Fellow-Lecture: „Der behinderte Zugang zu Kultur – Über Barrierefreiheit und mehr“
© Universität Münster | Stefan Klatt

Am Montag, den 3. November 2025, 16.15–18.30 Uhr, hält Prof. Dr. Siegfried Saerberg seine Fellow-Lecture zum Thema „Der behinderte Zugang zu Kultur – Über Barrierefreiheit und mehr“ (Ort: Raum 201, Philosophikum, Domplatz 23, 48143 Münster):

Artikel 30 der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen garantiert behinderten Menschen den uneingeschränkten Zugang zu kulturellen Gütern. Trotz weitgehender Akzeptanz von Inklusion und Partizipation findet sich jedoch in der Praxis eine sehr unvollkommene Umsetzung dieser Postulate. Warum?

In seinem Vortrag reflektiert Saerberg unsichtbare Voraussetzungen der Kunst- und Kulturrezeption in musealen Kontexten. Diese sind an sozio-kulturell normierte Standardkonzepte von Körpern und Kognition gebunden: Museales Handeln referiert auf einen Normal-Körper, der einen gehend/stehenden, sehenden und hörenden Standardkörper voraussetzt, der zudem über einen breiten kulturell wie kognitiv verankerten Wissensvorrat verfügt. Hieran knüpfen sich ungezählte sensorische Inszenierungs- wie sprachliche Beschreibungspraktiken von Kulturgütern und deren zeitlich-räumliche und soziale Arrangements. So betrachtet sind Kulturgüter geradezu eine herausragende Form der Verkörperung – wenn nicht sogar Verdinglichung – dessen, was Fiona Kumari Campbell „Ableismus“ genannt hat.

Als das unbezeichnete Eigene und in Denk- und Körperroutinen Implizite entzieht sich dieses ableistische Wissen zudem nur zu gerne dem Zugriff des Bewusstseins. Dies erklärt einerseits den hohen Grad der Beharrlichkeit dieses Wissens und führt andererseits zur Forderung der weitgehenden Zielgruppen-Partizipation in musealem Handeln durch eine praktisch-prozessuale Vernunft.

Vor diesem Hintergrund fokussiert Saerberg einige von ihm kuratierte Ausstellungen wie Art Blind 2013 und Nahaufnahmen 2014 sowie von ihm begleitete Projekte an der Bundeskunsthalle von 2015 bis 2017, in denen quasi-technische Momente der barrierefreien Gestaltung an werthaltige Momente der Partizipation potentieller und realer Akteursgruppen angebunden wurden. Abschließend versucht er, eine digitale Heterotopie im Sinne Foucaults zu imaginieren, in der Zugang als gemeinsames Kulturgut in einem vielseitigen Übersetzungsvorgang geschieht. Kann Digitalisierung auch zum Wandel jener alteingesessenen Körper- und Denkpraktiken führen oder dupliziert sich der Ableismus hier lediglich auf digitale Weise?

Prof. Dr. Siegfried Saerberg arbeitet zu Themen der Disability Studies, Teilhabe- und Inklusionsforschung, Disability Arts, sensorische Ethnographie sowie Digitalität und Behinderung. Von 2020 bis 2025 hatte er die Professur für Disability Studies an der Evangelischen Hochschule für Soziale Arbeit und Diakonie, Rauhes Haus, in Hamburg inne. Im Wintersemester 2025/26 ist er Senior Fellow der Kolleg-Forschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen Wandel“.