Regionale Texte – Kulturpoetische Perspektiven auf Regionalität am Beispiel NRWs

Antragsteller: Tim Preuß
Projektbeteiligte: Michael Boch, Alexandra Schwind
Fachbereich, Studienrichtung: FB 09, Germanistisches Institut; Kulturpoetik der Literatur und Medien
Projekttitel: Regionale Texte – Kulturpoetische Perspektiven auf Regionalität am Beispiel NRWs
Fördersumme: 3.210,00 Euro
Kontakt: tpreuss@uni-muenster.de

Projektbeschreibung:
Vom 19. bis 21. August fand im Germanistischen Institut sowie im Cinema Münster die studentische Tagung „Regionale Texte – Kulturpoetische Perspektiven auf Regionalität am Beispiel NRWs“ statt.

Inhalt und Ziele

Inhalt und Ziele der Tagung ergaben sich aus Grundannahmen des Studiengangs der Antragsteller:innen. Die Kulturpoetik geht von einem weiten Textbegriff aus, der nicht nur literarische Texte umfasst, sondern ebenso alle anderen, textuell materialisierten kulturellen Phänomene einschließt. Dieser Ansatz macht eine inter- und transdisziplinäre Orientierung und Arbeitsweise unabdingbar und trägt so zur kulturwissenschaftlichen Ausrichtung und Vernetzung der beteiligten Disziplinen bei. Dieser aktuellen Herausforderung der Wissenschaft muss sich auch ein Arbeitsfeld stellen, welches im ‚Zeitalter der Globalisierung‘ eher marginales Interesse erfahren hat – die Erforschung von Regionalität.

Deren Aktualisierung scheint nicht allein vor dem Hintergrund gegenwärtiger Herausforderungen an die Wissenschaft im Allgemeinen notwendig, auf deren Potenziale für regional orientierte Forschung jüngst wiederholt verwiesen wurde, sondern ebenso in Hinblick auf die Erosion klassischer Modellierungen von Regionalität und ihrer Textzeugnisse. Eine derart fundierte Erforschung von regionalen Kulturen wäre zudem gerade angesichts zunehmender Globalisierung und Transmedialisierung geeignet, sich Gegenwartsphänomenen zu stellen, da sich deren textuelle Fixierungen gleich welcher Art in regionalen Kontexten als Modellfälle der Adaptation und Interdependenz globaler kultureller Entwicklungen lesen lassen und auf diese wiederum rückwirken können. Dadurch ist eine aktualisierte Regionalforschung zum Verständnis globalkultureller Phänomene unerlässlich.

Vor diesem Hintergrund setzte sich die Tagung das Ziel, neue Perspektiven auf etablierte Gegenstände einer an regionalen Texten interessierten Forschung zu eröffnen, ihre bestehenden theoretischen und methodischen Ansätze zu überprüfen und nicht zuletzt neue Gegenstandsbereiche zu erschließen. Im Sinn einer nachhaltigen Fundierung einer kontextsensiblen, gegenwartsorientierten und gegenstandsoffenen Regionalforschung war es außerdem Ziel der Tagung, Studierende und Nachwuchswissenschaftler:innen unterschiedlicher Disziplinen und Institutionen mit entsprechendem Interesse zu vernetzen sowie zur Stärkung des Konnex zwischen Forschung und Kulturproduktion qua Einbindung von Künstler:innen mit entsprechendem thematischen Arbeitsfeld beizutragen.

Durchführung, Zielerreichung und Resonanz

Zur Akquise der wissenschaftlichen und künstlerischen Beiträge zur Tagung wurde nach der Antragstellung ein Call for Presentations erarbeitet und über unterschiedliche Verteiler der WWU, aller größeren Hochschulen in NRW sowie H-Net Germanistik publiziert, wodurch Sichtbarkeit über die WWU hinaus erzielt wurde. Zudem wurden potenzielle einschlägige Beiträger:innen aus Wissenschaft und Kunst gezielt angefragt. Aus den Rückmeldungen konnte ein dreitägiges Tagungsprogramm im Sinn der genannten Ziele zusammengestellt werden.

Für die einführende Key-Note zur Tagung konnte mit Prof. Dr. Walter Gödden, Mitbegründer und langjähriger Geschäftsführer der LWL-Literaturkommission für Westfalen, eine Koryphäe der etablierten Regionalforschung gewonnen werden. Dieser gab einen Einblick in die breite Arbeit der Institution. An seine Schilderung der Vielzahl in Frage kommender Texte, ihrer methodischen Erschließung und praktischen Vermittlung sowie die Potenziale der Verbindung von wissenschaftlicher, vermittelnder und künstlerischer Arbeit konnten die folgenden Vorträge optimal anschließen.

