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Münster (upm)
Kernphysiker Prof. Dr. Anton Andronic präsentiert den Prototyp eines älteren, kleinen Detektors, der Elektronen und Protonen nachweist.<address>© WWU - Gerd Felder</address>
Kernphysiker Prof. Dr. Anton Andronic präsentiert den Prototyp eines älteren, kleinen Detektors, der Elektronen und Protonen nachweist.
© WWU - Gerd Felder

Die Geheimnisse des Anfangs der Welt

Für den Kernphysiker Prof. Dr. Anton Andronic sind Glaube und Wissenschaft keine Gegensätze

Physik ist ein total trockenes, langweiliges Fach, mit dem man niemanden hinter dem Ofen hervorlockt? Wer das meint, hat noch nie Prof. Dr. Anton Andronic erlebt. Wenn er komplizierte Vorgänge wie die Entstehung der Materie nach dem Urknall erklärt, dann werden physikalische Themen auf einmal so spannend wie ein Krimi. Engagiert, mit Feuer und Leidenschaft, mit Händen und Füßen gestikulierend – die Erläuterungen des Lehrstuhlinhabers für Kernphysik an der Universität Münster lassen den Zuhörer niemals kalt. „Lehre und Forschung gehören zusammen“, unterstreicht er. „Der Inhalt muss stimmen, aber die Präsentation auch.“

Geboren wurde Anton Andronic im Jahr 1966 in dem rumänischen Dorf Partestii de Sus, das zur Bukowina gehört. Dort betrieben seine Eltern einen kleinen Bauernhof. Nach der Dorf-Grundschule wechselte er auf das Lyzeum in der nahe gelegenen Stadt Suceava und legte dort 1984 das Baccalaureat (Abitur) ab. Ein Jahr Wehrdienst folgte, bevor er an der Universität Bukarest das Studium der Physik aufnahm. „Ich hatte in Physik und Mathematik sehr gute Lehrer, die mein Interesse geweckt haben“, berichtet er. Außerdem hatte er schon als Jugendlicher mit großer Begeisterung Bücher über Kern- und Teilchenphysik sowie Kosmologie gelesen.

Ausgerechnet im Jahr 1990, in einer hochspannenden Umbruchszeit für Rumänien, absolvierte er das Diplom. „Unter der Ceausescu-Diktatur waren die Unterdrückung und Überwachung stark“, erinnert er sich. „Besonders die 80er-Jahre waren für unser Land schlimm, die Zukunft schien verbaut. Aber als die Rumänen plötzlich in Massen auf die Straßen gingen, war das ein stolzer Moment.“ Plötzlich standen dem damals 24-Jährigen alle Möglichkeiten offen, und er musste sich selbst fragen, ob das Wirklichkeit oder Traum war. „Unglaublich!“, sagt er noch heute. Nicht lange danach erhielt er ein Angebot, an der Universität Bukarest zu promovieren, genoss aber erst einmal das freie Leben und besuchte viele Rock- und Jazz-Konzerte. „Wir waren so durstig nach allem, dass ich erst 1995 richtig mit der Doktorarbeit begonnen habe.“ Anton Andronic nutzte die Zeit für einen Forschungsaufenthalt in Catania (Sizilien/Italien) und erhielt nach der Promotion in Bukarest 1998 ein Angebot für eine Postdoktorandenstelle am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt. Er nahm an – und sollte am Ende 20 Jahre in Darmstadt bleiben.

Anton Andronics Hauptforschungsgebiet ist die Entstehung des Universums. Alle Wissenschaftler sind sich heutzutage einig, dass unser Weltall einen Anfang hatte. Dieser Urzustand dehnte sich aus und kühlte sich ab, und es dauerte nur etwa zehn Millionstel Sekunden, bis die Bausteine der Materie unserer heutigen Alltagswelt entstanden. Diesen „Phasenübergang“ von sich frei bewegenden Quarks und Gluonen, zwei Arten von Elementarteilchen, zu Protonen und Neutronen sowie zu mehreren anderen Teilchen haben Forschungen eines internationalen Wissenschaftlerteams, zu dem auch Anton Andronic gehört, jetzt sehr gut charakterisiert. Die Daten stammen aus langjährigen Untersuchungen im Rahmen des Experiments „ALICE“ am Teilchenbeschleuniger „Large Hadron Collider“ (LHC) des Kernforschungszentrums „CERN“ bei Genf. „Wir haben keine andere Chance für unsere Untersuchungen, als die Zusammenstöße von Atomkernen zu beobachten, durch die Materie und Antimaterie erzeugt werden, die identisch mit dem Urknall sind – nur mit sehr viel geringerer Ausdehnung natürlich“, erläutert er. Die Temperatur, bei der Teilchen wie Protonen und Neutronen sich bildeten, aus denen die Kerne von Atomen bestehen, konnte mit extrem hohen 156 Megaelektronenvolt – das ist 120.000-mal heißer als das Innere der Sonne – bestimmt werden. Dafür musste ein winziges Stück von Urknall-Materie rekonstruiert werden, in welcher sich auch im Labor, wie in den allerersten Augenblicken des Universums vor 13,7 Milliarden Jahren, Quarks und Gluonen frei in einem Quark-Gluon-Plasma bewegten.

Wo aber ist im Rahmen dieser Forschungen über den Anfang der Welt noch Platz für einen Schöpfergott? Nach Ansicht der meisten Physiker: nirgends. Anton Andronic aber sieht das ganz anders. Er ist überzeugt: Gott steht am Anfang und am Ende der Welt. Zum Nachdenken über den Sinn des Lebens brachte ihn der frühe Tod eines engen Freundes. Warum stirbt der Mensch? Was bleibt von ihm? Gibt es eine Möglichkeit, weiterzuleben? Die Antwort auf solche bohrenden existenziellen Fragen fand er im Christentum. „Die Physik kann die tiefen Hintergründe der Existenz nicht erklären“, unterstreicht er. Bestätigt fühlt er sich durch angesehene Physiker, die Glaube und Naturwissenschaft keineswegs für Gegensätze halten. Der rumänisch-orthodoxe Metropolit Serafim (Nürnberg) hat ihn vor einiger Zeit zum ehrenamtlichen Diakon ernannt; in seiner Kirche stimmt er die sogenannte Ektenie, ein wichtiges Gebet der Gemeinde, an und predigt ab und zu.

Gerne würde Anton Andronic seine Tätigkeit weiter auf das sozial-karitative Gebiet ausdehnen, aber dazu fehlt ihm die Zeit, denn seine Forschungen nehmen ihn zu sehr in Anspruch. „Die genaue Bestimmung der Urknall-Materie steht noch aus“, verrät der Experte die Zielrichtung seiner Bemühungen. Ab 2021 beginnt eine neue Phase, in der der Teilchenbeschleuniger in Genf und auch die Detektoren verbessert werden, und in Darmstadt ist darüber hinaus ein neuer Beschleuniger im Bau, der 2025 fertig werden soll. „Die nächsten zehn Jahre werden hochspannend“, ist Anton Andronic sicher.

Autor: Gerd Felder

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung „wissen|leben“ Nr. 2, 3. April 2019.

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