Reading Artists’ Books: Problems for Computer
© Tabea Nixdorff

Am 11. Dezember 2025 fand die vierte Ausgabe der Reihe „Reading Artists’ Books“ an der Universität Witten/Herdecke sowie online statt. Die Veranstaltung war eine Kooperation der Universität Witten/Herdecke mit der Kolleg-Forschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen Wandel“ und dem Büro & Netzwerk für Medienkunst und Digitale Kultur medienwerk.nrw.

Leitung:

  • Dr. Regine Ehleiter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Digitale Künste und Kulturvermittlung des WittenLab.Zukunftslabor Studium Fundamentale an der Universität Witten/Herdecke und Senior Fellow der Kolleg-Forschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen Wandel“
CD-Rom mit aufgedrucktem Ablaufdatum.
Shinji Toya, 3 Years and 6 Months of Digital Decay, 2016–2019, CD-R (Audioanleitung und Offline-Index zum web-basierten Artwork).
© Shinji Toya

Die vierte Ausgabe der Reihe „Reading Artists’ Books“ stellte Publikationen vor, die seit den 1960er-Jahren komputationales Denken – also durch computerbasierte, algorithmische Verfahren geprägte Denkweisen – kritisch reflektieren oder in ihrer Entstehung auf Computertechnologien zurückgreifen. Bereits in den 1960er- und 1970er-Jahren fragten Künstler:innen und Theoretiker:innen, ob Computer Kreativität erweitern oder sogar ersetzen könnten, wie sich künstlerische Rollen durch algorithmische Werkzeuge verändern und wer Zugang zu den neuen Technologien erhält. Damit wurden Fragestellungen aufgeworfen, die heute – im Kontext aktueller Debatten um Künstliche Intelligenz – mit neuer Dringlichkeit wiederkehren. Publikationen wie Alison Knowles’ House of Dust (1969), Stanley Brouwns 100 this-way-brouwn-problems for computer IBM 360 model 95 (1970) oder Manfred Mohrs Artificiata I (1969) verdeutlichen, wie Konzepte von Zufall, Iteration und algorithmischer Logik in das analoge Medium der Publikation übersetzt wurden – häufig verbunden mit einer kritischen Reflexion über die Versprechen und Grenzen digitaler Technologien.

Die Veranstaltung war Alison Knowles gewidmet, die im Oktober 2025 im Alter von 92 Jahren in New York verstarb. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Studium fundamentale an der Universität Witten/Herdecke statt und knüpft zugleich an aktuelle Fragen der Kolleg-Forschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern in digitalem Wandel“ der Universität Münster an. Der Beitrag von Shinji Toya (London) zum Thema digitale Obsoleszenz rückte die Fragilität netzbasierter Werke und digitaler Infrastrukturen in den Fokus. Eine weitere Gruppe von Beiträgen widmete sich Publikationen zur Rolle von Frauen in der Computergeschichte, in deren Anfängen „Computers“ meist weibliche Mitarbeiterinnen bezeichneten, die komplexe Berechnungen von Hand ausführten. Computers at Work. About Women in Computing (2019) von Sophie Rentien Lando bildete dabei den Ausgangspunkt für einen Beitrag von Studierenden aus einem Seminar zur frühen Computerkunst von Regine Ehleiter. Gloria Hasnay (Düsseldorf) stellte die Publikation Key Operators. Weaving and Coding as Languages of Feminist Historiography (2024) zu ihrer gleichnamigen Ausstellung im Kunstverein München vor. Jonathan Harth (Berlin/Witten) widmete sich schließlich den berühmten Notizen der britischen Mathematikerin Ada Lovelace, die als erste Programmiererin der Welt gilt.

Im Programm stellten Künstler:innen, Theoretiker:innen, Verleger:innen und Kurator:innen in kurzen Beiträgen (10–15 Minuten) ausgewählte Publikationen vor – darunter die Kunsthistorikerinnen Hannah Higgins (Chicago), Margit Rosen (Karlsruhe), Ursula Frohne (Münster) und Constanze Fritzsch (Florenz), der Literaturwissenschaftler Frank Fischer (Berlin), der Gestalter und Programmierer Jürg Lehni (Zürich) sowie die Künstlerinnen Antye Guenther (Rotterdam), Andreas Bülhoff (Hamm/Berlin) und Rodrigo Araya Yáñez (Santiago de Chile). 

