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Münster (upm/bhe)

"Unwörter bieten einen dankbaren Ansatz für den Unterricht"

Sprachwissenschaftler Nils Bahlo bewertet das Unwort-Paar des Jahres 2020

Dr. Nils Bahlo<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Dr. Nils Bahlo
© WWU - Peter Leßmann

„Rückführungspatenschaften“ und „Corona-Diktatur“: Für das Jahr 2020 hat eine Jury aus  Sprachwissenschaftlern zum ersten Mal gleich zwei Unwörter des Jahres gekürt. Der Begriff „Rückführungspatenschaften“ bezeichnet einen neuen Mechanismus der Migrationspolitik, den die Jury für zynisch und beschönigend hält. Brigitte Heeke sprach mit Dr. Nils Bahlo vom Germanistischen Institut der Westfälischen Wilhelms-Universität (WWU) Münster über die Wahl.

Hat die Jury gut gewählt, oder hatten Sie selbst einen anderen „Favoriten“?

Die Wahl ist sehr passend! Im Mittelpunkt stehen oft Kontroversen, und das Unwort ‚Corona-Diktatur‘ hat international eine Diskussion angestoßen.

Zum ersten Mal gibt es zwei „Unwörter des Jahres“ – ist das symptomatisch für 2020, das viele ohnehin als eine Art Katastrophenjahr ansehen?

Ich finde es gut, dass die Jury trotz der Pandemie einen weiteren Begriff aus einem anderen Bereich in den Fokus rückt. Auch wenn solche Wahlen von der Wissenschaft mitunter belächelt werden, bieten die Unwörter einen dankbaren Ansatzpunkt beispielsweise für den Deutsch- oder Ethikunterricht.

Hat die Wahl von Unwörtern aus Ihrer Sicht überhaupt einen Effekt?

Auf jeden Fall. Zum einen entfaltet sich ihr Potenzial in der Diskussion mit Schülerinnen und Schülern. Auch die Resonanz in der Presse ist immer riesig. Jeder schreibt irgendetwas dazu. Manche hätten aus den Vorschlägen vielleicht andere ,Unwörter' ausgewählt als die Jury. Aber es gibt kein richtig oder falsch. Wir haben Glück, dass es in Deutschland eine solche Diskussion gibt.

Zum Hintergrund:

Eine ehrenamtliche Jury kürt jährlich Begriffe, die unangemessen sind, weil sie die Menschenwürde verletzen oder aus anderen Gründen in der öffentlichen Kommunikation nichts zu suchen hätten. Die Unwörter des Jahres weisen exemplarisch auf Verschiebungen von „Grenzen des Sagbaren“ hin. Das Projekt versteht sich nach eigenen Angaben als Seismograf für einen inhumanen, diskriminierenden, undemokratischen oder verschleiernden Sprachgebrauch in der Öffentlichkeit.

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