Diese befassten sich neben theoretischen Perspektivierungen von Regionalität mit klassischen Gegenständen regional orientierter Forschung und insbesondere mit der Erschließung neuer Paradigmen für die Regionalwissenschaft(en) in kulturwissenschaftlicher Lesart. Dabei standen unter Schwerpunktsetzung auf den Bezug zum Raum NRW gegenwartsliterarische Texte, Ausstellungspraktiken, Dialekte in populärer Musik sowie regionale Subkulturen am Beispiel von HipHop im Fokus. Durch die thematische Breite konnten die Ziele der Neuperspektivierung und Erschließung erreicht werden. Die Potenziale und weiteren Desiderate dieser beiden Ziele wurden über die Vorträge hinaus in intensiven Diskussionen aufgezeigt, durch welche zudem zwei kurzfristige Ausfälle problemlos kompensiert werden konnten. In diesen wurde wiederholt auf Anschlussmöglichkeiten zwischen den disziplinären Ansätzen und Gegenständen hingewiesen. An den Diskussionen, welche nach offiziellem Ende der Tagesprogramme noch fortgesetzt wurden, waren neben den Beiträger:innen ebenso die dauerhaft anwesenden bzw. gezielt an einzelnen Vorträgen teilnehmenden Gäste beteiligt.

Im Sinn der beabsichtigten Einbindung von Künstler:innen steuerten neben dem Wuppertaler Künstler und Musiker Ungemach insbesondere die Rapper:innen Vandalismus sowie Aco MC aus Bielefeld Einblicke in ihre Erfahrungen in unterschiedlichen regionalen Subkultur-Szenen bei. Dies erfolgte zum Abschluss des ersten Tages mit einer Lesung durch Ungemach, dessen Texte sich mit Herkunft und Identität auseinandersetzen sowie mit einer Lesung durch Vandalismus, dessen Texte sich einerseits mit biografischen Motiven von Flucht und Entfremdung und andererseits mit den haltgebenden Potenzialen von regionalen Jugendkulturen beschäftigen. Zum Abschluss des zweiten Tages moderierte Michael Boch ein Gespräch zwischen Aco MC und Vandalismus zu kulturellen Praktiken, regionalen Spezifika und den Möglichkeiten regionaler Subkultur-Arbeit im HipHop. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf dem Status von Frauen und Männlichkeitsbildern in Jugend- und Subkulturen. Am Sonntag erfolgte im Cinema Münster ein Screening der Dokumentation WE ALMOST LOST BOCHUM (D, 2020) in Anwesenheit der Regisseure Julian Brimmers und Benjamin Westermann, welche anschließend für ein ausführliches Gespräch zur Verfügung standen. In Ergänzung des Ziels, der Regionalforschung neue Gegenstandsbereiche zu erschließen, konnte so mit deutlicher Schwerpunktsetzung auf den subkulturellen Bereich HipHop ein erkenntnisreicher Dialog zwischen Kunst, kulturproduktiver Praxis und Wissenschaft erzielt werden.

Indem Beiträger:innen aus drei Universitäten NRWs, einer Universität in Niedersachsen sowie den außeruniversitären Wissenschaftsinstitutionen der LWL-Literaturkommission und des Fritz Hüser Instituts beteiligt waren, konnte das Ziel einer wissenschaftlichen Vernetzung im Vorhaben des Projekts erreicht werden. Durch Einbindung von Künstler:innen ließ sich diese Vernetzung zudem auf Bereiche der Kunst- und Kulturproduktion ausdehnen. Diese Vernetzung zeigte sich zudem in der Sichtbarkeit des Projekts über den Kontext der WWU hinaus – vorab etwa in den Hinweisen auf die Veranstaltung auf den Social-Media-Kanälen der wissenschaftlichen Beiträger:innen bzw. ihrer Institutionen, welche wiederum Resonanz und Interessensbekundungen aus der wissenschaftlichen Community hervorriefen, im Nachgang insbesondere über die Publicity auf den Kanälen der künstlerischen Beiträger:innen, wo u.a. Ausschnitte aus deren Beiträgen veröffentlicht wurden. Durch diese wurde ein Publikum über den akademischen Kontext hinaus auf die Tagung und ihre Anliegen aufmerksam.

Anschlussaktivitäten

Im Anschluss wird zunächst die Festigung eines Netzwerks aktualisierter Erforschung regionaler Texte unter Einbezug der Künste und Künstler:innen selbst verfolgt, für welches die Tagung einen Aufschlag geben konnte. Ebenso werden Möglichkeiten für Folgeprojekte an den Heimatuniversitäten und Institutionen der Beiträger:innen eruiert und sollen in Abstimmung konzipiert werden. Die Beiträge und Ergebnisse der Tagung sollen zudem in Form einer Publikation gesichert werden. Diese ist als Sammelband der erweiterten Vortragstexte der Tagung in Ergänzung durch künstlerische bzw. essayistische Beiträge geplant. Außerdem sind Beiträge von gezielt während der Konzeptionsphase der Tagung angefragter Wissenschaftler:innen geplant, welche zwar für die Tagung selbst absagen mussten, jedoch freundlicherweise Texte in Aussicht stellten. Abgezielter Publikationsort ist die Schriftenreihe der LWL-Literaturkommission, worin ein erstes Beispiel für die Chancen einer nachhaltigen Vernetzung etablierter und neuer Forschung gesehen werden kann. Ein entsprechender Antrag wird nach Abschluss des Projekts bei der besagten Institution eingereicht.