Prof. Dr. Stephan Ludwig<address>© WWU - Peter Grewer</address>
WWU-Virologe Prof. Dr. Stephan Ludwig
© WWU - Peter Grewer

Was halten Sie von den Aussagen des UEFA-Präsidenten Aleksander Ceferin, wonach die Spiele nur dort stattfinden sollen, wo auch Fans ins Stadion dürfen?
Das ist einfach unglaublich – was für eine Ignoranz und Arroganz. Aus epidemiologischer Sicht ist das einfach zu gefährlich, aber bei kontinentalen und globalen Sport-Verbänden wie der UEFA, FIFA oder dem IOC geht es eben auch um wirtschaftliche Interessen. Wenn ich von solchen Plänen höre, ist mir klar, dass die Gesundheit der Akteure und der Bevölkerung nicht an erster Stelle stehen kann.

Was ist besonders problematisch, wenn Fans im Stadion sind?
Im Stadion selbst – also an der frischen Luft – ist die Gefahr nicht so groß, sofern Abstände eingehalten und Masken getragen werden. Aber die Fans müssen ja auch irgendwie hin- und zurückkommen. Wer schaut auf Abstand und Masken auf dem Weg zum Stadion, in Bussen, in der U-Bahn? Wenn Zuschauer aus anderen Ländern anreisen, teilen sie Flugzeuge, Bahnen und Hotels. Außerdem haben große Menschengruppen immer eine spezielle Dynamik. Jeder Einzelne mag verantwortungsvoll sein, aber in Gruppen entwickeln sich leider oft ungünstige Verhaltensweisen.

Dieses Interview stammt aus der Uni-Zeitung "wissen|leben" Nr. 3, 19. Mai 2021.

Links zu dieser Meldung