

Am 15. Dezember 2025 hielt Dr. Hauke Behrendt (Stuttgart) seine Fellow-Lecture zum Thema „Zugänge und Ausschlüsse – Kulturelle Teilhabe gestalten“. Im Anschluss an den Vortrag stellte er sein neues Buch „Ethik der Digitalisierung“ vor.
Der Vortrag diskutierte, wie digitale Technologien kulturelle Teilhabe ermöglichen, begrenzen und neu strukturieren. Digitalisierung gilt häufig als Motor der Inklusion: Sie schafft neue Zugänge zu Kunst, Wissen und Öffentlichkeit. Zugleich entstehen neue Formen des Ausschlusses – durch algorithmische Kuratierung, ökonomische Barrieren oder subtile Prozesse digitaler Normierung. Ausgehend vom Konzept der Teilhabegerechtigkeit wird Inklusion als kontextabhängige und mehrdimensionale Relation verstanden. Die Frage nach gerechter Mitwirkung an kultureller Praxis wurde im Vortrag im Licht des Trilemmas der Inklusion (Mai-Anh Boger) analysiert, das drei teils konfligierende Inklusionsziele unterscheidet: Normalisierung (Überwindung von Marginalisierung durch Öffnung der Zentren), Empowerment (Überwindung von Beherrschung durch Selbstermächtigung) und Dekonstruktion (Überwindung ausschließender Kategorien durch Auflösung von Essentialismen). Diese drei Ansätze stehen in einem dynamischen Spannungsverhältnis: Jede reagiert auf eine spezifische Form von Exklusion, erzeugt oder verstärkt jedoch zugleich andere Ausschlüsse. Der Vortrag plädierte dafür, kulturelle Teilhabe im digitalen Wandel als reflexive Gestaltungsaufgabe zu begreifen. Gerechte Teilhabe lässt sich nicht durch eine einzelne Inklusionsstrategie verwirklichen, sondern nur durch das bewusste Austarieren dieser Spannungen. Am Beispiel der Kunst wurde gezeigt, dass ästhetische Praxis einen kulturellen Raum eröffnen kann, in dem Empowerment, Normalisierung und Dekonstruktion in ein produktives Wechselspiel treten.
Dr. Hauke Behrendt ist Akademischer Rat am Institut für Philosophie der Universität Stuttgart. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Angewandten Ethik – insbesondere der Ethik der Digitalisierung, der Medizinethik und den Diversity Studies – sowie in der Sozialphilosophie und Politischen Philosophie.