Profil der Professur
Die Professur für Kalām, islamische Philosophie und Mystik bildet den systematischen Kernbereich der islamischen Religion am Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) ab. Seit Juli 2016 wird die Professur von Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi verantwortet, der diese drei Fachdisziplinen der islamischen Gelehrtentradition vollumfänglich in seiner Lehre und Forschung vertritt. In ihrer Einheit bilden diese drei Disziplinen insofern eine Grunddisziplin am Zentrum für islamische Theologie, als die systematische Theologie, ihre philosophische Grundlegung und spirituelle Fundierung die religiösen Fundamentalfragen historisch einordnen, systematisieren und ihre Bedeutung und Normativität für unsere Gegenwart, d.h. auch interreligiös und interdisziplinär erarbeiten. Und doch stehen Kalām, Islamische Philosophie und Mystik selbstständig auf einem jeweils eigenen Fundament, ja sie fungieren gleichsam als Herausforderung füreinander.
Kalām: Entwickelte sich die Kalāmwissenschaft zunächst als eine apologetische Fachdisziplin, so verfolgt sie in Münster ein dezidiert anderes Profil. Als theologische Grundlagenwissenschaft fragt sie nach der Möglichkeit und Wirklichkeit eines Glaubens, der sich aus der Offenbarung des einen Gottes her begreift. Insofern versteht sie sich als einen Ausgriff auf die fundamentalen Fragen der islamischen Religion im Kontext gegenwärtiger, pluraler Anfragen – mit dem klaren Ziel ihrer rationalen Erfassung. In dialogischer und kritischer Auseinandersetzung mit den klassischen Kalāmschulen soll eine Theologie (Neo-Kalām) entworfen werden, die zum einen philosophisch-rational fundiert ist und zum anderen Offenbarungsbedingungen mitträgt, um den Herausforderungen der gegenwärtigen Zeit im Gespräch mit den Natur-, Sozial- und Kulturwissenschaften Rechnung zu tragen.
Islamische Philosophie: Die Frage nach dem Zusammenhang der Philosophie und Religion im religiösen Denken des Islams ist hier zentral. Dabei ist nicht nur die historische Genese der islamischen Religionsphilosophie in ihrer vielfältigen Perspektivität Kern der Forschung und Lehre, sondern allen voran geht es um die systematische Frage, wie eine genuin islamische Religionsphilosophie methodisch und inhaltlich im heutigen Wissenschaftsdiskurs zu verstehen ist. Welche Stellung hat die Philosophie innerhalb der Religion des Islam? Was ist islamische Philosophie? Oder genauer: Was ist islamisch an dieser Philosophie? Und: Was ist das Religiöse am Islam? Worin liegt die innere Notwendigkeit der islamischen Religionsphilosophie – heute? Über das Interesse der Islamwissenschaft an der „islamischen Philosophie“ hinaus, die dezidiert historisch, philologisch orientiert ist, geht es in Münster um die Philosophie selbst. Die Kernfrage ist, wie der Islam überhaupt in unserer postmetaphysischen und postmodernen Gegenwart, die weder peripatetisch-neuplatonisch noch überhaupt substanzmetaphysisch offenbar in ihren Gründen, Inhalten und Praktiken zeitgemäß begründbar und rekonstruierbar ist, philosophisch begründet werden kann.
Islamische Mystik: Innerhalb der islamischen Geistesgeschichte bildet die Mystik keine religiös-theologische Randerscheinung, sondern den fundierenden Kern des Glaubens – in spiritueller, ästhetischer und epistemischer Hinsicht. Diesem Anspruch der Mystik wird in Münster systematisch durchdacht, um die Relationen zwischen Mystik und Religion, Mystik und Gesellschaft und Mystik und Erkenntnis nachzuspüren. Dabei werden neben den klassisch-systematischen Werken der arabischen Sprache in Forschung und Lehre besonders poetische Traditionen der persischen Sprache und Urdu berücksichtigt. Interdisziplinäre und interreligiöse Perspektiven und Methodiken sowie eine kritische Würdigung dieser Fachdisziplin islamsicher Gelehrsamkeit sind dieser Erforschung selbstverständlich.
Mit dieser Expertise wirkt die Professur bei der Erarbeitung, Konzeption, Struktur und inhaltlichen Prägung der Curricula diverser Studiengänge (BA und MA) am Zentrum für islamische Theologie. Im Sinne des Dialogs zwischen Theologie und Gesellschaft engagiert sich Prof. Karimi für Wissenstransfer und Öffentlichkeitsarbeit seit Oktober 2016 zum einen mit über 200 Vorträgen, Podiumsdiskussionen, diversen Radio- und Fernsehbeiträgen, zahlreichen Essays und Interviews für Tageszeitungen und Journals. Und zum anderen mit Monographien, die ein breiteres Publikum erreichen.
Die vielschichtigen Forschungsprozesse der Professur sind der Etablierung der islamischen Theologie an den deutschen Universitäten verpflichtet, indem sie zum einen mit Übersetzungen, Einführungsliteraturen und rationalen sowie hermeneutischen Kontextualisierungen Grundlagenarbeit leistet und zum anderen mit innovativen, interreligiösen und interdisziplinären Forschungsbeiträgen im Dialog mit nationalen und internationalen Forscher*innen den wissenschaftlichen Diskurs mitprägt. Zudem verfolgt sie durch Konferenzen, Fachpublikationen, öffentliche Vorträge und medialer Partizipation das Ziel, einen nachhaltigen Beitrag dafür zu leisten, dass die Bedeutung und der Stellenwert der islamischen Theologie für die Fachwelt und für die Gesellschaft sichtbar und erkennbar werden.