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Münster (upm)
Bereits zu Schulzeiten stand für Gülsüm Dal-Izgi fest, dass sie sich nach dem Abitur mit dem Thema Religion auseinandersetzen würde.<address>© WWU - Peter Leßmann</address>
Bereits zu Schulzeiten stand für Gülsüm Dal-Izgi fest, dass sie sich nach dem Abitur mit dem Thema Religion auseinandersetzen würde.
© WWU - Peter Leßmann

Eine Exotin an der Universität

Gülsüm Dal-Izgi hat Islamische Theologie und Katholische Religionslehre studiert und ist damit eine außergewöhnliche Brückenbauerin

Vorurteile über den Islam und Muslime gibt es in Deutschland viele. Was bedeutet das Kopftuch für die Gleichberechtigung der Frau? Gibt es gefährliche Parallelgesellschaften? Ist der Islam rückständig? Sind Muslime zu wenig integriert? Immer wieder werden in Gesellschaft und Politik diese und weitere Fragen kontrovers diskutiert. "Der Islam wird häufig pauschalisiert. Gerade in heutigen Zeiten sollte man viel mehr auf die Gemeinsamkeiten der Religionen hinweisen", betont Gülsüm Dal-Izgi. Deshalb hat die Studentin Islamische Theologie und Katholische Religionslehre an der WWU studiert und ist mit dieser Fächerkombination eine Exotin.

"Bei meiner Einschreibung haben die Mitarbeiter im Studiensekretariat zunächst die Augenbrauen gehoben und waren irritiert", erinnert sich die heute 26-Jährige und lacht. Trotz des Erstaunens hielt Gülsüm Dal-Izgi an ihrem Vorhaben fest und schloss im März dieses Jahres ihr Bachelor-Studium erfolgreich ab. Mittlerweile absolviert sie in den Fächern Islamische Theologie und Philosophie ihren Master in Münster.

Aufgewachsen ist Gülsüm Dal-Izgi in Dortmund. Heute lebt sie mit ihrem Ehemann in Lünen. Bereits zu Schulzeiten stand für sie fest, dass sie sich nach dem Abitur mit dem Thema Religion auseinandersetzen möchte. Als einzige Muslima wählte sie evangelische Religion als Schulkurs. "Mein Religionslehrer hat mich darin bestärkt, meine Interessen weiterzuverfolgen", erzählt Gülsüm Dal-Izgi. "Ich wollte mich aber zunächst mit meiner eigenen Religion beschäftigen." Deshalb studierte sie ab dem Wintersemester 2012/13 Islamische Theologie und ab dem Wintersemester 2014/15 zusätzlich Katholische Religionslehre im Zwei-Fach-Bachelor. Unter den mehr als 44.000 Studierenden an der WWU gibt es derzeit nur einen weiteren Studierenden mit dieser außergewöhnlichen Studienwahl.

"Diese Fächerkombination gibt Gülsüm Dal-Izgi die Möglichkeit, sowohl die innerislamischen als auch innerkatholischen Diskurse kennenzulernen, sie miteinander zu vergleichen und darüber zu reflektieren. Dies sind wichtige Erfahrungen, die unsere Mehrheitsgesellschaft benötigt und wodurch sie bereichert wird. Als Expertin für beide Religionen ist Gülsüm Dal-Izgi eine Brückenbauerin und Dialogexpertin. Zugleich kann sie durch ihre Expertise Stereotypen aufheben und den interreligiösen Dialog vorantreiben", sagt Hanane El Boussadani. Die Studienkoordinatorin am Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) kennt Gülsüm Dal-Izgi seit Beginn ihres Studiums und steht ihr beratend zur Seite.

Dr. Clauß Peter Sajak, Professor für Religionspädagogik am Institut für Katholische Theologie und ihre Didaktik, hebt hervor: "Gülsüm Dal-Izgi hat so die Möglichkeit – mehr noch als eine Religionswissenschaftlerin – die gelehrte wie gelebte Tradition zweier religiöser Systeme kennenzulernen. Da gegenwärtig gerade der Islam und das Christentum den Religionsdiskurs in unserer Öffentlichkeit bestimmen, scheint mir die Kombination von katholischer und islamischer Theologie eine mehr als sinnvolle und relevante Initiative zu sein. Es ist zu wünschen, dass sich noch mehr Studierende ein solches Doppelstudium zumuten und zutrauen."

Ihr Wissen vermittelt Gülsüm Dal-Izgi unter anderem in mehreren Workshops zum Thema "interreligiöser Dialog" in der Erwachsenenbildung. "Dabei möchte ich die Wissenschaftssprache für die breite Öffentlichkeit übersetzen", erläutert die Studentin. "Zahlreiche Teilnehmer sind zunächst skeptisch. Aber Religion bietet eine gute Chance, um ins Gespräch zu kommen. Ich sehe den wissenschaftlichen Diskurs immer im Einklang mit der Gesellschaft." Außerdem arbeitet sie seit 2017 als studentische Hilfskraft am ZIT.

Wo Gülsüm Dal-Izgi der Masterabschluss beruflich hinführt, weiß sie im Moment noch nicht. "Ich kann mir durchaus vorstellen, in der Forschung zu arbeiten. Aber zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich mich noch nicht festlegen, sondern mich ausprobieren und weiterentwickeln. Ich brauche das Kitzeln in meinem Gehirn", unterstreicht die junge Frau.

Auch wenn die berufliche Zukunft von Gülsüm Dal-Izgi noch offen ist, eines steht bereits jetzt fest: Sie möchte dazu beitragen, Vorurteile zwischen Christen und Muslimen innerhalb der deutschen Gesellschaft abzubauen. Und das geht ihrer Meinung nach nur auf einem Weg. "Ich rede nicht über Christen und Muslime, sondern mit ihnen. Dafür nutze ich mein Wissen über das Christentum gepaart mit meinem eigenen muslimischen Hintergrund."

Autorin: Kathrin Nolte

Dieser Artikel stammt aus der Unizeitung wissen|leben, Nr. 8, 12. Dezember 2018.

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