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Das aktuelle Siegel zeigt die Madonna mit Krone, Zepter und Reichsapfel sowie dem Jesuskind auf ihrem Arm. Das Marienbildnis hat eine lange WWU-Geschichte: Es war viele Jahrzehnte in Gebrauch seit Gründung der Hochschule 1780.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Das aktuelle Siegel zeigt die Madonna mit Krone, Zepter und Reichsapfel sowie dem Jesuskind auf ihrem Arm. Das Marienbildnis hat eine lange WWU-Geschichte: Es war viele Jahrzehnte in Gebrauch seit Gründung der Hochschule 1780.
© WWU - Peter Leßmann

Hoheitliches im fürstlichen Schloss

Teil 5 der Serie "Unter Verschluss an der WWU": Das SIGILLUM der Universität und zig Briefstempel

Das Wort "hoheitlich" fällt schnell und oft, wenn man mit Ellen Buick über die Stempel und das Siegel der WWU Münster spricht. Es lässt einen kurz innehalten wie bei einem Staatsakt: Jeder offizielle Vorgang der Hochschule, jede Prüfung, jeder Erlass oder Vertrag wird mit dem kleinen runden, teils hölzern eingefassten Büro-Utensil "verbrieft". Damit ist das Schriftstück juristisch gegenüber Dritten gerechtfertigt, ob für die Doktorarbeit, den Nachweis von Studienleistungen für BAföG-Leistungen, Arbeitsverträge oder für Dienstausweise.

Siegelstempel sind kein Büromaterial im herkömmlichen Sinne, auch wenn sie eher schlicht aussehen. Die Sammlung der Universität ist auch keine wie die von seltenen Museumsstücken. Aber sie sind wie andere Arsenale von Raritäten an der Hochschule unter Verschluss und wertvoll im übertragenen Sinne. Denn Prüfungen gelten erst etwas, wenn der Akt mit Stempel und Unterschrift bewiesen ist. Offizielle Stempel und das damit eingefasste Siegel (lat. Sigillum, dt. Bildchen) sind eine Art Unterschrift der Universität.

Der Begriff "hoheitlich" macht noch eines deutlich: So ganz genau erfährt nicht jeder, wo die Siegel lagern und wer genau sie in den einzelnen Büros verwaltet. "Es sind schließlich keine 08/15-Stempel wie der gängige für den 'Posteingang'", erklärt Ellen Buick, die für die sogenannte Siegelführung zuständig ist. Wie die 55-Jährige selbst sagt, will sie den Blick der Mitarbeiter für die trivial wirkenden Stempel schärfen. Manchmal muss sie es auch nachdrücklich tun, damit die amtlichen Stücke und deren Ansehen nicht leiden. Das ist nicht von der Hand zu weisen, schließlich hat die Hochschule mehrere Tausend Beschäftigte, Fluktuation inklusive. Und "Siegelbruch", also das Zerstören eines amtlich angebrachten Siegels, ist hierzulande strafbar.

Ellen Buick, die seit 2012 die Stempel der Universität beaufsichtigt, neue ordert und für die Vernichtung alter Stempel sorgt, ist qua Amt fit in Rechtskunde. Die Beamtin kennt sich aus mit ihren Gesetzestexten und Verordnungen. Der Verlust eines Siegelstempels wird beispielsweise nicht einfach nur zur Kenntnis genommen und abgehakt – es muss sogar im Amtsblatt veröffentlicht werden.

Jede Abteilung hat ihre eigenen und allgemeinen Stempel. Für den Besitz oder die Nutzung eines Dienstsiegels sind bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen. An der WWU sind derzeit rund 500 Dienstsiegel im Einsatz. Einen Antrag kann jeder formlos stellen unter Angabe des Arbeitsfeldes und Begründung, warum ein einzelnes Dienstsiegel notwendig ist. Es folgt eine Prüfung, ob es nicht die Möglichkeit einer gemeinsamen Nutzung in einer Dienststelle gibt, oder ob im Umfeld bereits ein Dienstsiegel vorhanden ist. "Grundsätzlich sagt die Richtlinie, dass bis zu drei Personen ein Siegel gemeinsam nutzen können. Manchmal – aus räumlichen Gründen oder wegen Teilzeit – ist eine 'Mehrfach-Nutzung' nicht möglich." Einerseits geht es Ellen Buick um einen sinnvollen Siegel- und Stempelumgang, zudem um einen regelkonformen – vor allem "um Missbrauch zu verhindern".

Die im Safe gesicherte „Unterschrift“ der Universität: das Stempel-Refugium von Ellen Buick.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Die im Safe gesicherte „Unterschrift“ der Universität: das Stempel-Refugium von Ellen Buick.
© WWU - Peter Leßmann
Die Geschichte des zentralen WWU-Stempels ist Ellen Buick geläufig. Erst seit einigen Jahren ist das nordrhein-westfälische Landeswappen nicht mehr das aktuelle Dienstsiegel. Im offiziellen "Siegel-Jargon" der Universitäts-Richtlinie heißt es zum neuen: "Dieses Dienstsiegel zeigt Maria mit Krone, Zepter und Reichsapfel sowie dem Jesuskind auf ihrem Arm. Die 'Madonna' ist umrandet mit einem Blumenkranz und der Schrift SIGILLUM UNIVERSITATIS MON[ASTERIEN]SIS sowie der Bezeichnung Westfälische Wilhelms-Universität Münster im äußeren Ring." Die Madonna ist keine Neuerfindung, sondern geht auf die Gründungszeit der Hochschule im 18. Jahrhundert zurück.

Bei Absolventen aus früheren bundesrepublikanischen Zeiten ist von einer Madonna noch nichts zu sehen. Seit 1956, berichtet Ellen Buick, führte die Universität Münster das Landeswappen als Dienstsiegel. "Das war das aufbäumende Pferd, dass im NRW-Wappen für den westfälischen Landesteil steht." Offiziell heißt das springende Pferd noch heute das "steigende, silberne Westfalenross". Einige Jahrzehnte lang war die Hochschule dem Land zugeordnet. "Heute", sagt die Kennerin der Materie, "haben wir ein eigenes, damit die Freiheit auch dokumentiert ist."

Autorin: Juliane Albrecht

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung "wissen|leben" Nr. 2, 3. April 2019.

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