Die Veranstaltung wurde von Regine Ehleiter, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Digitale Künste und Kulturvermittlung des WittenLab.Zukunftslabor Studium Fundamentale an der Universität Witten/Herdecke und Senior Fellow der Kolleg-Forschungsgruppe, konzipiert und fand in Kooperation mit dem Büro & Netzwerk für Medienkunst und Digitale Kultur medienwerk.nrw sowie der Kolleg-Forschungsgruppe „Zugang zu kulturellen Gütern im digitalen Wandel“ an der Universität Münster statt. Die Kolleg-Forschungsgruppe wird gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Die Arbeit des Büros medienwerk.nrw wird aus Mitteln des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert, in dessen Auftrag es Koordinierung, Professionalisierung und Beratung im Bereich der Medienkunst übernimmt. Das Büro medienwerk.nrw ist beim HMKV Hartware MedienKunstVerein in Dortmund angesiedelt.

Die Reihe Reading Artists’ Books wurde von Regine Ehleiter gemeinsam mit Tabea Nixdorff (Arnheim) in Erinnerung an die 2020 verstorbene Chicagoer Kuratorin und Bibliothekarin Doro Boehme ins Leben gerufen und macht künstlerisches Publizieren in öffentlichen Leseformaten erfahrbar. Frühere Veranstaltungen widmeten sich unter anderem Publikationen als Präsentationsmedium künstlerischer Schreibpraktiken (HGB Leipzig, 2022) sowie dem Thema „Asemic Writing“, ausgehend von Arbeiten der argentinischen Konzeptkünstlerin Mirtha Dermisache (Freie Universität Berlin, 2024). Aufzeichnungen der bisherigen Veranstaltungen finden sich auf dem Vimeo-Kanal der Reihe.

Links: 

Ein gebundenes Buch mit dem Icon des Softwareprogramms WORD.
Andreas Bülhoff, Reading Writing Interfaces, 3 Bd. (TextEdit, Word, InDesign), Berlin: sync.ed, 2022, Open Edition (Lulu). Hier abgebildet: „Word“, 15,4 x 21,7 cm, 638 Seiten
© Andreas Bülhoff

Programm

13:30 Uhr
Regine Ehleiter (on-site): Introduction to the event, followed by a reading of Stanley Brouwn, „100 this-way-brouwn-problems for computer IBM 360 model 95“ (1969)

13:45 Uhr
Frank Fischer (online) reading Nanni Balestrini, „Tape Mark I“ (1961)

14:00 Uhr
Constanze Fritzsch (online) reading A.R. Penck, „Ich-Standard-Literatur“ (1971)

14:15 Uhr
Andreas Bülhoff (on-site) reading „Reading Writing Interfaces – Word, InDesign, TextEdit“ (2022)

14:30 Uhr
Jürg Lehni (online) reading „Things to Say“ (2009), „Empty Words“ (2011), „News“ (2011), and „Research Notes“ (2011)

14:45 Uhr
Antye Guenther (online) reading „The Beheading of the Fruit Fly? (How will I know if you are truly a sentient being?)“ (2022)

15:00 Uhr – 15:30 Uhr
Coffee break

15:30 Uhr
Ursula Frohne (on-site) reading Lucy R. Lippard’s contribution to „Information“ (MoMA, 1970)

15:45 Uhr
Hannah Higgins (online) reading „Alison Knowles, A House of Dust“ (1969)

16:00 Uhr
Rodrigo Araya Yáñez (online) reading „Entreactos. Ordenadores y sirvientes“ (2014–19)

16:15 Uhr
Gloria Hasnay (on-site) reading „Key Operators. Weaving and coding as languages of feminist historiography“ (2024)

16:30 Uhr
Jonathan Harth (on-site) reading Ada Lovelace, „Notes to her translation of Luigi Menabrea’s Sketch of The Analytical Engine Invented by Charles Babbage“ (1842)

16:45 Uhr
Shinji Toya (online) reading „3 Years and 6 Months of Digital Decay“ (2016)

17:00 Uhr
Drinks Reception

Vorab aufgenommene Videos sind online zugänglich über das Vimeo-Archiv des Projekts unter vimeo.com/user180742593:  
•    Margit Rosen reading Manfred Mohr, „Artificiata I“ (1969)
•    Students reading Sophie Rentien Lando, „Computers at Work. About Women in Computing“ (2019)