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Münster (upm/kk)
Einer von Claudia Caballero Reyes Lieblingsplätze in Münster ist der Botanische Garten der WWU.<address>© WWU - Kathrin Kottke</address>
Einer von Claudia Caballero Reyes Lieblingsplätze in Münster ist der Botanische Garten der WWU.
© WWU - Kathrin Kottke

"Ich möchte Teil des wissenschaftlichen Fortschritts sein"

Doktorandin Claudia Caballero Reyes aus Kuba berichtet über ihre Forschung und die Herausforderungen während der Pandemie

Der wissenschaftliche internationale Austausch während der Coronapandemie birgt viele Herausforderungen. Die Nachwuchswissenschaftlerin Claudia Caballero Reyes von der Havanna-Universität forscht seit April am Institut für Psychologie der WWU für ihre Doktorarbeit. Sie ist die erste Doktorandin aus Kuba, die über das „Erasmus+“-Programm der Europäischen Union einen Forschungsaufenthalt an der WWU absolviert. Kathrin Kottke sprach mit ihr über ihre Forschung und die Herausforderungen während der Coronapandemie.

Sie haben mehrere Anläufe benötigt, bis Sie tatsächlich im Flugzeug auf dem Weg nach Münster saßen – was war los?

Das war ein großes Abenteuer. Häufige und unvorhersehbare Änderungen der Coronavorschriften haben die Pläne mehr als einmal geändert. Ursprünglich sollte ich im September vergangenen Jahres kommen, doch dann gab es einen Lockdown in Havanna, also verschoben wir die Anreise auf Januar. Dann kam der Lockdown in Deutschland. Als ich im April bereits am Flughafen war, musste ich wieder umkehren, da sich die Einreisebedingungen bezüglich der Coronatestung geändert hatten. Eine Woche später war ich endlich da.

Hat sich der Aufwand gelohnt?

Absolut! Nach Münster zu kommen und das Institut für Psychologie zu besuchen, ist eine großartige Gelegenheit, meine Forschung voranzutreiben – am Ende meines Aufenthalts möchte ich eine erste Version meiner Doktorarbeit fertig haben. Der Austausch mit dem Team um Prof. Dr. Ulrike Buhlmann und das Kolloquium mit Prof. Dr. Gerald Echterhoff hat meine fachliche Expertise, Sichtweisen und Interpretationsmöglichkeiten bereichert und neue Impulse gegeben.

Um was geht es in Ihrer Forschung?

Mein Forschungsschwerpunkt ist die Gemeindepsychologie. Ich untersuche vier geografische Gemeinden im Westen Kubas: Plaza de la Revolución, Marianao, Artemisa und San Antonio de los Baños. Ich habe mehr als 300 Einwohner und 50 Vertreter von kommunalen Institutionen aus verschiedenen Arbeitsbereichen interviewt; unter anderem Verwaltung, Gesundheit, Wirtschaft, Bildung und Kultur. Auf diese Weise habe ich viel über die kulturellen, wirtschaftlichen, physischen, politischen und sozialen Bedürfnisse der Gemeinden erfahren. Besonders interessant waren für mich die Verständigungs- und Austauschprozesse zwischen den Einwohnern und Institutionen, um die jeweiligen Bedürfnisse zu befriedigen. Aus meinen Forschungsergebnissen leite ich Praxisempfehlungen für Kommunalverwaltungen ab.

Was sind das für Empfehlungen?

Es geht vor allem um den schnellen und direkten Austausch zwischen den Institutionen und Einwohnern und darum, passende Kommunikationskanäle zu etablieren. Dazu gehören einerseits regelmäßige Treffen zwischen der Bevölkerung und den Regierungsinstitutionen, um die gemeinsame Entwicklung und Umsetzung von Lösungen und Initiativen zu fördern. Andererseits schlage ich vor, die Möglichkeiten des "Electronic Government" stärker zu nutzen. Das ermöglicht den Bürgern den unkomplizierten und zeitlich unabhängigen Zugang zu den Leistungen der Kommunalverwaltungen.

Was charakterisiert Sie als Wissenschaftlerin?

Ich studiere und lerne für mein Leben gerne – nur so bleibe ich neugierig. Für meine Forschung ist das meine Hauptmotivation, um meine Ziele zu verfolgen.

