|
Münster (upm/ja)
Prof. Dr. Carmen Binnewies beschäftigt sich in ihrer Forschung vor allem mit Fragen der sogenannten Work-Life-Balance.<address>© WWU – MünsterView</address>
Prof. Dr. Carmen Binnewies beschäftigt sich in ihrer Forschung vor allem mit Fragen der sogenannten Work-Life-Balance.
© WWU – MünsterView

Expertin für Leistungserhalt – und für Erholung

Besonders vor Ferienzeiten ist Psychologie-Professorin Carmen Binnewies eine gefragte Interview-Partnerin

„Einfach mal Pause machen!“ Auf einem Kalenderblatt im Büro von Prof. Dr. Carmen Binnewies räkelt sich eine Katze. Damit sind zwei wichtige Themen im Leben der gefragten Arbeits- und Organisationspsychologin der Universität Münster zusammengefasst: ihr Spezialgebiet die "Work-Life-Balance", wozu naturgmäß auch Pausen gehören, und die beruhigende Atmosphäre schnurrender Katzen. Samtpfoten spielen eine große Rolle bei der 39-Jährigen: „Die bringen mich nach der Arbeit gut runter.“

Carmen Binnewies hat in kurzer Zeit viele Stufen der akademischen Karriereleiter erklommen: Studium in ihrem Geburtsort Braunschweig, Promotion in Konstanz, Juniorprofessur mit Ende 20 in Mainz. „Meine erste Bewerbung auf eine ordentliche Professur in Münster war als eine Art Übung gedacht. Mit 31 Jahren hielt ich das für eine verrückte Idee“, erinnert sie sich. Es klappte auf Anhieb.

Münster wurde 2012 zur neuen Heimat der Erholungsexpertin. Vor allem vor den Ferienzeiten ist sie eine bundesweit gefragte Ratgeberin. Mal schildert sie Strategien gegen ein „Burn Out“, mal widmet sie sich einem Thema wie dem „Sabbatical“, ein anderes Mal gibt sie ein Interview zum Erholungs-Einmaleins. Was im Übrigen auch für sie Vorteile mit sich brachte. „Die Journalisten haben mich auf einige Forschungsinhalte gebracht“, betont sie.

Während sie sich in ihrer Doktorarbeit mit der arbeitspsychologischen Frage beschäftigte, wie Erholung für den „Leistungserhalt“ bei Beschäftigten sorgt, geht es heute zusätzlich um viele lebenspraktische Fragen. Erst kürzlich fand sie zum Beispiel in einer Studie heraus, dass Menschen sich weniger gut erholen, je öfter sie sich im Urlaub in sozialen Netzwerken tummeln.

Kein Wunder also, dass der Name der Psychologin in Suchmaschinen sofort mit Begriffen wie Urlaub und Erholung in Verbindung gebracht wird. Und wie sorgt die Fachfrau für „Work-Life-Balance“ in ihrem Privatleben für einen ausgewogenen Lebensstil? „Mal so, mal so“, berichtet sie. „Auch bei mir wechseln sich Phasen großer Anspannung mit entspannten Zeiten ab. Der Ausgleich klappt heute besser als früher“, berichtet sie. Als besonders stressig habe sie ihre PostDoc-Phase in Mainz in Erinnerung. „Zu der Zeit habe ich zeitweise nur unter Anspannung gestanden, hatte extreme Schlafprobleme.“

Als Professorin ist neben der Forschung und Lehre die Gremienarbeit hinzugekommen – plus sogenannte Präsenzzeiten, die manchmal ausufern. „Mein Büro wird nicht selten zum Meetingraum.“ Was sie dabei am meisten stresse, seien unerwartete Besuche und der Druck, sich für ein Nein rechtfertigen zu müssen.

Eine Antwort darauf war der zeitweilige Rückzug ins Homeoffice. Einen Tag pro Woche arbeitet sie in den eigenen vier Wänden ihre vielen Aufgaben weitgehend störungsfrei ab. Die einzigen „externen Zeitgeber“ sind an diesen Tagen ihre sechs Maine-Coon-Katzen. Die als besonders anhänglich geltenden und auch Hundkatzen genannten Schmuse-Vierbeiner verhielten sich manchmal wie Clowns und buhlten ständig um Beachtung. „Die Katzen sind meine Insel im Lebenstrubel. Sie sorgen für meine Work-Life-Balance“, schwärmt sie.

Sowohl ihre Expertise als Arbeits- und Organisationspsychologin als auch ihre persönliche Lebenserfahrung haben ihr gezeigt, dass es nicht den einen, den optimalen Weg „nach Lehrbuch“ im Umgang mit Stress, Erholung, Anspannung und Ausgeglichenheit gibt. „Es gibt nur einen individuellen Weg. Jeder muss für sich selbst herausfinden, was stresst und was hilft, Ruhe zu finden“, sagt sie.

Für Entschleunigung sorgt im Hause Binnewies neuerdings auch Heim- oder Gartenarbeit, seit sie ein eigenes Häuschen unweit von Münster hat. „Der Effekt, dass man sofort sieht, was man geschafft hat, war die Erkenntnis schlechthin für mich“, sagt sie. Zu ihrem Münster-Start in einer kleinen Wohnung hatte sie sich noch das Buch gekauft „Balkonideen für Ungeduldige“. Heute empfinde sie körperliche Arbeit im Grünen wie eine Auszeit.  

Ein weiteres Muss für einen gesunden Ausgleich sind für die Psychologin zwei mal zwei Wochen Auszeit im Frühjahr und im Herbst. Was sie im Urlaub macht, sei unterschiedlich, ein Strandtyp war sie noch nie. Nichtstun allerdings – auch damit hat sie öffentlich schon oft aufgeräumt – ist nicht die Lösung schlechthin. Deshalb nennt sie ehrenamtliches Engagement als möglichen Ausgleich zum Arbeitsleben.

Eine weitere Kraftquelle ergab sich erst im Professoren-Dasein. Carmen Binnewies empfindet Kongressferien oder Konferenzreisen als „Luxusanteil am Wissenschaftsleben“. „Das mag verrückt klingen – aber einen Museums- oder Café-Besuch an einen Vortrag dranzuhängen, ist sehr erholsam für mich.“

Autorin: Juliane Albrecht

 

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung „wissen|leben“ Nr. 4, 5. Juni 2019.

Links zu dieser Meldung