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Münster (upm/jh)
Seit 1954 ist das Fürstbischöfliche Schloss der Hauptsitz der WWU Münster. Dieses Guckkastenbild des Kupferstechers Balthasar Friedrich Leizel entstand etwa zur Gründungszeit der Universität im Jahr 1780.<address>© Balthasar Friedrich Leizel [Public domain]</address>
Seit 1954 ist das Fürstbischöfliche Schloss der Hauptsitz der WWU Münster. Dieses Guckkastenbild des Kupferstechers Balthasar Friedrich Leizel entstand etwa zur Gründungszeit der Universität im Jahr 1780.
© Balthasar Friedrich Leizel [Public domain]

Jürgen Overhoff über die Gründungsgeschichte der WWU

„Premierminister Fürstenberg wollte hoch hinaus“

In wenigen Jahren feiert die Universität Münster ihren 250. Geburtstag. 1773 stellten Papst Clemens XIV. und Kaiser Joseph II. Privilegien aus, am 16. April 1780 wurde die Universität durch Franz von Fürstenberg feierlich konstituiert. In welchem geistesgeschichtlichen Zusammenhang die Gründung der Hochschule steht, hat Erziehungswissenschaftler und Historiker Prof. Dr. Jürgen Overhoff untersucht. Erste Ergebnisse hat er im Sammelband „Katholische Aufklärung in Europa und Nordamerika“ veröffentlicht, der kürzlich erschienen ist. Im Interview mit Julia Harth ordnet er die Hintergründe ein.

Welche Ziele wurden mit der Einrichtung der Universität in Münster verfolgt?

Die Gründung der Universität steht im geistesgeschichtlichen Kontext der katholischen Aufklärung. Der münstersche Premierminister Franz Freiherr von Fürstenberg wollte aller Welt vor Augen führen, dass ein bis dahin als rückständig beschriebenes geistliches Fürstentum sich an die Spitze der Aufklärungsbewegung stellen konnte – ohne dabei seine katholische Prägung und Identität aufzugeben. Münster sollte die grundsätzliche Vereinbarkeit von katholischer Frömmigkeit und moderner Wissenschaft demonstrieren und dabei offen mit den lutherischen Universitäten Jena, Halle und Göttingen konkurrieren, die damals auch international zu den besten Hochschulen ihrer Zeit zählten. Fürstenberg wollte mit der Universität Münster hoch hinaus, er war ehrgeizig und hatte Ambitionen.

Wie schätzen Sie die Bedeutung der ersten münsterschen Universität ein, die bis 1818 existierte?

Münster ist, bei vergleichender Betrachtung, die bedeutendste und wirkmächtigste Neugründung einer katholischen Universität im deutschen Reich des 18. Jahrhunderts. Sie fand als solche zum Zeitpunkt ihrer Errichtung auch in den internationalen Journalen und Gelehrtenzirkeln starke Beachtung. Schon in der Gründungsphase gehörten einige ihrer Professoren, wie der Jurist Anton Matthias Sprickmann, zu den führenden Wissenschaftlern Deutschlands. Dass eine katholisch geprägte Universität wissenschaftliche Exzellenz bieten konnte, wurde anderswo als Inspiration wahrgenommen. So wurde wenige Jahrzehnte später im benachbarten Belgien die heute als Spitzenuniversität geltende Katholieke Universiteit Leuven gegründet, wo der Jesuitenpater Georges Lemaître im Jahr 1927 die Urknall-Theorie formulierte. Eindrücklicher kann man nicht unter Beweis stellen, dass Religiosität und Wissenschaft sich gut ergänzen.

Prof. Dr. Jürgen Overhoff<address>© WWU - Laura Grahn</address>
Prof. Dr. Jürgen Overhoff
© WWU - Laura Grahn
Wie wirkte sich die Gründungsgeschichte auf die Entwicklung der Universität aus?

Die katholische Gründungsgeschichte hat Münster über die längste Zeit der Existenz dieser westfälischen Hochschule stark geprägt. Wissenschaft sollte dem Menschen dienen, die katholische Soziallehre war dabei stets eine feste Größe. Auch wenn sich die Universität Münster im Dritten Reich – wie alle anderen deutschen Universitäten – schuldhaft in die NS-Politik verstrickte, ist es in meinen Augen kein Zufall, dass mit Bischof von Galen ein Mann öffentlich gegen die Machthaber predigte, der an der Universität Münster einen Teil seiner Ausbildung erhalten hatte. Heute passt es sehr gut zu den ältesten Traditionslinien der Universität, dass die Vereinbarkeit von Religion, Wissenschaft und Gesellschaft in Lehre und Forschung noch immer eine gewichtige Rolle spielt – jetzt allerdings in konfessionsübergreifender Perspektive. Zu nennen sind etwa neben den beiden christlichen theologischen Fakultäten auch das Zentrum für Islamische Theologie, das Institut für Jüdische Studien oder der Exzellenzcluster ‚Religion und Politik‘.

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben, Nr. 7, November 2019.

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