Welche Ziele haben Sie denn?

Ich möchte Teil des wissenschaftlichen Fortschritts sein und mit meiner Arbeit zum gesellschaftlichen Wandel zugunsten des kollektiven und individuellen Wohlbefindens beitragen. Dazu gehören unter anderem die Unterstützung von Gemeinschaften, damit sie sich besser verständigen können, sowie die Stärkung von Solidarität und sozialer Förderung. Ein wichtiger Baustein ist die professionelle Ausbildung der Psychologie-Studierenden. In meiner Rolle als Dozentin unterstütze ich die Entwicklung der jungen Menschen.

Sie stehen am Anfang Ihrer wissenschaftlichen Karriere. Was sind Ihre bislang größten akademischen Erfolge?

Ich bin Teil eines Forschungsteams an der Fakultät für Psychologie der Universität Havanna, das kürzlich vom Ministerium für Hochschulbildung und für Wissenschaft, Technologie und Umwelt ausgezeichnet wurden. Wir untersuchten die soziale Heterogenität anhand der beruflichen Identität, der Bildungschancen und der Netzwerke des Zugangs zu materiellen und emotionalen Ressourcen. Eine weitere Auszeichnung von der kubanischen Akademie der Wissenschaften erhielt ich als Teil einer Gruppe von Psychologen, die während der Pandemie gruppenpsychologische Beratung angeboten hat. Das sind zwei große Erfolge für mich.

Gab es weitere wichtige Momente in Ihrer bisherigen Karriere?

Die Universität von Havanna war von Anfang an mein Zuhause und die Zeit an meiner Alma Marta hat mich sehr geprägt: Das Studium der Sozialpsychologie und die Organisation des ‚International Meetings of Psychology Students‘ – ein halbjährlicher Kongress, der von Studenten organisiert wird – waren sehr wichtige Stationen. Das Studium führte mich zu meinem aktuellen Forschungsthema und die Kongressorganisation gab mir das Selbstvertrauen, ein internationales Event auf die Beine zu stellen.

Apropos international: Was gefällt Ihnen an der Stadt und der Universität Münster?

Alle Menschen, mit denen ich mich ausgetauscht habe – Professoren, Studenten und Mitarbeiter der Universität – sind sehr freundlich, hilfsbereit und arbeiten mit großem Engagement für gemeinsame Ziele. Ich habe bereits gute Freundschaften geschlossen. Vor allem im Frühling in Münster zu starten war wunderschön. Durch die Coronapandemie konnte ich zwar viele Sachen nicht machen, aber ich habe die Stadt und das malerische Umland durch einige Ausflüge kennen und lieben gelernt.

Gibt es auch etwas, das Sie ein bisschen seltsam finden?

Einige Situationen finde ich tatsächlich zum Schmunzeln – vor allem in Bezug auf den Verkehr. Beispielsweise das Warten auf die grüne Ampel, auch wenn kein Auto da ist, die Pünktlichkeit der Busse und die Anzahl der Fahrräder. Unsere Kulturen sind in dieser Hinsicht unterschiedlich, und es hat Spaß gemacht, das zu entdecken.


Informationen zur Zusammenarbeit zwischen den Universitäten Münster und Havanna

Seit 2015 besteht eine Forschungskooperation zwischen der Fakultät für Psychologie der Universität von Havanna (UH) und der Abteilung für Klinische Psychologie und Psychotherapie am Institut für Psychologie der WWU. Zu der Zusammenarbeit gehören unter anderem gemeinsame Studien und die Präsentation von Forschungsergebnissen auf internationalen Konferenzen sowie der regelmäßige Austausch von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das International Office und das Rektorat unterstützen die Kooperation. Seit 2016 verbindet beide Einrichtungen ein „Memorandum of Understanding“ und seit 2018 ein „Mobility Agreement“ im Fach Psychologie. Durch die Zusammenarbeit soll der inhaltliche und methodische Austausch erweitert und für breitere Teile der Psychologie auf beiden Seiten zugänglich gemacht werden. Insbesondere im Fach Psychologie ist es wichtig, psychologische Phänomene aus möglichst unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und die Vielfalt im Denken, Handeln und Fühlen zu berücksichtigen.