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Münster (upm)
Mehrere hundert Medizin-Studierende nehmen am „MediCOVID“-Programm teil, das sie fit macht für die Aufnahme und Versorgung von Corona-Patienten. In vorbereitenden Schulungen stand unter anderem der tiefe Rachenabstrich auf dem Stundenplan.<address>© WWU - Erk Wibberg</address>
Mehrere hundert Medizin-Studierende nehmen am „MediCOVID“-Programm teil, das sie fit macht für die Aufnahme und Versorgung von Corona-Patienten. In vorbereitenden Schulungen stand unter anderem der tiefe Rachenabstrich auf dem Stundenplan.
© WWU - Erk Wibberg

„Alle sind sehr umsichtig“

Medizin-Studentin Alexandra Schnieder schildert ihren Einsatz auf der Covid-19-Station im Universitätsklinikum

Es ist 5.45 Uhr: Der Wecker klingelt. Eigentlich viel zu früh für mich als Studentin. Nach dem morgendlichen Kaffee schwinge ich mich um 6.30 Uhr auf mein Rad. Eine Viertelstunde später betrete ich das Universitätsklinikum Münster, natürlich nicht ohne vorherige Hände-Desinfektion und mit einer Maske über Mund und Nase, die ein Sicherheitsmitarbeiter mir am Eingang in die Hand drückt. Jeder, der die Klinik betreten will, wird – sofern er keinen Mitarbeiterausweis vorlegen kann – nach einem Termin gefragt, denn Besuche oder sonstige nicht-dringende Erledigungen sind seit Wochen nicht mehr erlaubt. Ich laufe die langen, leeren Gänge entlang, um über das Treppenhaus im Westturm die Umkleiden auf Ebene 7 zu erreichen. Die Flure, auf denen sonst schon zu dieser frühen Uhrzeit ein reges Treiben herrscht, sind gespenstisch leer. Gegen 6.50 Uhr erreiche ich die Umkleide, die an die Schleusen vor dem OP-Bereich erinnert. Ich werfe mir meine grüne Dienstkleidung über und mache mich auf dem Weg zum Arztzimmer.

Um 7 Uhr wird der „Gong“ geschlagen, ein Zeichen für das gesamte Team der Covid-19-Station, dass nun das morgendliche Team-Time-Out ansteht. Bei dieser Besprechung wird zunächst die Lage auf der Station thematisiert. Wie viele Patienten sind aktuell auf der Station? Wie viele davon sind Verdachtsfälle? Wie viele haben eine bestätigte Infektion? Gab es besondere Vorkommnisse in der Nacht, und ebenso wichtig – gibt es Krankmeldungen innerhalb des Teams? Manchmal informiert uns der Oberarzt der Station zudem über neue Erkenntnisse aus Studien oder bespricht Informationen, die er von Kollegen erhalten hat. Insbesondere in den ersten Tagen herrschte unter allen ein Gefühl der Daueralarmbereitschaft, das sich inzwischen aber etwas beruhigt hat. Dennoch sind alle darauf vorbereitet, dass die Situation jederzeit kippen könnte.

Nach der Besprechung findet die ärztliche Übergabe statt. Aufnahmen, Entlassungen, Verlegungen, wichtige Untersuchungen und deren Ergebnisse werden besprochen, bevor der Nachtdienst in den Feierabend geht. Abschließend beginnt gegen 8 Uhr die Visite. Wir Studierende haben vor allem die Aufgabe, Dinge anzureichen und anzunehmen, die im Zimmer benötigt werden oder das Zimmer verlassen wie beispielsweise Blutentnahmen. Außerdem sind wir als sogenannte Hygiene-Spotter vor den Zimmern positioniert und beobachten das An- und Entkleiden der Kollegen, die Patientenzimmer betreten oder verlassen – denn tatsächlich ist das Ausziehen der Schutzkleidung fast schwieriger als das Anlegen.

Sollte sich versehentlich jemand kontaminieren, indem er sich beispielsweise mit dem Handschuh beim Entfernen der Schutzbrille ins Gesicht fasst, wird die Stelle umgehend mit Tupfer und Desinfektionsmittel gereinigt. Alle sind aber sehr umsichtig und bedacht, sodass solche Eingriffe die Ausnahme darstellen – aber sicher ist sicher! Im Gegensatz zu den Routinen anderer Praktika, die wir im Medizinstudium durchlaufen, ist unser direkter Patientenkontakt auf ein Mindestmaß beschränkt. Es kommt nur selten vor, dass wir Blut abnehmen oder Zugänge legen, da der zusätzliche Verbrauch von Schutzkleidung möglichst vermieden werden soll.

Der weitere Tagesablauf besteht im Wesentlichen aus Untersuchungen, Aufnahmen, Entlassungen und Ähnlichem, wobei wir Studierenden allenfalls assistieren oder leichte administrative Aufgaben übernehmen können. Häufig wartet man sehnlichst auf Abstrichergebnisse und Rückmeldungen aus den Laboren und der Virologie, denn diese entscheiden über die weitere Behandlung der Patienten.

Einen „klassischen“ Tagesablauf auf der Station gibt es nicht, denn die Tage sind sehr unterschiedlich und haben sich über die vergangenen Wochen stetig verändert. Während zu Beginn noch deutlich mehr Aufnahmen auf dem Plan standen und man das Gefühl hatte, sich möglicherweise auf einen Ansturm vorzubereiten, waren die Tage zuletzt erfreulicherweise sehr ruhig. Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie haben deutlich gegriffen, und die Fallzahlen sinken. Keiner weiß, wie sich die Lockerungen auswirken werden. Dieser Umstand der Ungewissheit darüber, wie es weitergeht, prägt den Alltag auf der Station besonders.

Um 13 Uhr endet meine Frühschicht, und nach einer kurzen Übergabe beginnen die Studienkollegen der Spätschicht, sich bis 19 Uhr um die Patienten zu kümmern. Natürlich würde auch ich mich nach meinem Feierabend gerne mit meiner Familie oder meinen Freunden treffen. Aber ich verzichte darauf, weil ich Angst habe, mich unwissentlich infiziert zu haben und das Virus weiterzugeben. Bis zum nächsten Wiedersehen gedulde ich mich – dem guten Zweck zuliebe.

Autorin: Alexandra Schnieder

Hintergrund:

Das „MediCOVID“-Programm der Medizinischen Fakultät der WWU ist eine freiwillige Fortbildung für Studierende, bei der sie die Aufnahme und Versorgung von Corona-Patienten in Krankenhäusern erlernen. Die Schulung besteht aus einem theoretischen Teil, den die Studierenden mittels einer eigens eingerichteten Website zu Hause absolvieren, und einer praktischen Schulung im „Studienhospital“ der Medizinischen Fakultät. Trainiert werden dort vor allem die Händedesinfektion, das richtige An- und Ablegen der Schutzkleidung sowie der Abstrich für den Corona-Test. Nach der Fortbildung unterstützen die Studierenden das Personal im Universitätsklinikum Münster, aber auch in anderen Lehrkrankenhäusern der WWU.

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben Nr. 3, Mai 2020.

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